Von Sandra Danneil
Auf seiner Wahlkampftour 2025 machte Kanzlerkandidat Robert Habeck Halt im Westfälischen Industrieklub Dortmund. Bei der „Politischen Mittagspause“ wurde der derzeitige Wirtschaftsminister unterstützt vom Kreisverband der Grünen und traf auf viel Zuspruch von der Dortmunder Stadtgesellschaft. Applaus gab es aber nicht nur für warme Worte und heiße Suppe.
Politische Mahlzeit mit Message für 380 Gäst:innen
Die Räumlichkeiten im Westfälischen Industrieklub am Alten Markt in der Dortmunder Innenstadt könnten nicht besser gewählt sein. Etwa 380 Bürger:innen, Medienschaffende und geladene Gäst:innen kommen dem Ruf der Grünen an diesem sonnigen Februar-Montag zur „Politischen Mittagspause“ nach. Darunter auch die NRW-Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes, Mona Neubaur, und die Grünen-Europaparlamentsabgeorndete Theresa „Therry“ Reintke aus Gelsenkirchen.
Statt für Promi-Selfies und banale Wahlversprechen kamen die Menschen neben einer Tierwohl-freundlichen Mahlzeit aber vor allem für Inhalte mit Substanz.
Die kurze Vorstellung der beiden Kreisverbandskandidatinnen für den Bundestag, Hannah Rosenbaum und Tina Wilken, fällt dabei sehr sympathisch wiewohl noch etwas unroutinierter aus als beim eigentlichen Stargast des Wahlkampf-Events, Robert Habeck.
Auf Wahlkampftour mit einem politischen Vollprofi
Am Morgen in Bochum, am Mittag in Dortmund und zum Abend ab nach Frankfurt. Den stark duchgetakteten Kalender lässt sich der politische Vollprofi nicht anmerken. Stattdessen tritt Habeck als die „Inspiration“ auf das Podest, die die Teilnehmer:innen hier in ihm entweder schon sehen oder bald sehen wollen.
Krawattenlos und in lässigem Schwarz erklärt Habeck gleich zu Beginn, dass die große Teilnahme an Formaten wie der Politischen Mittagspause „heute nicht mehr selbstverständlich ist“. Die Bündnis-Partei erlebe eine Eintrittswelle wie es sie in dreißig Jahren nicht gegeben hätte.
Vor allem nach der Bundestagsdebatte zum Asylrecht der letzten Woche erlebe er eine beispiellose Verunsicherung in der Bevölkerung; einen „Bruch im Gemeinsinn“, der auf mehrfacher Ebene zu spüren sei.
Klimawandel vor allem bei unsicheren Wähler:innen?!
Klimawandel scheint es dabei aktuell insbesondere unter den Wähler:innen im Land zu geben. Die ‚Confessions of a Dangerous Mind‘ könnten dem Christdemokraten Friedrich Merz den Schaden zugefügt haben, der noch unsicheren Wähler:innen nun eine sichere Entscheidungshilfe bieten könnte.
In NRW könnten Bündnis 90/Die Grünen ihre aktuellen 18 Prozent in der Sonntagsumfrage sicher noch zu den Spitzenwerten der Partei in Berlin und Hamburg von 22 Prozent aufschließen (Quelle: wahlrecht.de/ Infratest dimap).
Wahlkampf ohne Wildwest-Fantasien und für Europa
„Der Wahlkampf wird jetzt vielleicht eine andere Richtung einnehmen, als noch zu Beginn“ mutmaßt Habeck unter Beifall eines dankbaren Publikums. „Und vielleicht werden am Ende auch die belohnt, die nicht versuchen ihren Wahlkampf mit schlechter Laune und Wildwest-Fantasien zu führen.“ Dabei habe die Wahl schon vor der letzten Woche klare Weichenstellungen vorausgesehen.
Stabilität im Inneren werde nicht durch Rumbrüllen und Machtmissbrauch erreicht. Vielmehr richten sich die Herausforderungen zunächst auf die Erschütterung von Außen, der die Grünen klare Grenzen setzen wollen.
Putin, Trump und AfD – das seien die Sargnägel für Europas Friedensordnung und eine stabile Wirtschaft. „Wir glauben fest an den Zusammenhalt der Zivilgesellschaft. Anstatt auf Künstliche Intelligenz setzen wir mehr auf natürliche Intelligenz der Menschen in unserem Land“, scherzt Habeck halb im Ernst.
Ein Riss sorgt für „amerikanische Verhältnisse“
Die symbolhafte Zäsur der letzten Bundestagswoche bezeichnet Habeck als einen „Riss“, der das demokratische Zentrum in zwei Hälften zerteilt habe.
„Plötzlich herrschten amerikanische Verhältnisse, deren moralische Vorwürfe jede Gesprächsbasis unmöglich machten“, erklärt der einstige Ampel-Minister und ist dabei selbst sichtlich erschreckt über die aktuellen Entwicklungen.
„Die nächste Regierung muss sich in den Dienst der europäischen Sache stellen“, ist Habeck überzeugt und resultiert publikumswirksam: „Unsere Antwort auf ‚America First‘ lautet ‚Europe United‘.“
Habeck promotet eine „neue politische Heimat“ bei den Grünen
In seinen 20-Minuten Bühnenprogramm versteht es Habeck aber nicht nur als Kanzlerkandidat aufzutreten und seine Zeit mit den bekannten Punkten aus dem Bündnis-Wahlprogramm zu füllen. Das Festhalten an Klimaschutzzielen, der Auf- und Ausbau von Zukunftstechnologien aus dem eigenen Land, Fachkräfteförderung und eben auch eine nachhaltige und sicherheitsorientierte Asylpolitik – all das wäre nichts ohne den Robert, der sich seinem Publikum heute auch als Mensch und Bürger dieses Landes präsentiert.
„Obwohl ich vieles an unserer ehemaligen Kanzlerin zu kritisieren hatte, verstehe ich, warum die Menschen in Deutschland Angela Merkel gewählt haben“, gibt der Grünen-Politiker offen zu.
„Anders als ihr Nachfolger hat Frau Merkel ihre Entscheidungen immer mit Anstand und Vernunft getroffen. Wenn Sie also jetzt auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat sind…vielleicht finden Sie diese bei uns!“
Spiel, Satz, Sieg für Robert, denn das Publikum applaudiert begeistert. Und vielleicht ähnlich laut und ausgiebig wie an vielen anderen Orten, an denen Robert Habeck und auch seine Kollegin Annalena Baerbock auf Wahlkampftour in den verbleibenden 20 Tagen vor der Bundestagswahl noch Menschen für sich und die „Europäische Sache“ gewinnen können.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
Reaktionen
Carsten Klink
Wenn man die grüne Brille einmal abnimmt, kann man aber durchaus zu einem anderen Schluss kommen.
Zu den Sargnägel für Europas Friedensordnung und eine stabile Wirtschaft gehören wohl auch die Grünen. Statt den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg mit Diplomatie zu beenden, wähnt Frau Baerbock sich 2023 beim Europarat im Krieg mit Russland.
Es dürfte wohl inzwischen klar geworden sein, dass die auch von den Grünen favorisierten westlichen Sanktionen gegen Russland der deutschen Wirtschaft mehr schaden als der russischen.
Zu den unsinnigen Leitzinserhöhungen der EZB, die ebenfalls die deutsche Wirtschaft abwürgen, sagen die Grünen kein Wort. Das Heizungsgesetz verunsichert die Bürgerinnen und Bürger dermaßen, dass „sicherheitshalber“ bei anderen Investitionen gespart und somit keine Aufträge erteilt werden, da viele die Kosten für unwägbar halten.
Statt wie auf den grünen Wahlplakaten bei der letzten Bundestagswahl noch gefordert, keine Rüstungsgüter in Krisengebiete zu senden, waren die grünen Regierungsmitglieder 2024 für die Verdoppelung der Exporte von Klein- und Langwaffen verantwortlich, die man durchaus als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnen kann. Die noch amtierende Bundesregierung hat im Jahr 2024 erneut einen Negativrekord bei den Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte mit einem Wert von 13,1 Mrd. Euro aufgestellt hat.
Obwohl allein die europäischen Nato-Staaten zehnmal mehr für Rüstung ausgeben als Russland, von den USA, die mehr für Rüstung ausgeben als die nächsten zehn Staaten weltweit zusammen, fordert Robert Habeck eine Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 3,5 Prozent während dann mutmaßlich im sozialen Bereich und bei der Infrastruktur gespart werden soll.
Besonders glaubwürdig ist die grüne Brandmauer gegen Rechts auch nicht gerade angesichts der Wahl der umstrittenen Frau von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidenten. Die Grünen im EU-Parlament haben die Stimmenmehrheit für Frau von der Leyen zusammen mit den italienischen Postfaschisten von Melonis Brüder Italiens erbracht. Die grüne Weste hat braune Flecken…