Reformstau und Arbeitskräftemangel als zentrale Herausforderungen für Signal Iduna

Die Dortmunder Versicherungsgruppe wächst weiter über dem Markt

Signal Iduna Versicherung Hauptzentrale - Außenansicht
Die Signal Iduna Versicherung – hier ein Bild der Dortmunder Hauptzentrale –  blickt auf ein Rekordjahr 2024 zurück. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Signal Iduna konnte 2024 das selbst gesteckte Ziel von sieben Milliarden Euro Beitragseinnahmen erreichen – ein Jahr später als ursprünglich geplant. Das sei dennoch trotzdem ein großer Erfolg, sagte Vorstandschef Ulrich Leitermann beim Round-Table-Gespräch mit Journalisten. Der Dortmunder Versicherer wächst damit weiterhin über dem Branchendurchschnitt. Der Vertrieb lieferte mit 400 Millionen Euro zusätzlichen Einnahmen das beste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte. Gleichzeitig belasten steigende Gesundheitsausgaben das operative Ergebnis.

Nach der Bundestagswahl – Leitermann fordert stabile Regierung

Neben wirtschaftlichen Fragen blickt der Vorstandschef besorgt auf die politische Lage in Deutschland: Die Ergebnisse der Bundestagswahl, steigende Sozialabgaben und der zunehmende Fachkräftemangel werden die kommenden Jahre prägen.

Mit Blick auf die Bundestagswahl fordert Leitermann, dass die neue Regierung schnell handlungsfähig wird, um wirtschaftspolitische Weichen richtig zu stellen. Besonders die Themen Wirtschaftswachstum und Migration hätten den Wahlkampf dominiert. ___STEADY_PAYWALL___

„Die Frage ist: Was bedeutet das für die Gesundheitspolitik?“, so Leitermann. „Die letzte Legislatur war in dieser Hinsicht eine vertane Chance. Wir haben drei verlorene Jahre hinter uns.“

Lohnnebenkosten steigen weiter stark an

Einer der größten Sorgenpunkte für Leitermann sind die steigenden Sozialabgaben. „Die Lohnnebenkosten müssen unter 40 Prozent bleiben, doch wir sehen keine politischen Ansätze, um dem entgegenzuwirken.“ Besonders kleine und mittelständische Unternehmen stünden unter Druck.

Ulrich Leitermann ist Vorstandsvorsitzender der Signal Iduna Gruppe.
Ulrich Leitermann ist Vorstandsvorsitzender der Signal Iduna Gruppe. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Gerade für das Handwerk sei die Situation prekär: „Hier spielen Lohnkosten eine viel größere Rolle als in einem automatisierten Industriebereich. Wenn Dienstleistungen zu teuer werden, stellt sich die Frage, wer sich das am Ende noch leisten kann“, so Leitermann.

Die ausbleibende Reform der Pflegeversicherung sei dabei besonders problematisch, weil die steigenden Leistungsausgaben zwangsläufig zu höheren Beiträgen führen werden.

Zunehmende Staatsverschuldung als Risiko

Neben den Herausforderungen im Sozialbereich kritisiert Leitermann die steigende Staatsverschuldung. Insbesondere Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung seien zwar notwendig, doch müsse geklärt werden, wie sie finanziert werden.

„Eine Erhöhung der Steuern und Abgaben kann keine Lösung sein – irgendwann gibt es niemanden mehr, den man noch stärker belasten kann“, so der Signal-Iduna-Chef. Stattdessen müsse der Staat auch seine eigenen Ausgaben hinterfragen, so Leitermann: „Brauchen wir wirklich so viele Ministerien?“

Arbeitskräftemangel wird zur größten Herausforderung

Signal Iduna Versicherung Hauptzentrale - Außenansicht
Leere Büros? Fachkräftemangel ist ein Thema – nicht nur bei der Signal Iduna Versicherung. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Der wachsende Mangel an Arbeitskräften sieht Leitermann als eine der drängendsten Herausforderungen für die Wirtschaft. In den nächsten zehn Jahren werden 50 Prozent der heutigen Belegschaft der Signal Iduna in den Ruhestand gehen.

„Wir haben letztes Jahr 300 neue Mitarbeiter:innen eingestellt, netto aber nur 100 Stellen besetzt, weil so viele in den Ruhestand gegangen sind“, erläuterte er.

Der Wettbewerb um Fachkräfte bleibt angespannt. 2024 gingen bei der Signal Iduna 8000 Bewerbungen ein, davon führten 1000 zu Gesprächen und 300 zu Einstellungen. Der Konzern setzt verstärkt auf Homeoffice, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice als Schlüssel

Um Fachkräfte zu gewinnen, setzt Signal Iduna verstärkt auf moderne Arbeitszeitmodelle. „Viele Bewerber:innen kommen aus Branchen, in denen sie nicht flexibel arbeiten können. Das Homeoffice-Angebot war für viele ein ausschlaggebender Punkt, sich für uns zu entscheiden.“

Das Homeoffice ist weiter gefragt. Foto: Benito Barajas für Signal Iduna

Insbesondere für Mütter sei mobiles Arbeiten ein wichtiges Argument. Auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf spiele eine zentrale Rolle bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber.

Eine generelle Einführung der Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich lehnt Leitermann klar ab. „Das würde 20 Prozent mehr Kosten bedeuten – das kann sich kein Unternehmen leisten.“ Allerdings sei es möglich, die 38,5-Stunden-Woche flexibler zu verteilen.

Psychische Erkrankungen nehmen zu – Ursachen unklar

Ein weiteres wachsendes Problem sieht Leitermann in der steigenden Zahl psychischer Erkrankungen: „Wir sehen das bei den Leistungsausgaben und Krankenständen. Die Frage ist: Woher kommt das?“

Er kritisiert, dass in der politischen Debatte oft vermittelt werde, Arbeit mache krank. „Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte – es gibt viele Stressfaktoren, die über das Berufliche hinausgehen.“ Deshalb sei es wichtig, dieses Problem weiter im Blick zu haben, die Ursache aber bei allgemein steigenden Stress in allen Bereichen der Gesellschaft zu sehen, dem auch die Politik begegnen soll.

Dortmund als Standort – Potenzial, aber auch Probleme

Neben wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen sieht Leitermann auch Verbesserungsbedarf bei der Standortattraktivität Dortmunds. Mietpreise seien dabei nicht das Problem: In Vergleich zu anderen Standorten seien diese hier noch günstig.

Seit mehr als 20 Jahren existiert der Drogenkonsumraum – mit wechselnden Standorten – in der Dortmunder City.
Seit über 20 Jahren gibt’s einen Drogenkonsumraum in der City – an verschiedenen Orten. Foto: Matilda Buchmann

Allerdings müsse sich die Stadt Dortmund insgesamt besser präsentieren, um für Fachkräfte attraktiv zu sein. Themen wie Drogenkonsum in der Innenstadt und mangelnde Freizeitangebote könnten sich negativ auf die Standortentwicklung auswirken.

Die Erhöhung der Attraktivität sei dabei die Aufgabe der Stadt und der Stadtpolitik, die bisher aber noch keine zufriedenstellende Lösung erarbeitet haben.

Digitaler Wandel und neue Geschäftsfelder tragen zum Wachstum bei

Neben den Herausforderungen setzt das Unternehmen weiter auf den digitalen Wandel. Die Einführung des neuen Cyberschutzes im Mai 2024 erwies sich als Erfolg: Die Zahl der Policen stieg von 1.468 auf 2.170, das Beitragswachstum lag mit 51,9 Prozent deutlich über dem Branchenschnitt. Die steigende Zahl der Abschlüsse weist auf ein wachsendes Problembewusstsein hin.

Die Zahl der Fahrrad-Versicherungen steigt. Foto: Leopold Achilles

Auch die Fahrradversicherungen entwickeln sich positiv. Mittlerweile sind 9.163 hochwertige Fahrräder mit einem Bestandsbeitrag von 700.000 Euro abgesichert. Insgesamt nutzen 370.000 Hausrats-Versicherungskunden einen Fahrrad-Baustein, um sich gegen Diebstahl abzusichern. Wie oft diese Versicherung in Dortmund greift, ist nicht bekannt.

Im KFZ-Bereich hingegen mussten Prämien deutlich erhöht werden, da steigende Schadensaufwände eine Anpassung von über 20 Prozent nötig machten. Der Durchschnittsbeitrag pro Vertrag stieg im Januar 2025 um 17,4 Prozent. Ziel ist es, die KFZ-Sparte 2025 wieder profitabel zu machen.

Wechsel an der Konzernspitze der Signal Iduna

Ulrich Leitermann ist Vorstandsvorsitzender der Signal-Iduna-Gruppe.
Ulrich Leitermann ist (noch) Vorstandsvorsitzender der Signal-Iduna-Gruppe. Foto: Signal Iduna Gruppe

Es stehen aber auch Veränderungen an: Ulrich Leitermann gibt zur Jahresmitte 2025 sein Amt als Vorstandschef der Signal Iduna ab. Nach fast 30 Jahren im Unternehmen, davon zwölf Jahre an der Spitze, geht er in den Ruhestand.

Sein Nachfolger wird Torsten Uhlig, bisheriger Vertriebsvorstand der Gruppe. Der 58-Jährige arbeitet seit 1991 für den Konzern und übernimmt die Führung zum 1. Juli 2025.

Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Reinhold Schulte tritt zurück. Ihm soll Leitermann nachfolgen. Die Entscheidung fällt in den Aufsichtsräten im Mai und Juni 2025.


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