Ivana hat alle Hände voll zu tun. Tief greift sie in die Kiste mit den Apfelsinen und stopft vier von den Südfrüchten in die ihr entgegen gestreckte Plastiktüte. Derweil steht zehn Meter weiter David und verteilt Mais in Dosen und frischen Brokkoli. Dina macht das gleiche mit Salat und dem dazu passenden Dressing. Sara steht am Anfang des Tresens und füllt Brötchen und Brot in diverse Taschen und Tüten. Die Andrang ist groß in der Filiale der Tafel an der Haydnstraße.
„Unsere Nordstadt, unser Zuhause“, Schülerinnen und Schüler auf Exkursion in ihrem Stadtbezirk
Die Schüler der Schule am Hafen sind heute zu Besuch dort und helfen tatkräftig mit. Bevor sie aber aktiv ins Geschehen eingreifen durften, lernten sie etwas über die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatum, über die Dortmunder Tafeln und deren Kundschaft und die Armut in der Nordstadt. „Am Ende des Monats haben manche schon nicht mehr die drei Euro übrig, die man für den Einkauf in der Tafel braucht, aber wenn sie Hunger haben bekommen sie trotzdem etwas“, beschreibt ihnen Edeltraud Haeger, Filialleiterin in der Haydnstraße, die prekäre Situation im Stadtbezirk.
Raus aus dem Klassenzimmer, rein ins pralle Nordstadtleben. So könnte man die Aktion kurz umschreiben, die die Projekttage im Fach Deutsch den jungen Nordstädtern geboten hat. Unter dem Motto „Unsere Nordstadt, unser Zuhause“, initiierte Klassenlehrerin Isabelle Spieker Exkursionen ins unmittelbare Lebensumfeld der Schüler. „Originale Begegnungen“, so die Lehrerin, „selbstständiges Arbeiten und Recherchieren“, standen auf dem Stundenplan.
Borussia, Hinterhöfe, Stolpersteine und Religionen in der Norstadt
Dazu waren die 23 Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b an mehreren Tagen unterwegs. Den Beginn machte eine Führung unter Leitung von Borsigplatz-Verführerin Annette Kritzler durch das Hoeschviertel. „Könnt ihr euch vorstellen warum das Haus so schwarz und grau ist“, fragt die Stadtführerin, „früher sahen alle Häuser hier so aus, der Ruß und Qualm des nahe gelegenen Stahlwerks sorgte für die Färbung“, verdeutlicht die Stadtführerin anschaulich die schlechte Luftqualität am Borsigplatz zu Zeiten als die Westfalenhütte noch tausende Menschen beschäftigte.
Ein paar Meter weiter gab es für die Schülerinnen und Schüler einen Einblick in neu gestaltete Hinterhöfe. Die Jugendlichen konnten über das Leben im Viertel einst und jetzt, die Gründung der Borussia und vieles mehr, hautnah Wissenswertes erfahren.
Strukturen an der Schule machen Projekttage möglich
Das die anderen Fächer an diese Tagen nicht zu kurz kamen, dafür sorgte eine Umstrukturierung des Stundenplans. „In unserer Schule ist so etwas möglich“, lobt Isabelle Spieker ihre Einrichtung. „Der Mathe-Unterricht wurde dann einfach mal auf eine andere Uhrzeit verlegt und ohne die Mithilfe der Kolleginnen und Kollegen wäre diese Aktion nicht möglich gewesen“, erklärt die engagierte Pädagogin.
Mit den Ausflügen in die Nordstadt ist die Aktion für die Schüler aber noch nicht abgeschlossen. Es folgt die Aufarbeitung des Erlebten in Schriftform. Die Jugendlichen fassen die Geschehnisse in unterschiedlichen Textarten zusammen, Zeitungsbericht, Tagebucheintrag, Brief usw. Zu guter Letzt werden die Ergebnisse der Projekttage auf der Homepage der Schule veröffentlicht bzw. verlinkt. Man darf gespannt sein, welche Eindrücke Ivana, David, Dina, Sara und ihre Mitschüler auf den Streifzügen durch den Stadtbezirk gewonnen haben.