Der Rat der Stadt hat nach einer erneut kontroversen Diskussion die Novellierung des Dortmunder Aktionsplans gegen Rechtsextremismus beschlossen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den Antisemitismus gelegt werden. Eine Ausweitung auf Linksextremismus – wie ebenfalls von der CDU gefordert – lehnt der Rat mehrheitlich ab. Nur die AfD begrüßte den Vorstoß. Die anderen Parteien sahen dazu keine Notwendigkeit, weil selbst Polizei und Staatsschutz in Dortmund seit Jahren betonen, dass es mit Linksextremismus in Dortmund kein Problem gebe.
250.000 Euro zusätzlich im Haushalt für die Aktionsplan-Novellierung
Der Beschlussvorschlag zur Novellierung des Dortmunder Aktionsplans gegen Rechtsextremismus sieht vor, in den Jahren 2023 bis 2025 insgesamt 250.000 Euro zusätzlich im städtischen Haushalt vorzusehen, um auf Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung den Plan zu novellieren. Dieses Verfahren ist nicht ungewöhnlich und erprobt. Schon beim Beschluss der Aufstellung im Jahr 2007 und der Aktualisierung im Jahr 2012 wurde dieser Schritt gegangen.
Um auch für die nächsten Jahre eine tragfähige Basis für die Arbeit im Rahmen des Aktionsplans zu schaffen, sei eine neue wissenschaftliche Untersuchung und Begleitung des Novellierungsprozesses unabdingbar. Im Einzelnen sollen die Stärken und Schwächen der bisherigen Arbeit analysiert, die aktuelle rechtsextreme Szene in Dortmund und ihre derzeitigen Strategien untersucht, Handlungsempfehlungen erarbeitet und der partizipative Prozess der Neuaufstellung unterstützt werden.
Die wissenschaftliche Untersuchung soll darüber hinaus Feststellungen dazu treffen, ob eine Ausweitung des Aktionsplans auf andere Formen von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit notwendig und zielführend ist. Hierzu sollen renommierte und in der Thematik erfahrene wissenschaftliche Institute eingeladen werden, sich an einem Ausschreibungsprozess zu beteiligen. Der Novellierungsprozess soll unmittelbar nach der Beschlussfassung durch den Rat begonnen werden. Der neue Aktionsplan soll dann Anfang 2024 dem Rat vorgelegt werden.
CDU: Ausweitung auf weitere Formen von Extremismen dringend geboten
Die CDU wollte aber eine deutliche Ausweitung: „Mit unserem Ergänzungsantrag wollen wir sehr dafür werben, dass eine Ausweitung auf weitere Formen von Extremismen dringend geboten ist“, sagte Uwe Waßmann (CDU). „Wir wollen ausdrücklich betonen, dass dies keinerlei Relativierung des Rechtsetxremismus bedeutet. Allerdings erleben wir weitere extremistische Entwicklungen in diesen Tagen mit einer außergewöhnlichen Dynamik.“
„Wir erleben eine massive Zunahme antisemitischer Taten“, so Wassmann. Der Aktionsplan müsse gegen jede Form von Antisemitismus vorgehen. Dies ist allerdings bisher schon gelebte Praxis des bisherigen Aktionsplans und auch Konsens in allen demokratischen Ratsfraktionen.
Doch die CDU setzte zu einem weiteren Rundumschlag aus: Die Weiterentwicklung müssen daher auch den „Islamismus in seinen extremistischen Bestrebungen gegen den Verfassungsstaat“ und den sich „immer weiter radikalisierenden Salafismus“ umfassen.
„Auch vom Linksextremismus gehen Gefahren aus. Auch Linksextremisten wollen die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen, wir werben daher auch für die Ausweitung“, so Wassmann. Auch diese müssten wissenschaftlich untersucht werden und dem Rat dazu Handlungsempfehlungen unterbreitet werden. Insbesondere mit dem letzten Punkt stand die CDU allerdings ziemlich alleine da und bekam nur Unterstützung von der AfD.
„Unsere Demokratie wird angegriffen – und zwar von Rechtsaußen“
Jenny Brunner (Grüne) betonte, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleiche Chancen und Rechte haben sollten. Doch in Teilen der Gesellschaft und auch im Rat gebe es Menschen, die getrieben seien von ihrer rechtsextremen Ideologie, von Hass und Antisemitismus. „Es gibt genügend aktuelle Beispiele dafür“, sagte sie mit Blick auf die Anschläge von Halle und Hanau, den geplanten Putsch der Reichsbürger und auch die aktuellen Anschlagspläne auf jüdische Einrichtungen.
„Unsere Demokratie wird angegriffen – und zwar von Rechtsaußen“, stellte Brunner klar. „Der Dortmunder Aktionsplan gegen Rechtsextremismus ist genau das richtige Zeichen.“ Es gehe nun darum, das Erfolgsmodell weiter zu entwicklen.
Eine Stärke liege in der wissenschaftlichen Begleitung. Daher lehnten die Grünen den Vorstoß der CDU ab, die Befassung mit weiteren Extremismen vorzuschreiben. „Wir finden das falsch“, so Brunner. Die Wissenschaft solle die aktuellen Lage in Dortmund untersuchen und die Probleme benennen. „Dabei wird klar, welche Formen für uns in Dortmund relevant sind. Daher werden wir den CDU-Antrag ablehnen.“
Kritik an der CDU wegen des „reflexhaften“ Verhaltens
Auch die anderen demokratischen Fraktionen lehnten dies ab. Anna Spaenhoff (SPD) lobte den bisherigen Aktionsplan in Dortmund. Sich erneut wissenschaftlich beurteilen zu lassen, sei richtig – ebenso wie der partizipative Ansatz, der ja auch die Ratsfraktionen beteiligt. „Froh bin ich auch, dass das Innenministerium anerkennt, dass die Gefahr von Rechts kommt.“
„Dann kommt reflexartig der Antrag der CDU daher“, kritisierte Spaenhoff. Zwar sei der Punkt der Gefahr des Antisemitismus richtig. „Doch die Verurteilung des Antisemitismus steht schon in der Vorlage drin. Da ist es Kern einer Analyse, das jedoch erst mal zu bewerten und beurteilen.“
„Was mich wundert, ist dass die CDU explizit nichts zu den Reichsbürgervorfällen sagt, die tatsächlich einen Umsturz planten. Da liegt die reale Gefahr. Aber auch dieses Thema möchte ich der Wissenschaft nicht vorgeben. Lassen sie die Wissenschaft ihre Arbeit machen. Danach ist es selbstverständlich, das Ergebnis zu bewerten und zu sehen, ob uns etwas fehlt.“
„Bei Linksextremismus mache ich mir für Dortmund keine Sorgen“
„Die Vorlage finden wir gut und sie sollte so, wie sie ist, stehen bleiben. Den Titel können wir nachschärfen. Rechtsextremismus und Antisemitismus stand mal ganz früher im Titel. Das war immer Teil der Betrachtung“, erinnerte Utz Kowalewski (Linke+).
Weitere Themen sah er nicht: Beim Salafismus können die Wissenschaft ja klären, wie groß das Problem in Dortmund sei. „Und bei Linksextremismus mache ich mir für Dortmund keine Sorgen. Die Zeitungen sind ja nicht gerade voll von linksextremen Gewalttaten“, so Kowalewski.
Menschen aus dem linken Spektrum gehen auf die Straße, wenn Rechte versuchen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung anzugehen. Dann stellt man sich ihnen entgegen, da kommt es zu Blockaden und ähnlichen Aktionen. Das ist dann linksextreme Gewalt. Aber das muss sein“, so Kowalewski.
„Und täglich grüßt das Murmeltier: Es wird immer von der CDU versucht, ein Hufeisen reinzuflechten“, kritisierte Olaf Schlösser (Die Fraktion) den erneuten Versuch, einen Aktionsplan sowohl gegen Rechtsextremismus und Linksextremismus aufzustellen, der eine Gleichsetzung darstelle.
Relativierung des Rechtsextremismus wird gefürchtet
„Auf der einen Seite wird der Rechtsextremismus runtergespielt und auf der andere Seite der Linksextremismus. Aber ich glaube, wir müssen uns mit beidem befassen. Was wir aber falsch finden, ist, das zu vermengen“, betont Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste).
„Wir haben jetzt einen Tagesordnungspunkt Rechtsextremismus und Sie haben den Finger gehoben, dass noch viele andere Schlimme Dinge in der Welt existieren, um die wir uns auch kümmern müssen. Doch ob sie das wollen oder nicht, es relativiert die Frage des Rechtsextremismus“, kritisierte Kauch den CDU-Antrag.
„Daher werden wir den Antrag ablehnen, aber laden aber CDU ein, gemeinsam über andere Extremismusformen zu sprechen – jedoch nicht zu diesem Tagesordnungspunkt“, so der FDP-Politiker.
Die AfD unterstützt die CDU bei der Ausweitung auf andere Extremismen
Wenig überraschend erneuerte die AfD ihre fast schon gebetsmühlenartige Kritik, dass der Aktionsplan seit jeher daran kranke, dass er sich lediglich mit dem Rechtsextremismus befasse. „Wir haben seit 2014 versucht, ihn breiter aufzustellen“, sagte AfD-Fraktionssprecher Heiner Garbe mit Blick auf Islamismus, Linksextremismus und Antisemitismus. „250.000 Euro sollen für einen Geisteraktionsplan verbraten werden. Es gibt keinen Nachweis, dass dieser teure Plan gegriffen hat.“
„Herr Waßmann – was sie vorgetragen haben, war überfällig. Das haben wir immer gefordert vor dem Hintergrund der Straftaten“, stärkte Garbe der CDU den Rücken. Das tat auch sein Fraktionskollege Peter Bonhof: „Wir haben das oft genug als Anträge eingebracht. Die CDU hat so langsam gelernt und das ist ein gutes Zeichen und ein guter Weg.“
Matthias Dudde (Grüne) warnte, den Aktionsplan nicht beliebig auszuweiten: „Wir haben dort große Sachkompetenz.“ Diese Arbeit mit Blick auch auf Reichsbürger und Mischszenen weiterzuführen, „ist folgerichtig und gut“. Eine Ausweitung auf Islamismus lehnte er ab, weil es dort auch anderer Kompetenzen bedürfe.
Dudde verwies stattdessen auf mit Landesmitteln geförderte Angebote zu Antisemitismus und Islamismus. Doch darüber solle man nicht im Rat, sondern in Fachausschüssen sprechen und da sehen, wie man mit den Problemlagen umgeht und eigene Instrumente schafft.
Rat erneuert sein Bekenntnis gegen Antisemitismus
„Wir haben hier ein ernstes Thema – den Aktionsplan und seine Novellierung – und da gibt es einen Konsens“, so Sascha Mader (CDU). Die Reichsbürger wurden mit dem Aktionsplan abgedeckt. „Aber eine Durchsuchung oder Festnahme hat es in Dortmund nicht gegeben. Eine konkrete Anschlagsplanung für die Synagoge hatten wir jedoch. So konkret, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich gezogen hat. Das muss auch in realer kommunaler Politik zum Ausdruck kommen.“
„Herr Kowalewski, ihre Vorstellung, Linksextreme und Rechtsextreme gehen aufeinander los und wir schauen nur zu, das entspricht nicht unserem Verständnis des Gewaltmonopols des Staates. Da muss der Staat regulieren, damit es nicht zu Straftaten kommt“, so der CDU-Politiker und Polizist.
Allerdings wolle die CDU der Sache nicht schaden und wollte daher den eigenen Antrag nur noch im Punkt Antisemitismus zur Abstimmung stellen: „Wir möchten ein Bekenntnis gegen Antisemitismus haben. Das war in der Historie drin und wir wollen es wieder drin haben“, so Mader. Damit hatte keine Fraktion ein Problem. Beim Gesamtplan stimmte dann nur noch die AfD dagegen…
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