Nach der gemeinsamen Mammut-Sitzung vom Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit und dem Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden war die Crack-Situation in der Dortmunder Innenstadt nun auch wieder Thema im Rat. Die Mehrheit Ratsfraktionen zeigten sich zufrieden mit dem in der Sondersitzung getroffenen Kompromiss, andere lehnten die Maßnahmen ab.
Verbesserung der Crack-Situation: Diese Maßnahmen wurden beschlossen:
Die Crack-Situation in der Dortmunder City beschäftigte erneut den Rat. Nachdem das Problem bereits in der September-Sitzung sowie im gemeinsamen Sozial- und Bürgerdiensteausschuss Thema war, musste nun das höchste kommunale Gremium zustimmen. Eine erneute inhaltliche Debatte wollte Oberbürgermeister Thomas Westphal zwar vermeiden, lediglich die CDU betonte wiederholt ihre Position und bestärkte repressive Maßnahmen.
Einzelne Punkte aus verschiedenen Anträgen, unter anderem der SPD, CDU und Grünen wurden in die Beschlussfassung des gemeinsamen Ausschusses aufgenommen.
Konkret heißt das:
- Stärkung der aufsuchenden Sozialarbeit
- Verstärkung und der räumlichen Ausweitung des Umfeldmanagements am Drogenkonsumraum
- Vorschläge für einen weiteren, dezentralen Standort eines Drogenkonsumraums
- Eine wissenschaftlich begleitete Gesamtstrategie (Dabei sollen unter anderem soziale, medizinische und ordnende Maßnahmen vernetzt und die Öffentlichkeit sowie der Handel informiert und sensibilisiert werden
- Prüfung des Standortes der Drogenhilfeeinrichtung „kick“
- Gemeinsame mobile Wachen von Polizei und Ordnungsamt während der Weihnachtszeit
Diese Vorschläge aus verschiedenen Fraktionen fanden eine Mehrheit im Sonderausschuss und wurden nun im Block im Rat abgestimmt. SPD, CDU, FDP/Bürgerliste und AfD stellten sich hinter die Forderungen, Ablehnung kam hingegen von Grünen, „Die Linke+“ und die Partei.
Zürcher Modell als Lösung für Dortmunds Drogensituation?
Handel, Expert:innen und Politik sprechen bei der Bewältigung der Crack-Problematik immer wieder vom Weg der Stadt Zürich. Die mit Abstand größte Stadt der Schweiz hatte früh mit tausenden Drogenkranken zu kämpfen – in einer Dimension, wovon Dortmund weit entfernt ist.
Heute ist die offene Drogenszene auf Zürichs Straßen weitestgehend verschwunden, stattdessen können Konsument:innen in den „Kontakt- und Anlaufstellen“, so heißen die Drogenhilfeeinrichtungen in der eidgenössischen Stadt, Zeit verbringen. Im Vordergrund stehen dabei in erster Linie sozialarbeiterische Maßnahmen.
So weit, so gleich. Auch im Dortmunder Drogenkonsumraum „kick“ wird neben medizinischer Hilfe auch niederschwellige soziale Arbeit geleistet. Unterschiedlich ist jedoch der Umgang mit Drogenhandel. Wohingegen im „kick“ der Verkauf mittels Sicherheitsdiensts konsequent unterbunden wird, sind in Zürich geringe Mengen gestattet. Dabei schaut die Polizei bewusst weg.
Mehrere Anlaufstellen zur besseren Verteilung
In Dortmund ist das aber nicht so einfach möglich. Zum einen müssen Strafverfolgungsbehörden bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ermitteln, zum anderen dürfen sich die Mitarbeiter:innen des „kick“ natürlich auch nicht strafbar machen. Auch die Öffnungszeiten sind verschieden. Seit dem 1. November hat das „kick“ nun von 8 bis 20 Uhr geöffnet, in Zürich von 7.30 bis 21.30 Uhr.
Der wohl bedeutendste Unterschied ist die Anzahl der Anlaufstellen. In Zürich gibt es drei, in Dortmund lediglich eine. Durch mehrere Einrichtungen sollen die Ansammlung der gesamten Szene an einem Ort, wie etwa aktuell vor der Thier-Galerie verhindert werden.
Wichtig ist aber, dass Standorte zentral gelegen und gut erreichbar sind, denn sonst wird das Angebot deutlich weniger genutzt, so zumindest die Erfahrungen aus Zürich. Mehr Anlaufstellen bedeuten auch mehr Stellen. Laut den „Ruhr-Nachrichten“ haben die Kontakt- und Anlaufstellen insgesamt 80 Mitarbeiter:innen, die Hälfte davon in Vollzeit. Das sind 32,5 Prozent mehr Angestellte als im „kick“.
Kommentar: Sozialarbeit statt Repression
In Dortmund gehen Stadt und Polizei seit Monaten einen repressiven Weg. Ordnungsamt und Polizei gehen verstärkt in Teams gegen drogenkranke Personen vor. In der schweizerischen Metropole machen diesen Job nicht die Ordnungsbehörden, sondern Sozialarbeiter:innen. Die SIP-Einheit (Sicherheit, Intervention, Prävention) sprechen gezielt Suchtkranke an, beraten und werben für die Kontakt- und Anlaufstellen.
Die Suche nach einem weiteren dezentralen möglichen Standort wurde von den Ratsparteien in den Maßnahmenkatalog mit aufgenommen. Es bleibt aber fraglich, selbst wenn man einen passenden Ort findet, auch Vermieter:innen zu finden, die eine solche Einrichtung in ihrer Immobilie zulassen. Der Zürcher Weg kann für die Politik ein Leitfaden für eine Verbesserung der Situation sein, viel Arbeit ist dieses Modell aber allemal. Julius Obhues
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Hat es Spaß gemacht oder war es Arbeit? Oder beides? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Kontrolldruck von Polizei und Stadt zeigt Wirkung, ebenso wie erweitere Öffnungszeiten im „Kick“
Crack-Problematik: Einigung auf Null-Toleranz-Strategie und Stärkung der Sozialarbeit
Polizei und Stadt bündeln ihre Kräfte im Kampf gegen Drogen- und Crackkonsum in der City
Was macht der Kontrolldruck mit den Betroffenen? Das sagen Suchtkranke und die Drogenhilfe
Streit um Drogenkonsumraum: Das „Kick“ beschäftigt die Kommunalpolitik weiter
Die Drogenhilfeeinrichtung „kick“ kämpft für die Fortsetzung eines Modellprojekts
Diese Arbeit leisten die Mitarbeitenden tagtäglich im Drogenkonsumraum in Dortmund
Reader Comments
Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums: GRÜNE sehen sich bestätigt (PM)
Die GRÜNE Fraktion im Rat begrüßt, dass die deutliche Ausweitung der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums schon nach zwei Wochen Wirkung zeigt. Seit dem 1. November ist der Raum an fünf Tagen in der Woche von 8.00 bis 20.00 Uhr und damit viel länger als bisher geöffnet. Die aidshilfe als Betreiberin des Raums hatte mitgeteilt, dass seitdem die Zahl der Nutzer*innen, insbesondere aber die Zahl der Konsumvorgänge massiv gestiegen ist.
„Genau das hatten wir uns mit unserem Antrag auf Verlängerung der Öffnungszeiten erhofft. Jeder Konsumvorgang, der im Drogenkonsumraum stattfindet, ist einer weniger in der Öffentlichkeit. Das hilft unmittelbar auch dem Umfeld des Raums“, bewertet Ulrich Langhorst, GRÜNER Vorsitzender des Sozialausschusses, das erste Fazit der aidshilfe.
Die GRÜNEN hatten in den Diskussionen der letzten Monate um die Drogensituation in der Innenstadt mehrfach angemahnt, die Auswirkungen der verlängerten Öffnungszeiten abzuwarten und mit in die Überlegungen weiterer Maßnahmen einzubeziehen. Stattdessen war der Standort des Drogenkonsumraums massiv infrage gestellt worden. Ein GRÜNER Antrag, den Standort nicht weiter zu hinterfragen, wurde von der Mehrheit des Rates abgelehnt.
„Wir hätten uns gewünscht, dass der Drogenkonsumraum mit der Verlängerung der Öffnungszeiten erstmal in Ruhe arbeiten kann, ohne dass ständig über den Standort diskutiert wird. Das Gegenteil war und ist der Fall. Klar ist für uns aber auch: Die Verlängerung der Öffnungszeiten und die positiven Auswirkungen auf das Umfeld sind nur ein erster Schritt. Wichtig ist es, eine Strategie gegen den zunehmenden Crack-Konsum zu finden. Hier muss über zusätzliche Plätze im Drogenkonsumraum ebenso nachgedacht werden, wie über andere, dezentrale Konsumorte. Es ist gut, dass hier die entsprechenden Prüfungen auch auf unseren Antrag beschlossen worden sind“, so Ulrich Langhorst abschließend.
Innenpolitischer Rundgang durch Dortmunder Innenstadt zur Crack-Problematik mit Vertreter*innen aus Bund, Land und Kommune (PM)
Am 20.11.2023 besuchte auf Einladung von Jens Peick, Mitglied des Deutschen Bundestags und Oberbürgermeister Thomas Westphal eine Gruppe von Fachpolitiker*innen aus Land und Bund die Drogenhilfeeinrichtung kick.
Mit dabei waren der Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler, Mitglied des Innenausschusses im Bund und Sprecher der AG Kriminalpolitik der SPD-Bundestagsfraktion und die Landtagsabgeordnete Nadja Lüders, Mitglied im Innenausschuss des Landes NRW.
Geführt wurde die Gruppe zu den Problemschwerpunkten vom Hauptbahnhof vorbei an der Thier-Galerie, über den Westenhellweg und bis zum Stadtgarten von Sozialarbeiterin Aline Dickel. Sie gab Einblicke in die Arbeit des sogenannten Umfeldmanagements in der Innenstadt, welches Süchtige betreut und berät und die Nutzung des Drogenkonsumraums anstelle von öffentlichem Drogenkonsum anregt. Bei einem Zwischenstopp in den Räumen des kick und einem Gespräch mit Willehad Rensmann, Geschäftsführer der aidshilfe Dortmund, die den Drogenkonsumraum betreibt, gab es die Gelegenheit für fachlichen Austausch.
Deutlich wurde schnell, dass ordnungspolitische Maßnahmen, wie sie derzeit in der Ordnungspartnerschaft von Stadt und Polizei verstärkt umgesetzt werden, langfristig nur erfolgreich sind, wenn sie durch sozialpolitische Maßnahmen begleitet werden. Die derzeitigen Schwerpunkteinsätze von Polizei und Ordnungsamt führen bereits zu Verbesserungen im Stadtbild und Entlastung für die Gewerbetreibenden. Ohne das kick und die dortigen Sozialarbeiter*innen würde sich die Drogenszene jedoch lediglich an andere Standorte verlagern, so die Einschätzung der Expert*innen. Diese sind aber nicht unbedingt passendere Orte für den Konsum illegaler Substanzen.
Rensmann und Dickel berichteten, dass auch die durch die Stadt seit November erweiterten Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums bereits zu spürbaren Verbesserungen im direkten Umfeld geführt haben.
Sebastian Fiedler erläuterte, dass derzeit auf Bundesebene die Bedingungen geschaffen werden, um sogenanntes Drugchecking zu ermöglichen, also die Untersuchung von Drogen auf deren Reinheitsgehalt und beigemischte Substanzen. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit von schweren gesundheitlichen oder sogar Todesfolgen für die Konsument*innen.
Dass das kick wichtige Arbeit leistet, wurde den Teilnehmer*innen des Rundgangs auch von den Nutzer*innen der Einrichtung deutlich gemacht. „Diese Einrichtung rettet Leben!“, gab einer der Nutzer dem Oberbürgermeister und den Gästen mit auf den Weg.
Den Abschluss fand das Gespräch am Dortmunder Stadtgarten. Jens Peick machte deutlich, dass Drogenhandel und –konsum in der Öffentlichkeit keineswegs geduldet werden können. Jedoch müssen adäquate Alternativen für Süchtige geschaffen werden, die auch eine Ausstiegsperspektive aus der Sucht anbieten.