Dortmund hat viele Partnerstädte. Doch noch sind nicht alle im Stadtbild vertreten: Es fehlen Plätze für Novi Sad/Serbien (seit 1982 Partnerstadt), Xi’an/China (1992) und Trabzon/Türkei (2014). Das wollte der Dortmunder Stadtrat nun auf Vorschlag des Integrationsrates ändern. Vor allem die Benennung des prominentesten Platzes nach der neuen türkischen Partnerstadt Trabzon sorgte kontroverse Debatten und eine Ablehnung von links und rechts.
Parteien und Politiker von links und rechts gegen Platz von Trabzon
Um es vorweg zu nehmen: Die drei Fraktionen SPD, CDU und FDP/Bürgerliste setzten die Platzbenennung durch. Die Fraktionen von Linken und Piraten sowie AfD stimmten ebenso dagegen wie die Fraktionslosen und Rechtsaußenpolitiker. Die Grünen enthielten sich. Martina Stachelbeck (Grüne) machte deutlich, dass es in der Fraktion kein einhelliges Bild gebe – vor allem auch wegen eines fehlenden schlüssigen Konzepts.
Klarer war da die Ablehnung von links und rechts – sie kritisieren die politischen Veränderungen und die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei: „Wir lehnen die Benennung daher ab. Auch in Trabzon sind Kommunalpolitiker verhaftet worden und zwar in Verfahren, die nicht rechtsstaatlich zu nennen sind“, machte Andreas Urbanek (AfD) deutlich.
Es sollte besser eine Karenzzeit geben: „Andere Partnerstädte haben auch zehn Jahre darauf gewartet. Wir tun gut daran, die Entwicklungen zu beobachten, wie sich das verändert.“
Eine Position, die OB Ullrich Sierau nicht teilt. Denn die politische Großwetterlage könne nicht das einzige Kriterium sein. „In der Konkludenz heißt dass, dass sie China für demokratischer halten?“, spielte Sierau darauf an, dass die Benennung des Platz von Xi’an nicht beanstandet wird.
Diskussionswürdiges Politikum: Geht es um Weltpolitik oder Städtepartnerschaften?
Nicht nur in den Verhaftungen und den Anfeindungen von Bundestagsabgeordneten mit türkischen Wurzeln, sondern auch auf lokaler und regionaler Ebene fänden sich Gründe für die Ablehnung, unterstrich Utz Kowalewski (Linke & Piraten).
„Der neue Gouverneur von Trabzon hat gesagt, dass er den Jugendaustausch mit Dortmund nicht mehr möchte“, berichtete Kowalewski. Das sei ein schlechtes Beispiel für eine Städtepartnerschaft. Zudem sei der für Trabzon geplante Platz viel prominenter und im Vergleich mit Novi Sad ein Riese.
Heinz Dingerdissen (FDP/Bürgerliste) konnte die Debatte nicht nachvollziehen: Der Rat sei nicht dazu da, Weltpolitik zu machen. Es gehe um eine Städtepartnerschaft: „Wir haben keine Partnerschaft mit einem politischen Gremium, sondern mit einer Stadt und den Bürgern. Wir sollten an die Bürger denken“, so Dingerdissen.
„Gerade jetzt, wo wir mal eine Irritation haben, ist der Gedanke einer Städtepartnerschaft wichtig. Wir sollten uns nicht von den Menschen abwenden“, so Dingerdissen. Außerdem gebe es eine erhebliche Zahl von Mitbürgern aus Trabzon. „Sich von denen zu distanzieren, halte ich für absoluten Schwachsinn.“
Städtepartnerschaften sind nicht abhängig von aktuellen Lagen
Eine Lanze für die Partnerschaften auch in schwierigen Zeiten brach Norbert Schilff (SPD): „Wir machen Städtefreundschaften nicht abhängig von aktuellen Konstellationen. Wir setzen auf langfristige Lagen“, so Schilff.
„Es wäre gegenüber einer bestimmten Bevölkerung kurzsichtig und unfair. Dann müssten wir an Rostow überdenken, auch dort ist nicht alles Gold, was glänzt“, so Schilff.
„Auch mit Leeds werden wir sicherlich noch gut zusammenarbeiten, wenn Groß-Britannien aus der EU ausscheidet. Das ist kein Maßstab. Auch als Bomben fielen, hat sich unsere Partnerschaft mit Novi Sad als sehr stabil erwiesen“, verwies er auf die Zeiten des Balkan-Krieges.
Initiative geht auf den Integrationsrates zurück
Michael Taranczewski (SPD) erinnerte daran, dass es eine Initiative des Integrationsrates war, eine Partnerschaft mit Trabzon anzubahnen und einen Platz nach Trabzon zu benennen.
„Es gab ein einstimmiges Votum, unabhängig von der Landsmannschaft. Es ist gut, dass alle Partnerstädte sichtbar werden“, sekundierte Taranczewski, selbst einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums.
„Ich glaube, dass wir die Partnerschaft mit Trabzon mit zwischenmenschlichen Beziehungen und nicht mit politischen Systemen haben. Wir hatten Kontakte mit Zwickau, als es dort noch ein totalitäres System gab“, so der SPD-Politiker.
„Und wir haben geholfen, dort demokratische Strukturen aufzubauen. Vielleicht haben wir die Chance, auch über die demokratischen Strukturen in Trabzon nachzudenken.“
„Wandel durch Annäherung war ja mal ein Motto, als die SPD noch sozialdemokratisch war. Aber dann auch in der richtigen Zeit“, spottete Carsten Klink (Linke & Piraten). Auf die FDP reagierte er ebenfalls schroff: „Es geht hier nicht um Irritationen, sondern um massive Menschenrechtsverletzungen.“
Keine ungeteilte Begeisterung über die türkische Partnerschaft
„Wir haben die Partnerschaft mit Trabzon zwar nicht für richtig gehalten. Wir hätten uns eine andere Stadt gewünscht. Doch das wurde so entschieden“, machte Thomas Pisula (CDU) deutlich. „Aber wir enthalten keine Beziehungen zu Staaten, sondern zu Städten.“
Natürlich teile er die Politik Russlands und die „imperialistische Politik in China“ nicht. „Ich finde es anmaßend, wenn wir über Staaten urteilen. Ich möchte das umgekehrt nicht erleben. Ich bin sehr froh, dass wir die Partnerschaft mit Netanya haben.“
„Natürlich haben wir Städtepartnerschaften zu Staaten, die wir nicht klasse finden. Aber bei Trabzon ist die Partnerschaft nicht in einem saturierten Zustand, sondern in großen Umbrüchen, die aber in die falsche Richtung laufen“, entgegnete Utz Kowalewski.
„Wir tun so, als gäbe es das alles nicht. Das finde ich nicht richtig. Wir hätten 1992 die Partnerschaft mit Xi’an nach dem Massaker in China drei Jahre zuvor auch nicht gemacht. Wir sollten da keine falschen Signale senden“, so der Linken-Politiker.
„Die Partnerschaft mit Trabzon ist noch nicht so mit Inhalt gefüllt wie bei den anderen Städten. Wer setzt uns denn unter Druck? Wir haben keine Eile“, warb Heiner Garbe (AfD) noch einmal für eine Vertagung einer Platzbenennung. Doch dazu kam es nicht: Die Ratsmehrheit stimmte für die Benennung der drei Plätze.
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Reader Comments
Alfred E. Neumann
Trabzon? Ist das nicht die Stadt in der gerade christliche Kirchen gestürmt werden?