Von Julian Ronneburger
Die Lydiagemeinde Dortmund veröffentlichte einen weiteren Beitrag zu ihrem YouTube-Format “Das Rote Kirchensofa“ (Link im Anhang des Artikels). Es geht um das Thema Rassismus. Für Gesprächsstoff sorgten diesbezüglich unter anderem die Position der Kirche, Verbesserungsvorschläge und ein Ausblick in die Zukunft. Sollte sich die Kirche wieder an ihre Grundwerte erinnern? Pfarrer Friedrich Laker lud einmal mehr Gäste in die Pauluskulturkirche in der Nordstadt ein, um das Thema mit ihnen zu beleuchten.
„Es ist wirklich interessant, wieviel Energie darauf verwendet wird, einem die eigene Erfahrung abzusprechen“
Eine davon war Mariama Jalloh. Die in Sierra Leone geborene talentierte Soul- und R’n’B-Sängerin und freie Journalistin ist vor kurzem eine der Redner*innen auf der NRW-weit größten Demonstration gegen Rassismus in Köln gewesen. Sie formulierte einige kluge Gedanken zum Thema Rassismus im Gespräch mit Laker. Unter anderem merke sie einen Widerstand, wenn man den Alltagsrassismus in Deutschland anspreche. Es werde unermüdlich nach Ausreden gesucht, um Rassistisches zu relativieren. ___STEADY_PAYWALL___
Eine davon sei, POC (People of Color) würden sich, in Bezug auf Arbeit, Wohlstand und Bildung, nicht genug anstrengen. Mariama sagt dazu: „Man möchte den Rassismus widerlegen indem man sagt: Würden die Schwarzen ja nur arbeiten, hätten sie die gleichen Privilegien wie wir [Weißen, Anm. d. Red.].“ Eine rassistische Aussage ohne Argumente.
Wenn man sich als Betroffene/r äußern würde, werde man als sensibel charakterisiert oder man habe es falsch verstanden. Es werde den Menschen die Einschätzung und Eingliederung der Verletzung (der eigenen Gefühle) abgenommen, als sei die eigene Meinung irrelevant.
Erbe des Kolonialismus: Denkmäler der “Helden“ werden niedergerissen
Mariama kam auch auf die “Flüchtlingskrise“ zu sprechen. Sie stellte die Frage, ob man die Menschen auch ertrinken lassen würde, wenn sie Weiße wären. „Sind sie mehr wert? Würde man ihnen eher helfen?“ Der Kolonialismus sei erst der Grund dafür gewesen, dass heutzutage Menschen aus ihrer Heimat flüchten müssten. Durch Ausbeutung der Rohstoffe und der Menschen sei verbrannte Erde hinterlassen worden, pflichtete ihr Pfarrer Laker bei.
Momentan kann man beobachten, wie sich die Wut aufgrund dieser historischen Fakten Bahn bricht: Im Zuge der Empörung über den Tod von George Floyd durch Polizeigewalt in den USA, werden Denkmäler und Statuen wichtiger Personen der Kolonialzeit verunstaltet.
Die ehemaligen, unabhängigen Kolonialstaaten würden laut Mariama heute immer noch unter den Schäden leiden, die die Kolonialmächte verursacht hätten. Jeder Versuch der Aufarbeitung werde bestraft, wie das Beispiel Patrice Lumumba zeige. Kongos erster Premierminister nach der Unabhängigkeit prangerte die Verbrechen während des Kolonialismus öffentlich an und musste letztendlich mit seinem Leben dafür bezahlen. Es ging sogar so weit, dass sein Körper exhumiert und in Säure aufgelöst wurde.
Martin Luther King’s Engagement für die POC war ein großer Indikator für die Bürgerrechte in den USA. Seine bekannte Rede sprach den Rassismus offen an, mit Hoffnung auf Verbesserung. Berühmtheiten wie der Aktivist Malcom X oder die Boxikone Muhammad Ali engagierten sich ebenfalls und förderten die weltweite Diskussion. Mariama hofft, dass das Leiden der POC überall auf der Welt anerkannt wird. Zusätzlich gab sie der Kirche noch einen Rat: Zu sich selbst wiederfinden. Sie sei immerhin die Religion der Nächstenliebe und Vergebung. Das Christentum trage Mitschuld am Rassismus. Wenn sich das Christentum dies eingestehe, könne es ihm auch vergeben werden, so Mariama.
Mariama Jalloh: „Die Kirche darf den Anschluss nicht verlieren.“
Die Kirche müsse aus ihrer Vergangenheit Konsequenzen ziehen. Das heißt eine postkoloniale Theologie, meint Laker. Das Christentum habe sich größtenteils durch die Kolonialisierung Europas durch die antiken Römer verbreitet und sei dadurch zu einer der größten Weltreligionen geworden.
Um den Anschluss nicht zu verpassen, rät Mariama der Kirche, sich am Zeitgeist zu orientieren. Das bedeutet, man müsse den Status Quo und überholte Traditionen in Frage stellen. Um das wiederum zu erreichen, müssten aber erst einmal einflussreiche Personen die Stimme erheben. Manche hätten nicht genug Wissen darüber und die müsse man aufklären. Abschließend dazu sagte Mariama: „Es ist ein langer, schwerer und anstrengender Weg.“ Sehr wohl ein sehr wichtiger.
Benjamin Patrick, angehender Lehrer, erzählte über seine Arbeit bei Gemeinsam Kirche sein: Internationale Gemeinde. Ihm ist der Glaube sehr wichtig, dadurch ist auch (Kirchen-)Gemeinde ein sehr zentraler Punkt seines Lebens. Hauptsächlich müsse man über Rassismus miteinander sprechen. Denn nur so könne man Probleme lösen. Aufgrund seines Berufes kommt er auch auf das Thema Bildung zu sprechen. Um Lösungen anzuwenden, müsse man sie erst verstehen. Vor allem er, und seine Lehrerkolleg*innen, seien gefragt. Missstände müsse man aufzeigen und bestimmte Haltungen aufarbeiten. Dann könne man selber auch seine Handlungen reflektieren.
Zur Frage, wie sich die Kirche im Bezug auf Rassismus positionieren könne, antwortet Benjamin: „Dagegen.“ Zum Schluss forderte Friedrich Laker nochmal auf, aktiv zu werden. „Mischt euch ein! Protestiert wenn ihr Rassismus erlebt. Egal ob das im Freundeskreis ist oder an einem öffentlichen Ort. Es erzeugt etwas. Auch bei all denen, die nur schweigend zuschauen.“ Anschließend bittet er darum, sich den Black Lives Matter-Demonstrationen anzuschließen.
Weitere Informationen:
- Hier geht’s zu den Videos: www.tinyurl.com/Pauluskirche-Do
- www.lydia-dortmund.de
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Lesung mit Sarah Vecera am Donnerstag: „Traum von einer Kirche ohne Rassismus“ (PM)
Aus Anlass der Internationalen Wochen gegen Rassismus ist die Autorin Sarah Vecera am Donnerstag, 30. März, um 19 Uhr in der Gemeinde St. Joseph, Heroldstr. 13a zu einer Lesung mit Gespräch zu Gast. Sarah Vecera ist Theologin und Koordinatorin für Globales Lernen in Ökumenischer Perspektive.
Beruflich sowie auf Instagram ist sie als Antirassismus-Aktivistin und -Trainerin bekannt. In Ihrem Buch „Wie ist Jesus weiß geworden?“ gibt Vecera, die im Ruhrgebiet geboren ist, Einblick in ihre persönlichen Erfahrungen als Women of colour in einer „weißen Kirche“ und Mehrheitsgesellschaft.
„Wie sieht dein Jesus aus?“
Auf Basis wissenschaftlicher Recherche spannt sie den weiteren Bogen des Themas Rassismus auf, beleuchtet historische Zusammenhänge sowie blinde Flecken. In Ihrem Buch überträgt Vecera ihre Erkenntnisse in den Kontext der Kirche. Rassistische Strukturen wirkten auch dort und fielen weißen Menschen oft nicht auf. Sarah Vecera lädt in ihrem Buch, aber auch in Lesungen und Seminaren dazu ein, sich gemeinsam auf eine Lernreise zu begeben.
Die Leserinnen und Leser werden an vielen Stellen mit Fragen wie „Wie sieht dein Jesus aus? Und wie stellst du dir Menschen vor, die aus Nazaret kommen?“, zur Selbstreflektion animiert. Federführend mitgewirkt hat die Autorin auch an der kürzlich erschienenen „Alle Kinder Bibel“. Ihre Erkenntnis: „Nur gemeinsam kann der Traum von einer Kirche ohne Rassismus verwirklicht werden.“
Die Lesung ist eine Gemeinschaftsveranstaltung der Katholischen Kirchengemeinde Hl. Dreikönige Dortmund, der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung an der Ruhr, von „Raum vor Ort“ und der Katholischen Stadtkirche Dortmund. Anmeldungen sind dazu per Mail an die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung möglich: dortmund@kefb.de, Kursnr. M30DORT005.