Von Jil Bastian
Julia Wenzel von der AWO in Dortmund hat in ihrem selbst auf die Beine gestellten Onlineseminar zum Thema Antifeminismus und Rassismus die Referentin Laura Sasse eingeladen. Sie ist Trainerin in der Rechtsextremismus- und Rassismusprävention. Die Referentin engagiert sich seit einigen Jahren aktiv gegen Rassismus und kämpft für die Gleichstellung der Geschlechter. In Deutschland herrscht zunehmend mehr Fremdenfeindlichkeit und die Anhänger*innen von antifeministischen sowie rassistischen Gruppen radikalisieren sich immer stärker. Die beiden Frauen informierten 38 Seminarteilnehmer*innen über antifeministische Handlungsmuster, aber auch über Handlungsoptionen für Betroffene.
Kernannahmen rassistischer und antifeministischer Weltbilder – und was sie am Ende eint
Antifeminismus gibt es seit mehr als 200 Jahren in Europa – als Gegenbewegung zum Feminismus. Seither hat sich vieles in Bezug auf die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen verändert.
Das Emanzipationsthema ist in unserer Gesellschaft zusehends angekommen und heutzutage können Frauen in Deutschland formal die gleichen Rechte in Anspruch nehmen wie Männer. Jedoch positionieren sich Antifeminist*innen klar gegen diesen Fortschritt, sehen Männer vielmehr als benachteiligt an – was in ihren Augen einer Diskriminierung gleichkommt. ___STEADY_PAYWALL___
Ein wesentliches Element ihres ideologischen Horizontes: Anhänger*innen des Antifeminismus sind der Meinung, dass Homosexualität eine Krankheit sei und Abtreibungen einen Verstoß gegen den Willen Gottes darstellten. Der Rassismus ist ebenfalls seit Langem in Deutschland weitverbreitet und entstand aus einer Ideologie, die besagt, dass Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes wie beispielsweise der Hautfarbe diskriminiert werden dürfen, weil sie dadurch als „minderwertig“ erachtet werden und ihnen insofern als Person nicht die gleichen Rechte zukommen können.
Es ist, wie es ist – und sollte immer so bleiben: Konservatismus meets reaktionäre Einstellungen
Besagten Personenkreis vereint – grob gesagt – die Auffassung, dass traditionelle und hierarchische Geschlechterverhältnisse erhalten bleiben müssen. Die Antifeminist*innen betonen vor allem die „natürlichen“ Geschlechterdifferenzen zwischen männlich und weiblich und befürworten traditionelle Familienbilder mit einer Kernfamilie aus Mutter, Vater und Kind mit ihren antiquierten Rollenzuweisungen, indem sie von unterstellter „natürlicher“ Ungleichheit normativ auf Rollenerwartungen schließen.
Antifeministische Akteursgruppen lassen sich in fünf Subkategorien ausdifferenzieren: Neoliberaler (Anti)-Feminismus, konservative bis reaktionäre Journalist*innen, klassischer wie neuer Maskulinismus, christlich-fundamentaler Antifeminismus und schließlich extrem rechte Akteur*innen aus dem Neonazi-Umfeld.
Debattiert wurden in dem Seminar ebenso antifeministische Argumentationsmuster sowie Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Geschlechter- und Sexualitätsfragen sind ein wichtiger gemeinsamer Nenner der genannten Fraktionen. Eine typische Frage, die in diesem Zusammenhang viel Diskussionsspielraum bietet, ist die, ob Frauen arbeiten gehen sollten oder stattdessen weiterhin – wie früher – „nur“ für Haushalt und Familie zuständig sind.
Konfiguration verschiedener Faktoren, welche die Entstehung rassistischer Einstellungen begünstigen
Bei rechtsextremen Gruppen spielen Selbstdefinitionen gegenüber den ,,Anderen“ eine bedeutsame Rolle – das sind in ihrem Weltbild vor allem Menschen mit Migrationshintergrund.
Hob der klassische Rassismus auf (vermeintlich relevante) biologische Unterschiede zwischen sozialen Großgruppen ab, setzt der kulturelle Rassismus stärker auf ethnisierende Gruppenkonstruktion, diskriminierende Zuschreibungen, Vorurteile, (Ab)-Wertungen sowie eine faktische Durchsetzungsmacht über die Straße.
Man kann sich zentrale Entstehungsvoraussetzungen des Rassismus so vorstellen, dass der Bekanntenkreis nur aus Menschen besteht, die aus dem gleichen Land bzw. Kulturkreis stammen. Dann werden generalisierende Behauptungen über die „Fremden“, etwa über die soziale Gruppe der Einwanderer*innen aufgestellt und auf jede einzelne ihnen zugerechnete Person diskriminierend übertragen. Nach dem Motto: Alle X sind schlecht, ergo sind auch alle Individuen X1 bis Xn schlecht.
Rechtsextreme Menschen urteilen in der Regel negativ über Migrant*innen, ohne die Betroffenen persönlich zu kennen. Die Vorstellung von rechtsradikalen Anhänger*innen ist, dass sie in ,,ihrem eigenen Land“ sich das Recht herausnehmen dürfen, Menschen aus anderen Ländern zu unterdrücken, was eine Verletzung der Menschenwürde darstellt.
Abwertung von Personen(-Gruppen) aus individueller Angst und mangelndem Selbstwertgefühl
Menschen mit Migrationshintergrund werden oft im Alltag ausgegrenzt, ihnen begegnet zuweilen offener Hass. Es ist die irrationale Angst vor dem Fremden, dem Unverstandenen, das du nicht kennst und auch nicht kennenlernen willst. Fremdenfeindliche Akteure konstruieren und halten so Feindbilder aufrecht – nicht zuletzt, um sie für ihre oft eigene missliche soziale Lage verantwortlich zu machen. Dahinter steckt ein mangelndes Selbstwertgefühl, das Schuldige, das Opfer sucht.
So müssen sich Frauen, die dem Islam angehören und ein Kopftuch tragen, beispielsweise im Bus oder im Supermarkt anhören, dass sie sich nicht integrieren wollten und die deutsche Kultur nicht akzeptierten. Viele Menschen stellen Behauptungen auf, die sie gehört haben oder sich selbst überlegen, um zwischen „denen-da“ und „uns“ Gräben zu produzieren.
Auch die Ansichten von Feminist*innen werden häufig als lächerlich betrachtet. Die Gegenseite ist der Überzeugung, dass Männer das stärkere und Frauen das schwächere Geschlecht sind. Das weibliche Geschlecht ohne Kinder wird abwertend behandelt, da durch sie die Geburtenrate rückläufig sei und deshalb wieder die Geschlechterrollen von früher herbeigesehnt werden.
Feministinnen werden zunehmend häufiger aufgrund ihres Engagements für Frauen, etwa für die Religionsfreiheit in Deutschland, die für jede Frau gilt, verachtet; es mangelt gerade in (diss-)sozialen Netzwerken nicht an massiven Versuchen, sie einzuschüchtern, sie werden beschimpft, ihnen wird gedroht. Dies hindert die Frauen jedoch nicht an ihrem Ziel, sich weiterhin für Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau einzusetzen. Beleg: das Seminar.
Antifeministische und rassistische Hintergründe des rechtsextremistischen Terrors weltweit
Die Anschläge von Hanau, Halle oder Christchurch sind alles Ereignisse, die einen antifeministischen sowie rassistischen Hintergrund hatten.
Man sollte die Möglichkeiten, die es bei einer Konfrontation mit Antifeminismus und Rassismus gibt, wahrnehmen und bewusst darauf achten, wann wie dagegen agiert werden kann. Öffentliche und private Situationen etwa sollten voneinander getrennt werden.
Es ist ein Unterschied, ob es im Freundeskreis zu einer rassistischen Äußerung kommt oder auf der Arbeit vom Vorgesetzten, wo die Hemmschwelle größer ist, die eigene Meinung kundzutun.
Der Selbstschutz ist ebenfalls von großer Bedeutung, jedoch sollte die eigene Haltung deutlich gemacht, Position bezogen werden. Zudem besteht die Möglichkeit, sich von spezialisierten Initiativen wie „BackUp“ und anderen Organisationen Hilfe zu holen.
Die Rückmeldung der Teilnehmer*innen zu der Veranstaltung war sehr positiv. Man hätte sich jedoch mehr männliche Gäste gewünscht, aber die beiden Referentinnen waren allemal sehr zufrieden mit der hohen Zahl an Teilnehmer*innen und dem vielseitig vorhandenen Interesse.
Ziel ist, dass Menschen, die in Kontakt mit antifeministischen sowie rassistischen Akteur*innen kommen, souveräner handeln, sodass eine (möglicherweise in Gewalt umschlagende) Auseinandersetzung vermieden wird. Wer sich näher mit dem Thema Antifeminismus und Rassismus beschäftigen möchte, kann Julia Wenzel über die E-Mailadresse j.wenzel@awo-dortmund.de kontaktieren.
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Erstes „Rathaus-Sturm“-Verfahren: Neonazi wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung verurteilt
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Feministischer Gottesdienst in St. Petri (PM)
Es ist endlich vorbei – oder doch nicht? Wir können das Leben feiern. Aber die Pandemie der letzten zwei Jahre hinterlässt Verletzungen, Wunden, Zerbrochenes. Mit der Aktion „Scherben des Lebens“ wird Zerbrochenes beklagt und beobachtet, wie aus kantigen Einzelteilen Neues entstehen kann. Dafür werden in der Stadtkirche St. Petri symbolisch bunte Scherben gesammelt.
Dann braucht es nach dem Auflesen und Sammeln einen weiteren Schritt im Umgang mit Zuständen, die sich nicht aushalten lassen. Es entspricht dem Gedanken der Reformation, Bestehendes neu anzuschauen und der Gnade Gottes zu über- und abzugeben. Im Feministischen Gottesdienst am 31. Oktober (zum Thema „Scherben des Lebens—segnen“) mit Predigerin ständige stellv. Superintendenten Leonie Grüning und Liturgin Christine Jürgens werden zum Abschluss der Aktion die Bruchstücke zu einem bunten, lebendigen Mosaik verbunden.
Scherben des Lebens … segnen
Sonntag | 31. Oktober 21 | 11.30 h
Predigt: Leonie Grüning, ständige stellv. Superintendentin Ev. Kirchenkreis Dortmund
Liturgie: Christine Jürgens, Pfarrerin St. Petri
mit Abendmahl