Streit bei den „Hells Angels“ in Unna sollen die Ursache sein:

Rache im Rockermilieu: Nach Schüssen und Explosionen sitzen zwei Tatverdächtige in U-Haft

Das Polizeipräsidium in Dortmund hatte mit ihrer  „BAO Chrom“ die landesweite Zuständigkeit für alle Sprengstoffanschläge und Schussabgaben in dem Zusammenhang mit Rockerkriminalität bekommen. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Mit „ganz großen Geschützen“ sind Polizei und Staatsanwaltschaft in einer konzertierten Aktion gegen „Konflikte im Rockermilieu“ im Ruhrgebiet vorgegangen. In den vergangenen Wochen hatte es in Dortmund, Unna, Holzwickede, Bochum und Oberhausen diverse Vorfälle mit Schussabgaben und Sprengstoffexplosionen gegeben. Seit dieser Woche gab es unter Federführung der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Dortmund eine „Besondere Aufbauorganisation“ (BAO) mit dem Namen „Chrom“ mit mehr als 100 Ermittler:innen aus den verschiedenen Städten gebildet. Die vermeldete jetzt erste Erfolge und Festnahmen. Zudem gab es eine Entwarnung: Von einem „Rockerkrieg“ oder einem „Krieg zwischen rivalisierenden Rockerclubs“ könne aber nicht die Rede sein – offenbar ging es bei den spektakulärsten Vorfällen im clubinterne Streitigkeiten bei den „Hells Angels“ in Unna.

BAO mit landesweiter Zuständigkeit für Sprengstoffanschläge und Schussabgaben

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange, Kriminaldirektor Denis Andric als Leiter der BAO und Staatsanwalt Henner Kruse als Sprecher der Dortmunder Staatsanwaltschaft hatten kurzfristig zum Pressegespräch eingeladen, um die schnellen Erfolge vorzustellen und ein mediale Überdramatisierung einzudämmen, die wegen der Vorfälle in den Zuständigkeiten verschiedener Polizeibehörden ins Kraut geschossen waren. ___STEADY_PAYWALL___

Erst am Montag hatte das Polizeipräsidium Dortmund auf die jüngst bekannt gewordenen „Konflikte mit Rockerbezug“ reagiert und Einsatzkräfte zusammengezogen, die sich nun ausschließlich mit den Ermittlungen zu den Auseinandersetzungen beschäftigen. Sie sollten alle Vorfälle beleuchten und mögliche Zusammenhänge aufklären. Die „BAO Chrom“ hatte daher vom Innenministerium die landesweite Zuständigkeit für alle Sprengstoffanschläge und Schussabgaben in dem Zusammenhang bekommen.

Karsten Wickern | Nordstadtblogger

Was war passiert? Bereits am 15. Januar 2025 war es zu einer Schussabgabe auf ein Tattoo-Studio im Bereich der Rheinischen Straße in Dortmund gekommen. In der Nacht zuvor wurden mehrere Schüsse auf ein Wohnobjekt in der Bergstraße in Unna abgegeben. 

In der Nacht zu Freitag (7. Februar 2025) wurde mit scharfer Munition mehrfach auf ein Wohnhaus in der Wilhelmstraße in Holzwickede geschossen. Personen wurden dabei nicht verletzt.

Am 9. Februar 2025 wurde ein Mann mit einer Schussverletzung in ein Krankenhaus in Unna eingeliefert. Dabei handelt es sich um einen Bewohner des zwei Tage zuvor geschossenen Hauses in Holzwickede.

In der gleichen Nacht kam es zu einer Explosion in der Eingangstür eines Hauses in Bochum-Hiltrop. Am 10. Februar 2025 kam es dann zu einer weiteren Explosion im Hauseingang eines Mehrfamilienhauses in Oberhausen. Die Ermittlungen in diesen Fällen haben nun den Verdacht bestätigt, dass sie im Zusammenhang mit Konflikten mit Rockerbezug stehen.

PP Lange: „Wir dulden keine Straftaten von Rockergangs“

Sichtlich zufrieden verkündete Polizeipräsident Gregor Lange die Festnahme der beiden Hauptverdächtigen, die mittlerweile schon in Untersuchungshaft sitzen: „Wir haben von allen rechtlichen und technischen Mitteln Gebrauch gemacht. So war es möglich, den schnellen Ermittlungserfolg zu erzielen.” Lange dankte den Ermittler:innen für ihre akribische und zügige Arbeit und dankte auch für die gute Zusammenarbeit mit den anderen Polizeibehörden und der Staatsanwaltschaft. 

Polizeipräsident Gregor Lange (re.) Karsten Wickern | Nordstadtblogger

Zudem nutzte der Polizeipräsident die Gelegenheit für eine klare Botschaft: „Wir dulden keine Straftaten von Rockergangs. Wir senden das Signal an die Bevölkerung, dass der Rechtsstaat durchsetzungsfähig ist und senden auch ein Signal an die Straftäter, dass sie gefasst werden”, so Lange. Dennoch war auch ihm war wichtig zu betonen, dass es sich um interne Streitigkeiten innerhalb eines Clubs gehandelt habe und nicht um einen offenen Krieg zwischen rivalisierenden Clubs.

Details zu den Festgenommenen teilte Denis Andric mit: Bei den beiden Personen handelt es sich um einen 25-Jährigen und einen 33-Jährigen. Beide sind deutsche Staatsbürger und wohnten in Bochum. Sie wurden unter anderem wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft genommen. Beide gehörten einer Hells Angels-Gruppierung in Unna an. Einer der Beschuldigten war in Ungnade gefallen und ausgeschlossen worden. Der zweite Beschuldigte verließ aus Solidarität den Club. Gemeinsam hatten sie nun Rache genommen an den für den Ausschluss verantwortlichen.

Insgesamt wurden bisher fünf Tatverdächtige vorläufig festgenommen

Eine Sondereinsatzkommando konnte die beiden Hauptverdächtigen festnehmen. Bei einem der Beschuldigten wurde auch „eine scharfe Schusswaffe einsatzbereit am Körper“ und eine hohe Bargeldsumme gefunden. Insgesamt wurden bisher acht Wohnobjekte durchsucht und fünf Personen vorläufig festgenommen. 

Schüsse aus ein Wohnhaus – einer der Vorfälle. Foto: Polizei Dortmund

Die beiden Hauptverdächtigten wurden gestern dem Haftrichter vorgeführt, der U-Haft anordnete. Eine Person soll vielleicht heute noch dem Haftrichter vorgeführt werden. Insgesamt wurden bisher zwei Waffen, 23.000 Euro und vier Fahrzeuge beschlagnahmt. Sie sollen unter anderem mit einem Maschinengewehr 60 Schüsse auf ein Wohnhaus in Holzwickede abgegeben haben. 

Zudem sollen sie in Bochum und Oberhausen mit Sprengstoffexplosionen herbeigeführt haben. Bei beiden Sprengstoffexplosionen wurde ein hoch motorisierter Golf gesehen. In Oberhausen war der Wagen sogar der Polizei aufgefallen. Doch die Einsatzkräfte verloren den flüchtenden Wagen,  „durch relative Rücksichtslosigkeit“ im Straßenverkehr entkommen konnte – er war unter anderem entgegen der Fahrtrichtung auf die A42 aufgefahren und konnten im Verlauf entkommen.

„Sprengstoffaffinität, Gewaltaffinität und hohe kriminelle Energie“

Dennoch konnten die Tatverdächtigen zügig ermittelt werden. An der Mitwirkung der Geschädigten lag das explizit nicht: Sie verweigerten die Zusammenarbeit und die Aussagen. Noch schlechter wurde sie, als die Ermittler:innen Durchsuchungsbeschlüsse für die Objekte der Geschädigten erwirkten, die ja ebenfalls aus dem Rockermilieu sind. Dies brachte einen der Beteiligten ein Strafverfahren ein, in dessen Zuge in diesen Haus eine scharfe Schusswaffe gefunden wurde. 

Kriminaldirektor Denis Andric ist Leiter des Staatsschutzes in Dortmund auch Leiter der „BAO Chrom“. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Gefunden wurden die beiden – nun in Untersuchungshaft sitzenden – Haupttäter u.a. auch wegen ihrer „Sprengstoffaffinität, ihre Gewaltaffinität und die hohe kriminelle Energie“, aber auch für ihre Leidenschaft für hochmotorisierte Fahrzeuge. Videoaufzeichnungen an zwei Tatorten halfen ebenso, wo tatverdächtige Personen „schemenhaft zu erkennen“ waren. Dann Kontakte überprüft und auch zweiten Tatverdächtigen ermittelt. 

Sie sollen u.a. wegen versuchten Mordes, Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und dem herbeiführen von Sprengstoffexplosionen angeklagt werden, berichtete Staatsanwalt Henner Kruse. Er ging auch auf die Motivlage ein: „Es hat sich noch nicht das herausgebildet, was in Überschriften steht. Wir gehen nicht von Rockerkrieg aus. Es handelt sich nicht von Taten von rivalisierenden Rockergruppen, sondern um solchen, die ursprünglich einer Gruppierung angehören und bei den Hells Angels in Ungnade gefallen und ausgeschieden sind”, so Kruse. 

Die Tatverdächtigen mussten bereits mehrjährige Haftstrafen verbüßen

Einer der Tatverdächtigen wurde bei den „Hells Angels“ ausgeschlossen, der zweite Tatverdächtige hatte das Chapter aus Solidarität verlassen: „Sie wollten sich rächen. Ich würde einen Rockerkrieg anders interpretieren. Es handelt sich um Einzelne, die Rache geübt haben”, so Kruse. Da gemeinschaftlich mit einem vollautomatischen Gewehr 60 Schüsse auf ein Wohnhaus geschossen wurde bewertet die Staatsanwaltschaft das an als versuchten Mord – die Heimtücke und niedrige Beweggründe sah er gegeben, zumal im Erdgeschoss ein Mädchen schlief, in deren Nähe Projektile einschlugen. Zudem wertet sie dein Einsatz eines vollautomatische Gewehrs als Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. 

Staatsanwalt Henner Kruse ist Sprecher der Dortmunder Staatsanwaltschaft. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

In Bochum und Oberhausen wurden selbst gebastelte Sprengsätze gezündet, die eine erhebliche Sprengkraft hatten: Dabei wurden Türen weggesprengt und die Eingangsbereiche beschädigt. Dies wird als Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gewertet, was einen Strafrahmen von 1 bis 15 Jahre als Strafrahmen vorsieht.

Die beiden Tatverdächtigen seien keine Unbescholtenen: Beide hätten schon mehrjährige Haftstrafen verbüßt. Der 33-Jährige steht sogar unter laufender Bewährung. Der 25-Jährige sei zudem auch schon im Zusammenhang mit Sprengstoff verurteilt worden. Er hatte Automatensprengungen begangen. „Daher gehen wir davon aus, dass wir die Tatserie unterbrochen und die richtigen Hauptbeschuldigten in Untersuchungshaft haben”, so Kruse. 

Aktuell wird gegen drei weitere Personen wegen Tatbeteiligungen ermittelt

Neben den beiden Hauptbeschuldigten in Untersuchungshaft gibt es noch Hinweise auf eine 3. Person, die im Kontext der Sprengung stehen und den Sprengstoff hergestellt haben soll. Aktuell wird noch geprüft, ob der 38-Jährige aus Bochum heute noch dem Haftrichter vorgeführt werden soll.

Ein vierter Tatverdächtiger ist der Mieter des genutzten Fluchtwagens. Er wurde allerdings wieder aus der Haft entlassen, weil er nicht zur Beschreibung der Täter passte und offenbar auch ein Alibi für die Tatzeiten hatte. Eine fünfte Person, die ebenfalls vorübergehend und von anderen Daten nicht zu Taten. Eine fünfte Person, die vorübergehend festgenommen wurde, war bei der Festnahme des Sprengstoffherstellers anwesend. Dort ist eine mögliche Tatbeteiligung noch nicht abschließend geklärt.

Die Entwarnung der Polizei an die Bevölkerung, dass die Taten ihren Ursprung in clubinternen Differenzen hätten, aber nicht einem möglichen Rockerkrieg zuzuschreiben sei, ist aber nur die halbe Wahrheit: Denn für eine Beteiligung an den Schussabgaben auf das Tattoostudio in Dortmund und Wohnhäuser in Unna gibt es nicht. Die gefundenen Patronen hatten ein anderes Kaliber. Daher gibt es da noch keine Hinweise über den oder die möglichen Täter, auch wenn es bei dem Tattoostudio und dem einen Wohnhaus – der Wohnadresse des Studiobetreiber – Bezüge zum Rockermilieu gibt. Bei dem zweiten Wohnhaus in Unna fanden die Ermittler:innen keinerlei Hinweise auf solche Verbindungen. 


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