Proteste rund um Corona: „Keine Bühne für Aluhüte – gegen Antisemitismus und Verschwörungsideologien“ in Dortmund

Demonstration gegen die Pandemie-Maßnahmen, Hansastraße. Ein bunte Mischung aus unterschiedlichen Personen samt Dortmunder Neonazis versammelten sich auf der Hansastraße in Höhe des Hansaplatzes um gegen die Beschränkungen des öffentlichen Lebens in Pandemiezeiten zu protestieren.
Protest gegen die Pandemie-Maßnahmen in Dortmund. Die „Aluhüte“ waren nicht nur sprichwörtlich dabei.

Je mehr Lockerungen es gibt (und je länger es dauert), desto mehr Kritiker*innen der Corona-Auflagen tummeln sich in der Stadt. Und auch an diesem Wochenende gab es neben „normalen“ Kritiker*innen, die gegen offensichtliche und angebliche Einschränkungen der Grundrechte demonstrierten und sich berechtigterweise Sorgen um insbesondere die wirtschaftliche Zukunft machten, noch eine ganze Menge andere Gruppen auf der Straße – auch solche, die unter dem Motto „Gemeinsam gegen Pandemie und Infodemie – Grenzenlos solidarisch“ mit Bannern wie „Keine Bühne für Aluhüte – gegen Antisemitismus und Verschwörungsideologien“ auf die Straße gingen.

Krude Mischung diverser Weltanschauungen und Lebensentwürfe demonstriert gegen Corona-Maßnahmen

Demonstration gegen die Pandemie-Maßnahmen, Hansastraße. Ein bunte Mischung aus unterschiedlichen Personen samt Dortmunder Neonazis versammelten sich auf der Hansastraße in Höhe des Hansaplatzes um gegen die Beschränkungen des öffentlichen Lebens in Pandemiezeiten zu protestieren.
Demonstration gegen die Pandemie-Maßnahmen – hier wurde auch gegen angebliche Zwangsimpfungen getrommelt. Fotos: Klaus Hartmann

Die Polizei hatte es am Samstag nicht nur mit dem Revierderby zu tun, sondern musste auch fünf Versammlungen in der Dortmunder Innenstadt im Blick halten.

Eine krude Mischung diverser Weltanschauungen und Lebensentwürfe wurde dabei in der City sichtbar – in genehmigten und verbotenen Kundgebungen: Steampunks, YouTuber mit Ernährungstipps, Freizeitschamanen, „Q-Anon“-Anhänger*innen mit bunten Papp-Qs, Impfgegner*innen, Neonazis… 

Zu einer Schamanentrommel klatschte man in der City und lief auch im Kreis. Wie bei früheren Veranstaltungen mischten sich auch die heimischen Neonazis darunter. Anders als in der Vorwoche gab es aber keine Übergriffe auf Medienvertreter*innen. 

Außerdem ging die Polizei früher gegen die verbotenen bzw. nicht angemeldeten Kundgebungen vor, nachdem die „Performance“ von Polizei und Ordnungsamt am vergangenen Wochenende von vielen Beobachter*innen kritisiert wurde. 

Was die Stadt „abgestuftes Vorgehen“ und „deeskalierend“ nannte, wurde von Kritiker*innen und Medienvertreter*innen als besorgniserregend, unentschlossen und kapitulierend empfunden, was die Teilnehmer*innen einer verbotenen Kundgebung sogar noch anstachelte und beflügelte. 

Kritik an ungleichem Vorgehen gegen Flüchtlingshelfer*innen und Corona-Kritiker*innen

Verschwörungen? Statt Aluhüten trugen viele Teilnehmende einen Alubommel als Erkennungszeichen.

Entsprechend ratlos und sauer blickten im Nachgang des vergangenen Wochenendes die Menschen auf die Ereignisse, die im April unter dem Motto „#leavenoonebehind“ auf die Straße gegangen waren und mit Platzverweisen und Strafandrohungen belegt wurden, obwohl sie sich an Mindestabstände und Mundschutz gehalten hatten. 

Sie reihten sich u.a. am 18. April auf dem Wochenmarkt in die Abstand haltenden Schlangen der anderen Kund*innen ein und hatten mit Schildern auf die Situation der Asylsuchenden in Griechenland (Moria und andere Lager) aufmerksam gemacht.

„Bei unserer Aktion galt bundesweit und auch in NRW ein Demonstrationsverbot, was die Grundlage der Polizei war, dass sie unsere spontane Demonstration sofort untersagten. Dieses Verbot gilt aber auch weiterhin und es gibt nur Erlaubnisse mit bestimmten Auflagen verbunden. Am 9. Mai wurde die Demo „Widerstand 2020″ angemeldet, aber ebenfalls von der Stadt untersagt“, erinnert Julia Mohr. 

„Warum wurde dort dann in keiner Weise eingegriffen? Bei unserer Aktion wurden von vielen Menschen die Personalien aufgenommen und es wurden Platzverweise für den gesamten Innenstadtbereich innerhalb des Walls ausgesprochen. Wieso dann nicht bei der verbotenen Demonstration am vergangenen Samstag, bei der Angriffe auf Journalisten stattfanden?“, beklagt nicht nur die Sozialarbeiterin diese Unverhältnismäßigkeit.

Die Kommune ist jetzt bei Veranstaltungsanmeldungen nicht mehr mit im Boot

Im April war die Polizei sofort gegen die Menschen vorgegangen, die sich mit Schildern auf dem Markt eingereiht hatten. Foto: Privat

Sie kritisiert das ungleiche Einschreiten bzw. Nicht-Einschreiten im Vergleich zu dem Polizeiverhalten bei ihrer Aktion, zumal diese absolut friedlich verlief –  im Gegensatz zu der verbotenen Kundgebung, wo gegen sämtliche Auflagen verstoßen wurde und Medienvertreter aggressiv angegangen wurden. Dennoch durften sie fast 45 Minuten protestieren, bevor die Polizei in Amtshilfe für die Stadt gegen die Kundgebung vorging und diese beendete.

„Warum wurde bei der sogenannten ,Hygienedemo’ nicht eingegriffen und diese beendet – vor allem wenn die Polizei selber schon im Vorhinein Informationen hatte, dass mit Neonazis und Aktionen gegen Medienleute zu rechnen ist. Wieso werden Neonazis nicht entfernt? Wieso können sie sich unter die Demonstration mischen“, fragt Julia Mohr. 

Nun gab es umgestrigen Samstag ein schnelleres Eingreifen. Ein möglicher Grund: Die Stadt ist nach der letzten Änderung der Coronaschutzverordnung seit Montag nicht mehr im Boot und an entscheidender Stelle, wenn es um Demonstrationsanmeldungen geht. Kundgebungen und Versammlungen sind nun wieder grundsätzlich erlaubt, wenn der Mindestabstand eingehalten wird. 

Bis zum vergangenen Woche waren Kundgebungen grundsätzlich verboten und es bedurfte einer ausdrücklichen Erlaubnis der Ordnungsbehörde, die eine infektionschutzrechtliche Bewertung abgeben und eine Sondererlaubnis gewähren musste. Diese Einschränkungen sind jedoch (zum Glück) wieder Geschichte. 

„Gemeinsam gegen Pandemie und Infodemie – Grenzenlos solidarisch“

Als Reaktion auf die vergangenen Wochen hatte der Initiativkreis „GrenzenlosSolidarisch“ zu einer Protestkundgebung aufgerufen, an der nach Anmelderangaben circa 100 Aktivist*innen aus antifaschistischen, antirassistischen und solidarischen Bewegungen auf dem Friedensplatz unter dem Motto: „Gemeinsam gegen Pandemie und Infodemie – Grenzenlos solidarisch“ versammelten, um gegen Verschwörungsideologie und rechte Umtriebe Stellung zu beziehen. 

Demonstration von Grenzenlos Solidarisch auf dem Friedensplatz gegen Verschwörungsideologien.
Demonstration von Grenzenlos Solidarisch auf dem Friedensplatz gegen Verschwörungsideologien.

Die Kundgebung beachtete alle Infektionsschutzmaßnahmen und verlief trotz anfänglicher Provokationen durch mehrere Neonazis ohne Zwischenfälle. „Wir haben mit unserer Versammlung ein Zeichen der politischen Vernunft gegen das Potpourri aus antisemitischen Erklärungsmustern und paranoiden Faktenverzerrungen gesetzt. Wir akzeptieren keine wöchentliche Melange aus Neonazis, Verschwörungsideolog*innen und Impfgegner*innen“, erklärt Conny Schmidt, Pressesprecherin des Bündnisses Grenzenlos Solidarisch. 

„Unmissverständlich lautet unsere Botschaft, dass Menschen- und Grundrechte nicht an den Grenzen der Nationalstaaten enden und dass eine Verteidigung von Grundrechten nur mit solidarischen Perspektiven auf die sozialen Folgen der Pandemie gelingen kann“, betont sie weiter. 

In verschiedenen Redebeiträgen wurde verdeutlicht, dass Verschwörungsideologie keine Kritik an den herrschenden gesellschaftlichen Zuständen darstelle und „eine emanzipatorische Kritik sich an den Verwundbarsten und Ausgeschlossensten zu orientieren“ habe.

In Redebeiträgen machten die Aktivist*innen klar, dass es eine Analyse braucht, die über die Ansätze der Corona-Leugner*innen hinaus reiche und es eine solidarische Alternative brauche. Die Autonome Antifa 170 kritisierte in einem Redebeitrag, dass momentan viele ohne hin prekär lebende Menschen die Last der Krise tragen müssen. 

Aktivist*innen der antirassistischen Bewegung verwiesen auf die katastrophalen Zustände an den europäischen Außengrenzen. Die neue Gruppierung „Grenzenlos Solidarisch“ berichtete über ihre Arbeit.

Kritik: Eine Abgrenzung gegen Faschismus bleibt bei Verschwörungsideolog*innen aus

Demonstration von Grenzenlos Solidarisch auf dem Friedensplatz gegen Verschwörungsideologien.
Demonstration von Grenzenlos Solidarisch auf dem Friedensplatz gegen Verschwörungsideologien.

Thema war auch hier das aus ihrer Sicht „zwiespältige Verhalten“ der Versammlungsbehörde: „Die Polizei hat gezeigt, dass sie nicht willens ist, den gefährlichen Protesten und dem bewussten Nicht-Befolgen der Corona-Schutzmaßnahmen Einhalt zu gebieten. In was für einer Größenordnung sich die Bewegung bewegt, war mindestens seit letzter Woche bekannt“, erklärt Conny Schmidt.

Die Polizei ließ die Verschwörungsideolog*innen nach einiger Zeit am Hansaplatz eine Kundgebung anmelden. Auch hierbei wurde nicht auf Abstände geachtet oder Mund-Nasen-Schutz getragen. An der Teilnahme der Neonazis, die zum Teil am Rand von der Polizei festgesetzt, zum Teil aber auch im Protest waren, störten sich die Verschwörungsideolog*innen nicht. 

„Eine Abgrenzung gegen Faschismus bleibt in dieser Bewegung aus. Das ist ein eindeutiges Signal der Teilnehmenden!“, bewertet Schmidt. „Die Corona-Leugner*innen wissen, mit wem sie da zusammenstehen. Und darin sehen wir eine große Gefahr.“

Das Bündnis Grenzenlos Solidarisch will die Geschehnisse, sowohl den aus ihrer erfolgreichen Verlauf der antifaschistischen Kundgebung, wie das Verhalten der Polizei gegenüber Versammlungen kritisch auswerten und daraus Schlüsse für weitere Proteste ziehen.

 

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  1. Lob an Fußballfans: Polizeieinsatz rund um das Revierderby verläuft ohne besondere Vorkommnisse – Versammlungslage weitestgehend störungsfrei (Polizei-PM)

    Lob an Fußballfans: Polizeieinsatz rund um das Revierderby verläuft ohne besondere Vorkommnisse – Versammlungslage weitestgehend störungsfrei

    Es war eine Herausforderung für alle – Sicherheitsbehörden, Vereine und Fans: das Revierderby in Zeiten der Corona-Pandemie. Ohne Zuschauer, ohne Fanmärsche, ohne gut gefüllte Kneipen. Für die Polizei eine Art Wundertüte. Trotz aller gegenteiligen Appelle musste sie sich auf Störungen und Ansammlungen aller Art einstellen. Die vorläufige Bilanz: Die Fußballfans haben am heutigen Samstag (16. Mai) Verantwortungsbewusstsein und Weitsicht bewiesen. Der Polizeieinsatz verlief ohne besondere Vorkommnisse.

    „Deutschland und die Welt haben heute nach Dortmund geschaut und sich gefragt: Wie funktioniert die Bundesliga in Zeiten von Corona? Werden sich die Fans nach der Zwangspause an die noch immer geltenden Einschränkungen halten? Wir können nun sagen: Ja, das haben sie getan“, erklärt der Leiter des heutigen Einsatzes, Polizeidirektor Edzard Freyhoff. „Wir sind froh, dass die Fans des BVB und des FC Schalke sich an die Appelle gehalten haben, die die Sicherheitsbehörden und auch die Vereine vor dem Spiel ausgesendet haben. Sie haben ihre und die Gesundheit anderer nicht gefährdet und das Fußballerlebnis offenbar größtenteils zuhause genossen.“

    Die Polizei musste im Zusammenhang mit dem Revierderby in keiner Situation einschreiten. Weder im Umfeld des Stadions noch im Bereich der Gastronomie in der Innenstadt gab es Ansammlungen von Fans, die gegen die geltende Coronaschutzverordnung verstoßen. „Wir möchten uns bei den Fans für ihr besonnenes Verhalten in diesen besonderen Zeiten bedanken“, sagte Freyhoff. „Besonders weil wir wissen, dass gerade das Derby zwischen dem BVB und dem FC Schalke 04 ein Spiel ist, das mit besonderen Emotionen und auch Vorfreude verbunden ist.“

    Neben dem Revierderby musste die Polizei an diesem Samstag auch diverse Versammlungen in der Dortmunder Innenstadt im Blick halten. Insgesamt lagen ihr fünf Anmeldungen zwischen 11 und 22 Uhr vor, einige mit deutlichem Bezug zu den aktuellen Maßnahmen zur Pandemievorsorge. Insgesamt nahmen an den fünf Versammlungen in den Bereichen Kleppingstraße, Kampstraße, Platz der Deutschen Einheit sowie Friedensplatz insgesamt rund 140 Personen teil. Diese verliefen störungsfrei. Die letzte Versammlung auf dem Friedensplatz wurde gegen 17 Uhr beendet.

    Am Alten Markt kam es gegen 15.30 Uhr zu einer spontanen Ansammlung von in der Spitze rund 150 Personen, die sich augenscheinlich gegen die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie richteten. Diese zogen zunächst in Richtung des Hansaplatzes, wo sie von der Polizei angehalten wurden. Dort wurde die Gruppe als Versammlung gewertet. Nachdem sich – nach mehrfacher Aufforderung durch die Beamten – eine Versammlungsleitung zu erkennen gegeben hatte, wurde die Versammlung gegen 16.40 Uhr wieder für beendet erklärt. Daraufhin entfernten sich die Teilnehmer. Gegen die Versammlungsleiterin wurde eine Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz geschrieben.

    Im Bereich der unangemeldeten Versammlung hatte sich zunächst auch eine Gruppe von 15 Personen aufgehalten, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind. Nach einer Personalienfeststellung wurden gegen alle Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung gefertigt. Die Gruppe erhielt zudem einen Platzverweis für den Innenstadtbereich.

    Zu einer erneuten Ansammlung kam es schließlich noch um 18.10 Uhr am Friedensplatz. Dort stellten Polizeikräfte mehrere Personen fest, die gegen die Regelungen der Coronaschutzverordnung verstießen. Die Beamten unterstützten Kräfte des Ordnungsamtes dabei, die Personalien von 23 Personen festzustellen. Gegen sie werden entsprechende Ordnungswidrigkeitenanzeigen gefertigt.

  2. Wir sind hier! – Aufstehen für Solidarität und gegen Verschwörungserzählungen Kundgebung des Initiativkreises #GrenzenlosSolidarisch (PM)

    Wir sind hier! – Aufstehen für Solidarität und gegen Verschwörungserzählungen – Kundgebung des Initiativkreises #GrenzenlosSolidarisch am Samstag, den 13.06.2020, Rheinoldikirchplatz, 13:30 Uhr

    Seit mehreren Wochen demonstrieren in der Dortmunder Innenstadt sogenannte Kritiker:innen der Corona-Schutzmaßnahmen. Unter den Demonstrant:innen finden sich Impfgegner:innen, Verschwörungsideolog:innen und Neonazis, es eint sie die Verbreitung von Lügen und antisemitischen Feindbildern. Belege für ihre Behauptungen haben sie keine. Denn ganz offensichtlich wären ihre angemeldeten Kundgebungen und Demonstrationen in der von Ihnen herbeifantasierten „Diktatur“ wohl nicht möglich. Bei diesen Versammlungen geht es nicht um die Verteidigung von Grundrechten in unserer Gesellschaft. Die Verschwörungsdemonstrationen lenken von den realen Problemlagen und Sorgen der Menschen ab, wir stehen auf für eine solidarische Perspektive in der Corona-Pandemie.

    Wir stehen daher auf:
    – gegen die Lügen, Verschwörungserzählungen & Antisemitismus,
    – für eine wirkliche Solidarität mit den Armen und Verwundbarsten,
    – für eine wirkliche Anerkennung der sogenannten „systemrelevanten Berufstätigen“ und der Arbeit von Frauen im Job und zu Hause.

    Wir stehen hier! Sprecht mit uns über eure wirklichen Sorgen und Nöte, sprechen wir gemeinsam über eine solidarische Perspektive in der Corona-Pandemie!

    *Bringt Mund- und Nasenschutz mit und achtet auf die Hygieneschutzmaßnahmen. Bringt Pappen und Eddings für Plakate mit!

    Kundgebung des Initiativkreises #GrenzenlosSolidarisch

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