Professorin der TU Dortmund forscht über den Reiz des Verkleidens – Von Flamingos, Piloten und Crossdressing

Dietrich-Keuning-Haus fest in Narrenhand. Die Alten und die Jungen feierten gleichzeitig Karneval. Kinderkarneval im Jugendbereich
Der Reiz des Verkleidens besteht darin, spielerisch mit Facetten eigener Identität umzugehen, die man im Alltag eher weniger auslebt. Genauso wie Mode, machen Kostüme Gruppen und Milieus sichtbar. Foto: Klaus Hartmann

Welche Karnevalskostüme sind besonders beliebt? Inwiefern grenzen Kostüme gleichzeitig ein und aus? Und was möchte man mit seiner Verkleidung eigentlich ausdrücken? Professorin Gudrun M. König von der Fakultät Kunst- und Sportwissenschaften der TU Dortmund forscht am Seminar für Kulturanthropologie des Textilen zu den vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen und textilen Sachkulturen. Pünktlich zum Start der jecken Tage klärt die Wissenschaftlerin einige Fragen rund um das Thema Karnevalskostüme.

 Frage: Frau König, was sind die beliebtesten Karnevalskostüme?

Professorin Gudrun M. König. Foto: Gabriele Paschedag/TU Dortmund
Professorin Gudrun M. König. Foto: Gabriele Paschedag/TU Dortmund

Bei den beliebtesten Kostümen gibt es wenig Überraschendes. Besonders en vogue sind in diesem Jahr Pantomimen und Flamingos. Neben diesen kurzzeitigen Trends sieht man meist Variationen des Immergleichen.

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Zum Beispiel Helden aus Filmen und Romanen, Verkleidungen aus Historie und Tierwelt, Ethnotrends wie beispielweise hawaiianische oder afrikanische Kostüme und das sogenannte Crossdressing, bei dem man sich wie das andere Geschlecht kleidet. 

Weitere Kostüm-Dauerbrenner sind Berufe, und insbesondere jene mit Uniform sind beim jeweils anderen Geschlecht beliebt.

So kommen – sehr klischeehaft – bei Frauen meist Männer in Pilotenuniform und bei Männern etwa Frauen in Krankenschwester-Outfits gut an. Kostüme sind immer von kulturellen Normen geprägt und in diesem Fall greifen nach wie vor die klassischen Rollenmuster.

 Was möchten die Kostümierten mit ihrer Verkleidung ausdrücken?

Das ist individuell sehr unterschiedlich und reicht von Gefallen und Auffallen bis zu Irritation und Provokation. So kann ein Kostüm Wünsche und Sehnsüchte verstärken oder aber ins Gegenteil verkehren. 

Der Reiz des Verkleidens besteht darin, spielerisch mit Facetten der eigenen Identität umzugehen, die man im Alltag eher weniger auslebt. Dieser Ausbruch aus dem Alltag, mit dem das Feiern und Flirten an Karneval gerne gleichgesetzt wird, bewegt sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen Individualität und Konformität. Die anthropologische Lust am Verkleiden pendelt zwischen dem Verlangen, sich kreativ hervorzutun, und dem Festhalten an Konventionen.

Sie sagen, dass eine Kostümierung gleichzeitig ein- und ausgrenzt. Inwiefern?

Kids in Halloween-Verkleidung. Foto: Alex Völkel
Kids in Halloween-Verkleidung. Foto: Alex Völkel

Wir sind je nach Perspektive immer einer bestimmten Gruppe zugehörig. Das Karnevalskostüm trennt uns zum Beispiel von den Nichtverkleideten. Genauso wie die Mode, machen Kostüme Gruppen und Milieus sichtbar. 

Sie stellen eine Zugehörigkeit her und grenzen gleichzeitig ab. So dürfte ein Flamingo beispielsweise im Kölner Straßenkarneval sofort Anschluss finden, während ihm in anderen Teilen der Republik wahrscheinlich mit Befremden begegnet würde. 

Letztlich übersteigert die Kostümierung nur das alltägliche „Sichkleiden“, das sich stets zwischen Anpassung und Abgrenzung formiert. Das Erlebnis in der Gruppe, die Freude am Spiel und der Wunsch nach Unterhaltung haben (kindliche) Verkleidungsspiele in die erwachsene Welt und in andere Milieus und Jahreszeiten transportiert: Neben den klassischen Kostümfesten gibt es heute Mottoparties, Halloween, Mittelaltermärkte und Cosplay-Gruppen. Das Kostüm signalisiert – ganz allgemein – Teilnahme und Teilhabe.

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