Es war längst überfällig, doch erst jetzt klickten in Dortmund-Dorstfeld die Handschellen: Der 24-jährige Neonazi Steven F. wurde am heutigen Donnerstag (29.11.2018) im Morgengrauen festgenommen. Für Polizeipräsident Gregor Lange ist er ein „rechtsextremistischer Intensivtäter“, der massiv dazu beigetragen habe, insbesondere in Marten ein Klima der Angst und Einschüchterung zu schaffen. Gegen den Neonazi laufen aktuell diverse Ermittlungsverfahren. Wegen drei Straftaten wurde jetzt Haftbefehl erlassen. Da er zudem noch unter Bewährung für frühere Straftaten steht, drohen im bei einer erneuten Verurteilung mehrjährige Haftstrafen.
Die Straftaten sollten nach Ansicht der Polizei die Martener Bevölkerung einschüchtern
Die Dortmunder Polizei sieht in dem gemeinsam mit der Dortmunder Staatsanwaltschaft durchgeführten Einsatz „ein deutliches Zeichen im Kampf gegen den Rechtsextremismus“. Wegen wiederholter Straftaten in Dortmund-Marten, die unter anderem darauf abzielten, die Martener Bevölkerung einzuschüchtern, hatten Staatsanwaltschaft und Polizei einen Haftbefehl gegen den 24-Jährigen Neonazi erwirkt. Dieser wurde heute in Dortmund-Dorstfeld vollstreckt.
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Sämtliche Ermittlungsverfahren gegen den 24-Jährigen landeten bei der Sonderkommission „Rechts“ der Dortmunder Polizei, die im Rahmen ihrer täterorientierten Ermittlungsarbeit die Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten, gefährlicher Körperverletzungen, antisemitischer Bedrohungen und Beleidigungen und in einem Fall wegen eines Raubes zusammenführte und letztlich den Haftbefehl gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Dortmund erwirkte.
Neben Dorstfeld, wo die Neonazis seit Jahren den Bereich rund um den Wilhelmplatz als ihren „Nazi-Kiez“ reklamieren, gibt es spätestens seit 2016 auch in Marten und dem weiteren Dortmunder Westen Aktivitäten, die in Fachkreisen als „Raumkampf“ bezeichnet werden. Es kommt hier zu Einschüchterungen und Attacken gegen Andersdenkende und vermeintliche politische GegnerInnen, aber auch von antifaschistisch denkenden Fußballfans.
Es gibt vielfältige Bezüge zu rechtsextremen Kampfsport, Hooligans und Neonazis. Im Stadtbild finden sich Nazi-Graffiti wie „NS-Zone“ und zahlreiche Aufkleber. Auch Rechtsrock ist immer wieder zu hören. Die Stadtgesellschaft ist alarmiert und engagiert. Insbesondere das Martener Forum und der Runde Tisch des Stadtbezirks Lütgendortmund entwickel(te)n zahlreiche Aktivitäten.
Besucher der Bartholomäus-Kirmes als „Zigeuner“ beleidigt, beraubt und zusammengetreten
Der Haftbefehl gegen Steven F. basiert auf drei Straftaten, die ihm zur Last gelegt werden. Besonders schwer wiegt ein Angriff, den er am 25. August auf der Bartholomäus-Kirmes gegen einen Migranten begangen haben soll. Er habe einen Besucher der Kirmes als „Zigeuner“ beschimpft, ihm das Handy weggerissen und einbehalten, mit Faustschlägen zu Boden geschickt und anschließend noch gegen den Kopf getreten. Dies brachte ihm eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Raub ein.
Am 19. Oktober hatte er auf der Martener Straße ein junges Pärchen beleidigt und bedroht und am 22. Juli vor Zeugen in Marten den Hitlergruß gezeigt. Doch das sind nur drei von einer ganzen Reihe von Ermittlungsverfahren, die gegen den Neonazi laufen. Schon seit jungen Jahren ist Steven F. immer wieder auffällig und straffällig geworden.
Beleidigung, Bedrohung, Diebstahl, erschleichen von Leistungen, vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, schwere räuberische Erpressung, Volksverhetzung… die Liste ist noch nicht abschließend. Wegen der Vielzahl der Vorfälle und der nicht wirksamen Maßnahmen – u.a. Sozialstunden, Freizeitarrest und später Dauerarrest – hatte ein Jugendgericht 2014 drei Jahre und drei Monate Haft und ein Entziehungsprogramm angeordnet. Die Reststrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Trotzdem kassierte er „folgenlos“ im vergangenen Jahr eine weitere zehnmonatige Bewährungsstrafe.
Drei antisemitische Übergriffe in Marten stehen ebenfalls zur Verhandlung aus
Diverse weitere Verfahren sind anhängig, aber in getrennten Verfahren verfolgt, weil sie teilweise mit verschiedenen anderen Beteiligten und Kameraden begangen wurden. Ebenfalls „im Köcher“ sind die drei antisemitischen Angriffe, die im Mai 2018 bundesweit für Schlagzeilen sorgten. Hier sind die Täter ebenfalls ermittelt, das Verfahren steht noch aus.
Apropos Kameraden: Zwei weitere Dortmunder Rechtsextremisten bekamen heute Morgen ebenfalls Besuch von der Polizei. Sie wurden mit einer sogenannten „Gefährderansprache“ belegt, da sie in wechselnder Tatbeteiligung als Mittäter agierten.
„Einen rechtsextremistischen Intensivtäter aus dem Verkehr zu ziehen, ist eine klare und unmissverständliche Ansage des Rechtsstaates an die rechtsextremistische Szene in Dortmund und auch darüber hinaus“, kommentierte der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange den Einsatz.
„Staatsanwaltschaft und Polizei schöpfen alle rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel aus, um den Strafverfolgungsdruck auf die Szene hoch zu halten. Gegenüber rechtsextremistischen Straf- und Gewalttätern gilt die Linie: Null-Toleranz!“, so Lange weiter. Die Ermittler der Soko „Rechts“ durchsuchten auch die Wohnung des Dortmunders. Die Ermittlungen dauern an.
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