Pressevertreter:innen hatten am Freitagabend (15. November 2024) die Möglichkeit die Polizei bei einem Schwerpunkteinsatz in der Dortmunder City zu begleiten. Hintergrund war ein gemeinsamer Aktionstag des Polizeipräsidiums und der Bundespolizei zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität in der City, der nördlichen Innenstadt und dem Hauptbahnhof. Im Fokus stand die Bekämpfung der Messerkriminalität.
Verlängerung der „strategischen Fahndung“ ermöglicht verdachtsunabhängige Kontrollen
Mit Mützen und Handschuhen bewaffnet versammelten sich am Freitagabend rund 15 Pressevertreter:innen hinter dem Fußballmuseum am Dortmunder Hauptbahnhof. In Kleingruppen, begleitet von Pressesprecher:innen der Polizei, ging es von dort aus los.
Erster Halt für die Nordstadtblogger:innen war der Vorplatz des Hauptbahnhofs. Dort schien das große Polizeiaufgebot die Passant:innen nicht sonderlich zu irritieren. Beinahe im Minutentakt wurden Passant:innen herausgezogen und kontrolliert. Dabei wurden die Betroffenen breitbeinig und mit erhobenen Armen an die Polizeiautos gestellt und abgetastet.
Möglich ist das durch die jüngst angeordnete Verlängerung der „strategischen Fahndung“ in der City und der nördlichen Innenstadt, wonach derartige Kontrollmaßnahmen auch verdachtsunabhängig durchgeführt werden dürfen.
Mann rannte vor Polizist:innen weg – aus Angst vor einem Bußgeld
Um acht Uhr wurde zuerst ein junger Mann kontrolliert. Messer, andere gefährliche Gegenstände oder Drogen? Fehlanzeige. Der Kontrollierte ging schnellen Schrittes weiter.
„Ich hab’s dir doch gesagt!“, sagte ein Mann zu seinem Freund, als auch sie von den Beamt:innen aufgefordert wurden, ihnen an den Rand des Vorplatzes zu folgen. Sie waren angetrunken und in Feierlaune, hatten aber nur Likör dabei.
Um halb Neun kam plötzlich Bewegung in die Polizeibeamt:innen. Ein Mann rannte vor den ihnen weg. Weit kam er jedoch nicht. Er wurde gestellt und unter dem Dach des Wärterhäuschens des Parkplatzes kontrolliert. Nach kurzer Zeit kam einer der Beamten grinsend zurück. „Der Mann hat wild gepinkelt und ist aus Angst vor einem Bußgeld weggelaufen“, erklärte er.
Die Kontrollen verliefen ruhig und unaufgeregt, Messer wurden keine gefunden
Also ging es erneut zurück auf den Bahnhofsvorplatz. Am Rand saß eine augenscheinlich wohnungslose Person, eingewickelt in eine warme Decke, den Kopf Richtung Boden gesenkt. „Mahlzeit, wie gehts dir?“, fragte ein Polizist den jungen Mann.
Er hatte zerzauste Haare, schien verunsichert und abwesend. „Wir suchen heute in erster Linie nach Messern“, sagte der Beamte und fragte den jungen Mann, ob er ein Messer dabeihabe. Der schüttelte zaghaft mit dem Kopf, blickte weiter nach unten.
Der Polizeibeamte sprach ihn weiter mit ruhiger Stimme an, stellte ihm Fragen, seine Kolleg:innen beäugten die Sachen, die der Mann dabei hatte. Aber auch hier wurden die Beamt:innen nicht fündig und gingen weiter.
Personengruppen lösten sich auf: Keine Einsätze im Bereich der Kampstraße
Eine halbe Stunde später ging es weiter – diesmal mit dem Auto. Es solle eine große Personengruppe an einem Kiosk an der Brückstraße kontrolliert werden, erklärte der Polizeipressesprecher. Unauffällig näherte sich das Zivilauto dem Ort. Und dann hieß es erst einmal warten.
Zehn Minuten vergingen und nichts passierte. Kurz später wurde mitgeteilt, die Personengruppe habe sich aufgelöst. Nächster Standort: Der Platz von Leeds. Auch hier wurde in erster Linie gewartet, einen Einsatz gab es schlussendlich nicht.
Um kurz vor Zehn sollte erneut eine große Personengruppe kontrolliert werden, am Platz von Amiens. Diesmal durfte außerhalb des Auto gewartet werden, allerdings nicht in Sichtweite, um kein Aufsehen zu erregen. Nach zwei Zigaretten wurde aber auch hier deutlich, dass es zu keinem Einsatz kommen würde.
Polizeipräsident Gregor Lange: „Messer (…) haben auf der Straße nichts zu suchen!“
Obgleich die ersten Stunden des Einsatzes ruhig verliefen, seien diese regelmäßigen Kontrollen als Baustein des Handlungs- und Maßnahmenkonzeptes zur Bekämpfung der Messerkriminalität in der Dortmunder Innenstadt von großer Notwendigkeit, äußerte Polizeipräsident Gregor Lange im Gespräch.
„Das was man mit Fäusten austrägt wenn es zu Konflikten kommt ist etwas völlig anderes, als wenn dann plötzlich ein Messer oder ein anderer gefährlicher Gegenstand zum Einsatz kommt“, sagte er und erklärte mit Nachdruck: „Messer bitte Zuhause lassen, das ist die absolute Botschaft, die haben auf der Straße nichts zu suchen!“
Neben Präventivmaßnahmen und hoher Polizeipräsenz gehört zu dem Konzept auch die Verfügung von Messertrageverboten. Dabei wird nach einer Einzelfallprüfung eine personifizierte Gefahrenprognose erstellt. Für drei Jahre wird der Person dann das Tragen von Messern und gefährlichen Gegenständen generell untersagt.
Individuelle Verbotsverfügungen sollen vor dem Tragen von Messern abschrecken
Polizeipräsident Lange informierte: „Wir überreichen die Verbotsverfügungen persönlich mit unseren Bezirksdienstbeamten um das mit einer Gefährderansprache zu verbinden. Und wir haben darüber auch die Gelegenheit zum Beispiel bei Erziehungsberechtigten Zuhause an der Tür zu klingeln und die in das Gespräch miteinzubeziehen.“
Bei Zuwiderhandlung wird zunächst eine Zahlung von 250 Euro Zwangsgeld fällig, beim zweiten Mal sind es bereits 500 Euro. Die Dortmunder Polizei zieht eine positive Bilanz: Zur Zeit hat sie 106 individuelle Verbotsverfügungen ausgesprochen.
In 9 Fällen wurden bereits Verstöße gegen das Messertrageverbot festgestellt und Zwangsgelder verhängt. In 26 Fällen haben Polizeibeamte Personen mit Verbotsverfügungen kontrolliert, die Personen trugen aber tatsächlich kein Messer bei sich.
Die Polizeibeamt:innen stellten insgesamt acht Messer oder verbotene Gegenstände sicher
Am Samstagmorgen hatten die eingesetzten Polizeibeamt:innen 450 Personen kontrolliert, 65 Platzverweise ausgesprochen, fünf Straf- und drei Ordnungswidrigkeitsanzeigen gestellt und zwei freiheitsentziehende Maßnahmen durchgeführt, darunter mindestens eine Abschiebung. Insgesamt wurden zehn Sicherstellungen vorgenommen, davon waren acht Messer oder verbotene Gegenstände.
Kritiker:innen bemängeln die verdachtsunabhängigen Kontrollmaßnahmen, denn sie griffen in die Persönlichkeitsrechte ein. Zudem kommt gerade im Zuge von Personenkontrollen die Frage auf, wer und wie kontrolliert wird und ob rassistisch geprägte Vorurteile dabei eine Rolle spielen.
Die „Präsenskonzeption Fokus“ der Dortmunder Polizei mit ihren vielfältigen Maßnahmen steht auch im Zusammenhang mit dem „Zehn-Punkte-Plan gegen Messergewalt“ der nordrhein-westfälischen Landesregierung.
Tatverdächtigte häufiger migrantisch und „jung, männlich und am Wochenende unterwegs“
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte in Hinblick auf eine neue Statistik, dass ausländische Tatverdächtige in Bezug auf Messergewalt dreimal so stark vertreten seien wie deren Anteil an der Bevölkerung – und damit überproportional. Er forderte, es müsse eine Debatte um die Täter geben, diese seien „jung, männlich und am Wochenende unterwegs“.
Auch am Dortmunder Hauptbahnhof fiel am Freitagabend auf: In erster Linie wurden Männer kontrolliert, vor allem, wenn sie zu mehreren in einer Gruppe unterwegs waren. Der Abend verlief ruhig, es herrschte eine entspannte Atmosphäre und ein freundlicher Umgangston.
Fest steht aber auch, dass dies eben nur ein klitzekleiner Bruchteil der beinah täglich stattfindenden Maßnahmen war und in Dortmund immer wieder Menschen mit und ohne Migrationshintergrund nach Personenkontrollen, die der Gewaltprävention dienen sollen, von gegenteiligen Erlebnissen berichten.
Weitere Informationen:
- Die Pressemitteilung der Polizei zum Einsatzgeschehen vom 15. auf den 16. November gibt es hier zu lesen: www.presseportal.de
- Informationen zum „Zehn-Punkte-Plan gegen Messergewalt“ der nordrhein-westfälischen Landesregierung finden sich hier: www.rp-online.de , www.im.nrw