Der Bedarf an neuen Kitas in Dortmund ist riesig. Obwohl neue Tageseinrichtungen für Kinder geplant und auch gebaut werden, kommt man vor allem in dicht besiedelten Gebieten wie in der Nordstadt nicht hinterher, den stetig wachsenden Bedarf zu befriedigen. Die Betreuungszahlen sind hier besonders schlecht. In diesem Zusammenhang verwundert – wenn auch nur auf den ersten Blick – der Streit über die neue Kita in der Florianstraße. Daran scheiden sich die (politischen) Geister.
Gewerbliche Investoren drängen auf den Dortmunder Kita-Markt
Worum geht es? In der letzten Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie sollte die Übernahme der Trägerschaft für die neue Kindertageseinrichtung an der Florianstraße (Stadtbezirk Innenstadt-Ost) beschlossen werden.
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Der Träger KitaConcept gGmbH beabsichtigt, eine fünfgruppige Tageseinrichtung für Kinder (TEK) mit 85 Plätzen gemeinsam mit dem Eigentümer Trinkaus Europa Immobilien-Fonds Dortmund an dem Standort Florianstraße 15 – 21 zu entwickeln. Der Bedarf für den Standort wurde seitens der örtlichen kommunalen Bedarfsplanung zum Ausbau von Betreuungsplätzen bestätigt.
Seit dem Jahr 2011 übernimmt die Stadt Dortmund als freiwillige Leistung den Eigenanteil für den Betrieb einer Kita, den ein Träger ansonsten nach dem Kinderbildungsgesetz NRW selbst aufzubringen oder zu erwirtschaften hätte. Das geschieht im Rahmen eines Investorenmodells, bei dem ein privater Bauträger eine Einrichtung errichtet und ein anerkannter Träger der Jugendhilfe den späteren Betrieb der Kita übernimmt.
Was anfangs wie ein ganz normaler Beschluss aussah, entwickelte sich zu einer heißen einstündigen Debatte, an deren Ende eine Sondersitzung heraus kam. Das Problem: Bereits im vergangenen Herbst hatte erstmalig ein privater Anbieter den Zuschlag bekommen. Schon damals wollte der Ausschuss dem Anbieter „Step Kids KiTas gGmbH“, hinter dem ein Konzern steht, den Zuschlag nicht erteilen. Da jedoch die Zeit drängte und die Plätze benötigt wurden, stimmte die PolitikerInnen zum Teil nur zähneknirschend zu.
Zuschüsse sollte Wohlfahrtsverbänden und Elterninitiativen helfen
Warum zähneknirschend? Die Regelung war 2011 in Absprache mit der freien Wohlfahrtspflege entwickelt worden. Dadurch sollten die Wohlfahrtsbände und auch Elterninitiativen in die Lage versetzt werden, die Trägerschaft für Kitas zu übernehmen. Hätten sie diesen selbst tragen müssen, hätte es zumeist finanziell überfordert.
Für die Stadt rechnete sich dies dennoch, weil die freien Träger dies insgesamt kostengünstiger anbieten konnten als der städtische Eigenbetrieb FABIDO. Nun aber kommen auch private Träger – also profitorientierte Unternehmen – und profitieren von der Regelung, weil auch sie auf Übernahme des Trägeranteils pochen.
Die Richtlinien müssten daher geändert werden. Doch passiert ist das bisher nicht. Auch die begonnene Diskussion – ausgelöst durch „Step-Kita“ im vergangenen Jahr – ist nicht beendet. Nun aber klopft „KitaConcept“ an, die die neue Einrichtung in der Florianstraße betreiben will.
„Wir können den Beschluss für die Richtlinien nicht einfach rückgängig machen, weil sonst die freien Träger keine neue Kitas betreiben würden. Wir müssen daher sehen, wie wir die Richtlinien so modernisieren können, dass Unternehmen auszuschließen sind“, skizziert Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Stefan Neuhaus das Problem. Die Grünen sorgen sich um eine Privatisierung im Bildungsbereich. Zumindest wolle man dieser durch Alimentierung keinen Vorschub leisten.
SPD will 100-prozentige Betriebskostenübernahme für neue Kitas überprüfen
„Wir stellen fest, dass dieses ausschließlich in Dortmund praktizierte, attraktive Modell verstärkt private Investoren anlockt, die von auswärts, teilweise aus dem Ausland kommen und jeweils eigene Betreiber mit im Boot haben“, stellt Friedhelm Sohn als Vorsitzender des zuständigen Kinder- und Jugendausschusses fest.
Martin Grohmann, der kinder- und jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion erläutert, dass nun am Beispiel der geplanten neuen Kita an der Forianstraße, die 50 Prozent der Plätze für eine Betriebskita vorhalten will, dieses System der vollen Betriebskostenübernahme überprüft und hinterfragt werden soll.
Dass Handlungsbedarf besteht, bezweifelt niemand in der SPD-Ratsfraktion und auch nicht bei den Dortmunder Trägern. „Die Hoffnung, dass bei der Kibiz-Reform des Landes eine auskömmliche Finanzierung herauskommt, die dieses praktizierte System entbehrlich macht, sei nicht sehr hoch“, so Grohmann abschließend. Deshalb wolle man nun die Initiative ergreifen.
„Es geht uns nicht um die Verhinderung eines „privaten“ Betreibers, der alle formellen Voraussetzungen erfüllt, sondern ausschließlich darum, neue Kriterien für diese freiwillige Leistung der Stadt zu finden.“
Linke und Piraten wollen eine Privatisierung generell verhindern
„Wir bleiben dabei. Wir lehnen kommerzielle Betreiber für Kitas generell ab. Denn wir lehnen es ab, dass mit unseren Allerkleinsten Geld verdient wird“, sagt Petra Tautorat, stellvertretende Vorsitzende und kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke & Piraten“, im Vorfeld der Sondersitzung des Ausschusses Kinder, Jugend und Familie am 28. Februar.
In dieser Sitzung steht ein neuer Betriebskindergarten im Mittelpunkt, der künftig an der Florianstraße durch die Wuppertaler KitaConcept gGmbH betrieben werden soll. „Dahinter stecken vier Ökonomen, die natürlich Geld verdienen wollen“, so Petra Tautorat. Doch es gehe in diesem Fall nicht ausschließlich um die möglichen Investoren und deren Gewinnmaximierung. Es geht auch um städtische Gelder.
„Diese Regelung war 2011 und in den ersten Jahren danach völlig in Ordnung“, sagt Petra Tautorat. „Damals ahnte keiner, dass zu den kommunalen und kirchlichen Einrichtungen oder zu den Trägern der freien Wohlfahrtverbände immer mehr kommerzielle Investoren und sogar Aktiengesellschaften kommen würden.“
CDU erstaunt: KitaConcept ist anerkannter und gemeinnütziger Träger
Der jugendpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Barrenbrügge, kann die Aufregung um den neuen Träger ganz und gar nicht verstehen, und auch nicht, warum man sich gegen die Einrichtung einer dringend notwendigen zusätzlichen Einrichtung derart sperrt.
„KitaConcept gGmbH ist zwar für Dortmund ein neuer Anbieter, aber ein anerkannter und gemeinnütziger Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII. Die Anerkennung erfolgte 2016 durch den Landschaftsverband Rheinland und enthält keine räumliche Begrenzung. Also ein Träger, der alle Auflagen erfüllt“, so Barrenbrügge.
Die Gesellschaft betreibt bereits erfolgreich 22 Tageseinrichtungen für Kinder in NRW und Hessen in unterschiedlichen Größen. „Warum sich sowohl SPD, die Grünen und auch die freien Träger derart gegen diese Einrichtung wehren und aussprechen und eigens eine Sondersitzung dafür angesetzt wird, erschließt sich mir nicht“, äußert Barrenbrügge seine Verwunderung.
Die 85 Plätze, die die neue TEK im nächsten Kindergartenjahr anbieten würde, würden dringend benötigt. „Jetzt hier auf die Bremse zu treten, ist gegen jede Vernunft und stößt 85 Familien vor den Kopf“, so der CDU-Politiker. „KitaConcept ist ein renommierter Kita-Betreiber, der durch seinen bisherigen Erfahrungsschatz in der Kinderbetreuung sicher dazu beitragen wird, dass die Betreuungslandschaft bei über 300 Kindergärten in Dortmund um einen Anbieter reicher wird.“
Wir sind im Jahr 2019 in Dortmund nicht in einer Situation, wo wir aus einer Vielzahl von Betreibern den angenehmsten auswählen können. Dieser Träger hat einen legalen Anspruch darauf, diese Kita zu betreiben und wir unterstützen das“, so Barrenbrügge abschließend.
Linke & Piraten: „Keine All-Inclusive-Pakete für kommerzielle Kita-Betreiber“
Seitdem die Nachfrage nach Kitas und Kita-Plätzen aber regelrecht explodierte, entdecken immer mehr private Anbieter diesen boomenden Markt für sich. Nicht uninteressant ist für diese Betreiber natürlich die Dortmunder Großzügigkeit, die laufenden Kosten vollständig zu übernehmen.
„Es kann nur eine Lösung eben“, sagt Petra Tautorat. „Der alte Ratsbeschluss aus dem Jahr 2011 muss schnellstens geändert werden. Die Kosten für die bewährten und zuverlässigen Partner von Elterninitiativen, FABIDO, Vereinen, Kirchen oder Wohlfahrtverbänden sollen gerne weiterhin übernommen werden. Aber es darf kein pauschales All-Inclusive-Paket für gewinnorientierte Träger mehr geben.“
Kommerz habe in Kitas nichts zu suchen und sei mit frühkindlicher Bildung und Erziehung nicht zu vereinbaren. Zudem stellt sich für Linke und Piraten die Frage, wie private Träger ihren Profit erzielen: „Mit schlechten Löhnen bei den Erzieherinnen? Mit weniger Personal? Oder mit höheren Kita-Gebühren? Und das alles, während die öffentliche Hand den laufenden Betrieb aus Steuereinnahmen bezahlt und dadurch den Gewinn noch maximiert? Nicht mit uns“, zeigt sich Tautorat entschlossen.
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Nordstadtblogger
Grünes Licht für neue private Kita in der Florianstraße – Streit im Umgang mit privaten Investitionen
Der Kinder- und Jugendausschuss des Stadtrates hat in seiner Sondersitzung am 28. Februar den Bau einer neuen privaten Kita in der Florianstraße bewilligt. Zuvor hatte es eine längere Debatte über den Umgang mit privaten Investoren und öffentlichen Trägern gegeben. So enthielten sich bei der Beschlussfassung auch einige Mitglieder der Fraktion Die Linken/Piraten und VertreterInnen der Wohlfahrtsverbände übten Kritik.
Sie wollen die Änderung eines Beschlusses von 2011 durchsetzen, der die Eigenanteil-Kosten von Trägern neuer Einrichtungen auf die Stadt überträgt. Damals sei man laut der Fraktion von gemeinnützigen und nicht von privaten Investitionen ausgegangen. Aus diesem Grund müsste der Beschluss überarbeitet werden.
Die Fraktion fordert, die Kostenübernahme nur noch für städtische, kirchliche oder Träger der Wohlfahrtsverbände sowie Elterninitiativen zu garantieren und in allen anderen Fällen individuell zu prüfen. Wann und ob die Beschlussänderung im Stadtrat behandelt wird, ist noch nicht klar.
Die neue Kita in der Florianstraße soll 2020 öffnen. Die Hälfte der Plätze wird nicht privat betrieben und durch die Stadt Dortmund gefördert. Insgesamt wird die Kita rund 80 Kinder beherbergen können.