Der US-Konzern Caterpillar hat verkündet, dass er sein Werk in Dortmund-Dorstfeld schließen will. Doch weder die Belegschaft, IG Metall, noch weite Teile der Dortmunder Politik wollen sich mit der Entscheidung abfinden. Denn das Werk ist profitabel, die Belegschaft hochqualifiziert. Daher wurden jetzt im Stadtrat Möglichkeiten diskutiert, wie das traditionsreiche Bagger-Werk gerettet werden könnte. Oder neue Investoren für den Industriestandort zu finden wären, um die Arbeitsplätze zu sichern.
Fraktionen im Stadtrat bemühen sich um Erhalt des Industriestandorts Dorstfeld
Im März schockte das Unternehmen die Belegschaften und die Politik vor Ort, als sie das Aus für die Standorte in Dortmund, Lünen und Wuppertal verkündet. Betroffen sind immerhin an die 1.100 Arbeitsplätze, davon 620 in Dorstfeld.
Während das Geschäft für den Untertage-Bergbau in Lünen und Wuppertal seit Jahren kriselt und mehrfach schon Personal abgebaut wurde, kam die Meldung vom Ende für die Produktion von Großbaggern in Dortmund völlig überraschend. Das Werk ist profitabel, das Unternehmen hat jüngst noch ein Investitionsprogramm für Dorstfeld gestartet. Doch nun soll nur noch in Indonesien produziert werden – das sei näher am Markt.
Im Dringlichkeitsausschuss, der am Donnerstag, 14. Mai, stellvertretend für den Stadtrat zusammentrat, lagen zwei Anträge vor, die sich mit dem Thema befassten. Die Fraktionen SPD, Grüne und Linke & Piraten wollten über den Rat und in der Annahme, dass die Bemühungen um einen Erhalt der Produktion am bisherigen Standort in Dortmund-Dorstfeld gescheitert sind, Caterpillar auffordern, einen Sozialplan für die frei werdenden Mitarbeiter*innen zu entwickeln.
Dem kann sich die CDU durchaus anschließen, doch gehen die Meinungen in der Frage auseinander, wer denn nun damit beauftragt werden soll, die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Während die einen die Verwaltung damit betrauen wollen, „sich um den grundsätzlichen Erhalt des Industriestandorts Dorstfeld zu bemühen“, möchten die Christdemokraten die Wirtschaftsförderung in die Pflicht nehmen, „Unternehmen für eine branchenverwandte Folgenutzung … zu akquirieren“.
Keine großen Hoffnungen in Dortmund, dass der US-Konzern seine Entscheidung überdenkt
Letzteres stößt auf Verwunderung. Sie hielten ja viel von der Wirtschaftsförderung, bemerkt Ulrich Langhorst von Bündnis 90/Die Grünen – aber gleich der Auftrag nach Akquisition eines Unternehmens? Jendrik Suck für die CDU hingegen sieht mehr Zielgerichtetheit in der Formulierung seiner Partei.
Schließlich, heißt es in dem Papier, ist das „Qualifikationsniveau“ der Mitarbeiter*innen hoch, es gäbe „funktionierende Lieferantennetzwerke und eine gute Verkehrsanbindung“. Daher passte Branchenverwandtschaft. Ja, und der Wirtschaftsförderung traue man alles zu, so der CDU-Sprecher.
Deutlich wird mit solchen Bemühungen um eine Nachfolge des US-Großmaschinenherstellers aber vor allem: die Hoffnungen der Stadt, Caterpillar doch von einem Verbleib in Dortmund-Dorstfeld überzeugen zu können, schwinden langsam dahin.
Soziale Marktwirtschaft keine Garantie dafür, dass Unternehmensentscheidungen richtig sind
So hatte Oberbürgermeister Ullrich Sierau in einem Brief vom 6. April an den Vorstand des Konzerns darum geworben, die Entscheidung zu den Werksschließungen noch einmal zu überdenken – unter anderem mit ausdrücklichem Verweis auf den in Dortmund vollzogenen Strukturwandel hin zu einer Verankerung von Wissenschaft und Technologie in der Region.
Darauf sei keine direkte Antwort eingegangen, so Sierau gestern während der Dringlichkeitssitzung. Als Antwort über Bande habe aber die IG Metall mitgeteilt, dass die Entscheidung gefallen sei (Nordstadtblogger berichtete). Die Gründe dafür werden in der Stadt nun mitnichten in etwaigen Effizienzdefiziten der Dortmunder Niederlassung gesehen. Entgegen anderen Standorte sei die nämlich ökonomisch profitabel, weiß Sierau: „Die Zahlen sprechen nicht für eine Schließung.“
Die Entscheidung sei vielmehr rein strategisch zu verstehen, die keine nachhaltigen Aspekte beinhalteten, die ein Unternehmen aber gleichermaßen bräuchte und berücksichtigen müsse. Soziale Marktwirtschaft sei eben keine Garantie dafür, dass „Unternehmensentscheidungen auch richtig sind“.
Caterpillar möchte nur noch an einem Standort weltweit Großhydraulikbagger bauen
Großhydraulikbagger für den Tagebau produziert Caterpillar gegenwärtig in Dortmund und Indonesien; Ersatzteile gibt es zudem aus Illinois. Es ginge den Verantwortlichen in den USA vielmehr darum, erläutert Westphal, wie viel wo abgesetzt würde und aus welcher Struktur heraus.
Und hier wolle das Unternehmen eben nur noch einen Standort – und jetzt ein Jahr drüber nachdenken, wie das realisiert werden könne. Doch daran sei auch zu erkennen, „dass es sich weiterhin lohnt, dass diese Entscheidung nicht endgültig ist“, möchte Westphal nicht jede Hoffnung aufgeben. Denn noch wisse Caterpillar nicht, ob die Zentralisierung in Indonesien gelingen könnte.
OB Sierau warnt daher: Es sollten nun keine voreiligen Beschlüsse gefasst und über mögliche Alternativen für die Flächennutzung entschieden, sondern jetzt müsse zunächst gekämpft werden: „gemeinsam mit Gewerkschaften, IHK, Minister etc., um doch Teile der Produktion hier zu halten“. Dann könne man sicherlich auch einen weiteren Anlauf Richtung Caterpillar nehmen, um „deutlich machen, dass mehr als ein Standort auch sinnvoll sein kann“. Was die Stadt auf keinen Fall wolle: eine Brachfläche in Dorstfeld. Ansonsten müssten Übergänge organisiert werden.
Liberale und AfD sehen in dem Vorgang eher ein typisches Marktgeschehen
Schwierigkeiten mit einer Resolution in den beiden eingebrachten Fassungen hätte eh die FDP gehabt. „Wir bewegen uns in einer sozialen Marktwirtschaft und die hat ihre Regeln“, bedeutet deren Sprecher Lars Rettstadt. Wenn Caterpillar nun die Produktion nach Indonesien verlagert, dann sei das zwar nicht nachvollziehbar – aber dann sei das eben so. Keine schöne Nachricht für die Belegschaft, schlimm, aber auch eine Chance.
Die AfD stößt in eine ähnliche Kerbe: alles ist gleichsam ein normaler Marktvorgang. Obwohl die Corona-Krise so etwas wie der Sargnagel des Neoliberalismus ist, weil ohne staatliche Hilfen gar nichts mehr geht, scheinen davon unbeeindruckt einige weiterhin von der exklusiven Regulierungsfähigkeit des Marktes überzeugt zu sein.
Sprecher Andreas Urbanek sieht seitens der US-Amerikaner durchaus eine rationale Entscheidung am Werk. Man habe in Deutschland die höchsten Steuer- und Abgabenlasten sowie Energiekosten, mit denen man an der Spitze läge. Solche Faktoren spielten eine Rolle. „Wir haben im Wettbewerb und bei den Standortvorteilen nicht mehr den Ruf, den wir früher einmal hatten.“
Dies jedoch konnte die Stadtspitze so nicht stehen lassen. Denn das Großbagger-Werk und seine Produktion in Dortmund seien ja profitabel, das US-Unternehmen mit dem Produkt und dem Standort ja erfolgreich, betont Wirtschaftsförderer Thomas Westphal: mithin die angekündigte Schließung eine Entscheidung „gegen die betriebswirtschaftliche Lage“, die sich hochprofitabel und innovativ ausnehme.
Und rät: Gerade in Zeiten von Corona sollten sich Konzerne Gedanken machen, ob sie die gesamte Produktion weltweit auf einen Standort konzentrieren wollten – die Erfahrungen mit der aktuellen Pandemie, dem Abreißen von weltweiten Lieferketten und dem Shutdown ganzer Volkswirtschaften und Märkte sprächen dagegen, erfolgreich agierende Standorte zu schließen, um sie in einem Land zu zentralisieren. Der Tenor daher – unter anderem von Ulrich Langhorst: „Die letzte Messe ist noch nicht gelesen!“
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Carsten Klink
2016 hatte im Rat der Stadt Dortmund die neoliberale Einheitspartei aus SPD und CDU zusammen mit ihren beiden Blockparteien FDP und Grüne samt der marktradikalen AfD den Bossen von Caterpillar mit einer Straßenumbenennung noch schön den Hintern gepudert. Nur die Linksfraktion hatte sich im Rat verweigert.
Zeitgleich wurde 2016 das belgische Caterpillar-Werk in Gosselies mit über 2.000 Beschäftigten platt gemacht, obwohl dort 2015 vier Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet wurden. Durch ebenfalls betroffene Zulieferer rechnete man mit bis zu 7.000 Arbeitslosen. Schon damals war das Verhalten von SPD, CDU, FDP, Grünen und der beigen AfD zutiefst unsolidarisch.
Dass die Wirtschaftsextremisten der FDP in dem rücksichtslosen Gebaren der Caterpillar-Bosse nur ein typisches Marktgeschehen erblicken, verwundert nicht. Interessant ist aber, dass sich die doch so nationale AfD in Wirtschaftsfragen offensichtlich nicht tapfer an die Seite der deutschen Arbeiter*innen stellt, sondern an die Seite des fremdländischen, us-amerikanischen Profitmaximierers.
Im Übrigen ist auch die wirtschaftliche Begründung der AfD falsch. Nicht die „Steuer- und Abgabenlasten sowie die Energiekosten“ sind zu hoch oder gar wie im neoliberalen Lager ja immer wieder behauptet die Lohnkosten. Zu hoch sind schlicht und einfach die Kapitalkosten des Unternehmens für die, die dicken Dividenden abgreifenden Kapitaleigner von Caterpillar.
Früher, als bei Gewerkschafter*innen und selbst SPD-Mitgliedern noch Begriffe wie Ausbeuter und Kapitalisten zum Wortschatz gehörten, hätte man gerade bei wirtschaftlich gesunden Firmen vermutlich eine Lösung in drei Schritten gefordert: Bestreiken, besetzen, enteignen!