Von Karsten Wickern
Im Alter von 31 Jahren wurde der Franzose Abbé Pierre Carpentier von den Nazis in Dortmund getötet. Feindbegünstigung, Spionage, deutschfeindliche Aussagen, Untergrundpresse und das Verstecken Untergetauchter lauteten die Vorwürfen gegen den Pfarrer und Pfadfinder-Seelsorger. Gemeinsam haben PfadfinderInnen aus Dortmund, Bochum und dem französischen Abbeville an den Widerstandskämpfer in Dortmund erinnert.
Für den Widerstand gegen Adolf Hitler ließ der französische Pfarrer sein Leben
Bereits in frühen Jahren schloss sich Abbé Pierre Carpentier der Scoutbewegung an. Er studierte Medizin in Amiens, doch ließ sich im Jahr 1938 zum Priester weihen. Als Pfadfinder Geistlicher schloss Carpentier sich der französischen Widerstandsbewegung gegen Hitlerdeutschland an. Als Wiederständler half er dabei, alliierte Fallschirmspringer und Piloten außer Landes zu bringen.
Nachdem Verrat der Widerstandsgruppe wurde Carpentier im Dezember 1941 durch die Gestapo festgenommen. Nach Folter und Deportation über Lille und Brüssel kam er im Sommer 1942 in Bochum an. Ein knappes Jahr später wurde ihm sein Todesurteil verhängt. Daraufhin wurde er in das Dortmunder Gefängnis „Lübecker Hof” verlegt. Dort starb Abbé Pierre Carpentier am 30. Juni 1943 um 19.15 Uhr unter der Guillotine. Auch sein Zellengenosse Désiré Didry und weitere Politische Gefangene wurden hingerichtet.
All das hat Alfons Zimmer über Carpentier recherchiert. Der Pastoralreferent in der Justizvollzugsanstalt Bochum wirft auch die Frage auf, warum das Schicksal von Carpentier in Deutschland nirgends Erwähnung findet. So habe bisher keine Zeitung drüber berichtet und auch habe sich keine deutsche Pfadfindergruppe nach ihm benannt.
Begegnungen der Erinnerung in Bochum und Dortmund
Ganz anders ist es in Carpentiers französischen Heimat. Dort gibt es Gedenkorte und auch Pfadfinderguppen, die sich nach dem Widerstandskämpfer benannt haben. So auch die PfadfinderInnen Gruppe aus Abbeville.
75 Jahre nach seinem Tod sind die Jugendlichen den Spuren von Carpentier in Deutschland drei Tage lang gefolgt. Dabei sind sie in den Austausch mit PfadfinderInnen aus Bochum und Dortmund getreten.
Initiiert wurde der Besuch durch den Pfarrer i.R. Wilfried Göddeke. Er engagiert sich bereits seit Jahrzehnten für die deutsch–französische Aussöhnung und Freundschaft. Im August 2018 erhielt er dafür den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.
Ihren Abschluss fand die Begegnung der PfadfinderInnen mit einer Gedenkveranstaltung vor dem Dortmunder Gefängnis. Dort erinnert eine Gedenktafel an die Opfer der „Willkürjustiz“. Die TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung sprachen sich klar für den Erhalt des Friedens aus. „Wir müssen natürlich aufs schärfste kritisieren was passiert und dürfen nicht vergessen, dass wir einen Persönlichenbereich haben wo wir für Frieden sorgen müssen“, sagt Emmanuel Trancart, Leiter der PfadfinderInnen Gruppe von Abbeville.
Gedenken an Menschen als zentraler Punkt der Erinnerungsarbeit
Carpentier habe ein Zeugnis der Opferbereitschaft hinterlassen. Tarncart beschäftigt stellt die Frage: „Was hätte ich gemacht wenn ich in den 20ger Jahren geboren worden wäre? Hätte ich mich verhalten wie Abbé Pierre Carpentier oder hätte ich mich angepasst?“ Er selbst ist sich da nicht sicher.
„Wir dürfen die Menschen die eingetreten sind, sogar mit ihrem Leben, für ihre Überzeugungen, ihre Botschaft, dass jeder Mensch angenommen ist und das es keine Ausgrenzung geben darf, niemals vergessen“, sagt Nordstadt-Pfarrer Ansgar Schocke von der katholischen Stadtkirche Dortmund.
Auch die BotschafterInnen der Erinnerung wollen die Erinnerung weiterführen: „Das Gedenken an einen Menschen und sein Leben soll ein zentraler Punkt unserer Erinnerungsarbeit sein“, sagt Fabian Karstens, einer der Botschafter der Erinnerung. Die vom Jugendring ins Leben gerufene Gruppe beschäftigt sich aktiv mit der Erinnerungsarbeit.
Die Jugendlichen BotschafterInnen unternehmen Gedenkstättenfahrten, sprechen mit Zeitzeugen und gestallten Gedenkveranstaltungen. „Wir tragen keine Schuld, aber wir haben eine Verantwortung, dass solche taten wie die der Nazis nicht wieder passieren. Entscheidend dafür ist eine lebendige Erinnerungskultur. Lasst uns gemeinsam Zweitzeugen werden“, betont Karstens.
Klare Botschaft: Der Dortmunder Naziszene gemeinsam entgegentreten
Eine der Gedenkveranstaltungen, die von der Gruppe organisiert wird, ist das Karfreitags-Gedenken in der Bittermark. Die BotschafterInnen laden die PfadfinderInnen dazu ein, die nächste Karfreitags-Veranstaltung mitzugestalten.
„In Dortmund haben wir eine Nazi Szene die nicht klein ist … es gilt diesen Leuten entgegen zu treten. Ich finde es wunderbar, dass junge Pfadfinder aus Dortmund und Abbeville versuchen sich zu erinnern um diese Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren“, betont Ansgar Schocke.
Carpentier habe uns ein Zeugnis für unsere Zeit hinterlassen, dass wir in Zeiten in denen wir wieder Mengen der Gewalt erleben, nicht aufgeben uns dem entgegenzustellen, meint Emmanuel Trancart.
Mehr als 300 Frauen und Männer wurden zwischen von Mai 1943 bis Anfang 1945 im Dortmunder Gefängnis hingerichtet. Viele von ihnen waren WiderstandskämpferInnen. Unter ihnen waren 80 Belgier und über 20 Franzosen.
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Dieter Knippschild
Das Dortmunder Gerichtsgefängnis gehörte zeitweilig (20.5.1943 bis 5.1.1945) zu den zentralen Richtstätten des Deutschen Reiches (Vollstreckungsbezirk VII – Frankfurt/M. – Preungesheim, Köln „Klingelpütz“ und Dortmund „Lübecker Hof“). Lt. Lit. wurden in Dortmund während der NS-Zeit 305 in dieser Richtstätte enthauptet. Dortmund war auch als Richtstätte für die Nacht- und Nebelgefangenen (NN-Gefangene) aus Belgien und Nordfrankreich/Pas de Calais vorgesehen. Weitere Informationen sind in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache im Abschnitt „die Willkürjustiz und ihre Opfer“ seit 1992 (jetzt noch) zu sehen. Dort sind auch ca. 70 Fotos von Opfer zu sehen (darunter auch Carpentier).
Am 18.10. fand übrigens in Aarschot/Belgien eine Gedenkveranstaltung für den belgischen Widerständler Jozef Raskin (kath. Geistlicher, belgischer Offizier, zeitweiliger Beichtvater des belgischen Königs) statt. Unser OB, der vom Organisationskomitee eingeladen worden war, hat als Vertreter den Leiter des Stadtarchiv dort hingesandt, der dort auch eine Ansprache gehalten hat (s. https://www.youtube.com/watch?v=6JC5RyRYepM. – Fotos auf der WEB-Seite http://herinneringmemoire.be/verslagen/Aarschot/Raskin-2018/index.htm).