Der von der schwarzgelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Gesetzentwurf zum Polizeirecht sorgt für Kontroversen. Er soll es unter anderem möglich machen, Menschen auch ohne konkreten Verdacht anzuhalten und zu durchsuchen, sie bis zu einem Monat in Präventivgewahrsam zu nehmen oder mit Hausarrest zu belegen. Das sogenannte „Sicherheitspaket I“ ist mit solch repressiven Elementen durchsetzt und sollte ursprünglich noch vor Beginn der Sommerpause des Landtages im Juli verabschiedet werden. Doch nachdem sich immer mehr Widerstand und Protest Bahn bricht, ist die Entscheidung nun bis September aufgeschoben worden. Das Kabinett um Ministerpräsident Laschet folgt dem Beispiel Bayerns. Hier hat die CSU-Landesregierung es trotz massiver Proteste aus der Bevölkerung durchgesetzt, dass Personen bei Verdacht sogar bis zu drei Monate festgehalten werden dürfen.
Fußfesseln, Abhörtechniken, Elektroschocker und Trojaner sollen zum neuen Instrumentarium der Polizei gehören
Das neue Gesetz sieht außerdem vor, Fußfesseln zur Kontrolle von sogenannten „Gefährdern“ einzusetzen. Zudem soll die Polizei Smartphones hacken und Trojaner einschleusen können, um Messenger-Nachrichten, zum Beispiel in WhatsApp mitzulesen, Profile und private Daten auszulesen. Dies gilt nicht nur für die vermeintlich verdächtigen Personen selbst, sondern auch für deren soziales Umfeld.
Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum soll ausgeweitet und die Beamtinnen mit Elektroschockgeräten ausgerüstet werden. Durch schwammige, abstrakte Formulierungen wie „drohende Gefahr“ bleibt den Beamtinnen sehr viel Spielraum. Die ungenaue Definition macht die BürgerInnen quasi zu potenziellen Opfern polizeilicher Willkür.
Dass die Landesregierung damit unbescholtene BürgerInnen zu potentiellen Kriminellen degradiert und immer noch keinerlei Zugang zu den Strukturen organisierten Verbrechens erreicht, wird zugunsten der öffentlichen Sicherheit aus Staatsperspektive und zum Aufpolieren des spätestens nach der Silvesternacht 2015/16 in Köln stark ramponierten Images der Polizei unter den Tisch gekehrt.
Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“ ruft zur Massendemonstration vorm Landtag auf
Frei nach französischem Vorbild werden demokratische Grundsätze vor dem Hintergrund des religiös motivierten Terrors abgeschafft und beschnitten und die nationalistischen, in ihrem Eifer der Empörung blinden PatriotInnen, applaudieren auch noch dem Untergang der Werte, die Generationen zuvor hart erkämpft haben.
Die Oppositionsparteien und die Zivilgesellschaft in NRW begehren gegen das neue Polizeigesetz auf. Auch in Dortmund. Um sich Gehör zu verschaffen und gegen das Gesetz Stellung zu beziehen, haben sich die Landesverbände der Oppositionsparteien und unzählige zivilgesellschaftliche Institutionen im Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“ zusammengeschlossen und rufen zu einer breit getragenen Großdemonstration am 7. Juli 2018 vor dem Landtag in Düsseldorf auf.
„Das geplante Gesetz täuscht mehr Sicherheit nur vor, mehr Sicherheit schaffen wird es nicht. Für diese reine Symbolpolitik greifen CDU und FDP aber drastisch in die Grundrechte der Menschen in NRW ein. Mit dem neuen Begriff der ,drohenden Gefahr‘ wird die Unschuldsvermutung ausgehebelt. Es reicht zukünftig aus, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, um Opfer der verschärften polizeilichen Maßnahmen zu werden“, so Johannes Rehborn. Der Sprecher der Dortmunder Grünen betont, dass er Teile des neuen Gesetzes für verfassungwidrig oder zumindest verfassungsrechtlich bedenklich halte.
Opposition hält Novellierung des Polizeigesetzes für „verfassungsrechtlich bedenklich“
Dem schließt sich der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW, Hartmut Ganzke, an: „Der Gesetzentwurf der Landesregierung insbesondere im Hinblick auf den neuen Begriff der „drohenden Gefahr“ und die Ausdehnung der Möglichkeiten zur präventiven Ingewahrsamnahme haben bei diversen Sachverständigen große, verfassungsrechtliche Bedenken ausgelöst.“
Deshalb dürfe dieser Gesetzentwurf auch nicht im Eiltempo durch den Landtag gepeitscht werden, sondern es sei eine sorgfältige Beratung und eine verfassungskonforme Anpassung notwendig. „Wir fordern Innenminister Herbert Reul dazu auf, die entsprechenden Ergebnisse der Sachverständigenanhörung im Innenausschuss nicht zu ignorieren“, so Ganzke weiter.
Man brauche ein Gesetz, dass die Sicherheit im Land verbessere aber keine Unsicherheit schaffe. Die Beamtinnen dürften nicht mit einem Gesetz auf Streife geschickt werden, dass gegen die Grundrechte der Verfassung verstoße, denn letztendlich müssten sie dafür den Kopf hinhalten.
Linke befürchten verstärkte Konzentration auf Randgruppen der Gesellschaft
Auch die Linken kritisieren das „Sicherheitspaket I“ vehement und mobilisieren zur Großdemonstration nach Düsseldorf. Eins müsse allen BürgerInnen klar sein, nämlich die Tatsache, dass manche Menschen früher und härter von der Gesetzesänderung betroffen seien, als andere. Sie befürchten eine rigorose Verdächtigung und Verfolgung von Menschen, die irgendwie keinen Platz im vorgegebenen Raster der Gesellschaft finden.
„Wohnungslose, psychisch Kranke, politisch Aktive, Streikende, Fußballfans und viele andere werden die Maßnahmen verstärkt zu spüren bekommen“, so ein Statement des Jugendverbandes der Linkspartei in Dortmund. Durch den im Gesetz vorgesehenen Ausbau von strategischen Fahndungen, befürchten sie die Zunahme von „Racial Profiling“-Kontrollen bei Menschen anderer Hautfarbe und Herkunft.
Das Gesetz habe keinen Bestand, da es die Ursachen für Terrorismus und Kriminalität nicht bekämpfe. Aus diesem Grund fordert die Linksjugend in Dortmund eine Ausweitung der sozialen Absicherung der Polizeibeamtinnen, eine Aufstockung des Personalstammes und mehr bezahlbaren Wohnraum, damit Menschen gar nicht erst in die Versuchung kämen, kriminell zu werden.
Breite zivilgesellschaftliche Front schließt sich dem Kampf der Opposition an
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist ebenfalls Teil des „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“-Bündnisses. „Statt die Polizei mit dringend notwendigem Personal auszustatten, sollen Polizisten mit Aufgaben betraut werden, die bisher dem Verfassungsschutz vorbehalten sind. Mit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen sollen demokratische, freiheitliche Grundrechte wie das Demonstrations- und Persönlichkeitsrechte eingeschränkt werden,“ so der Vorsitzende des ver.di Landesbezirksvorstandes Andre auf der Heiden.
Die Landesregierung versuche durch Überwachung und Sanktionen, demokratische, freiheitliche Grundrechte einzuschränken. Auch ver.di hält den Gesetzentwurf für verfassungswidrig.
Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt stellt klar: „Die verfassungsrechtlich garantierten Freiheits- und Persönlichkeitsrechte dürfen nie wieder infrage gestellt oder behindert werden.“
Als zivilgesellschaftlicher Vertreter macht sich beispielsweise die Fanhilfe Dortmund, Gedanken über die Auswirkungen der Ausweitung des Polizeiaufgabengesetzes. Auch sie setzen ihre Hoffnung auf die große Demonstration vor dem Düsseldorfer Landtag am 7. Juli. Sie befürchten, zu den ersten zu gehören, die die neuen Befugnisse der Polizei zu spüren bekommen könnten.
Trotz sinkender Kriminalitätsrate mehr Befugnisse für die Polizei
„Daher ist es gerade an uns Fußballfans, ein deutliches Zeichen gegen dieses Gesetzesvorhaben zu setzen, das perfiderweise noch schnell vor Beginn der Sommerpause des Landesparlamentes verabschiedet werden soll. So soll die breite Öffentlichkeit im Jubel um die Fußball-WM nicht mitbekommen, wenn Freiheits- und Persönlichkeitsrechte nachhaltig eingeschränkt werden“, heisst es in einer Stellungnahme der Fanhilfe Dortmund.
Das Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“ bemängelt weiter, dass keine klare Trennung mehr zwischen polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit gegeben sei. Es sieht die Gewaltenteilung des Rechtssystems bedroht. „2017 hatte Deutschland die niedrigste Kriminalitätsrate seit einem Vierteljahrhundert.
Trotzdem werden derzeit in mehreren Bundesländern die Polizeigesetze verschärft. Den Landesregierungen reichen vage Terrorängste und ein diffuses Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung als Rechtfertigung. Das ist der Weg in den Polizei-Überwachungsstaat“,bezieht das Bündnis Stellung.
Die Politik, die gerne betont, dass mit Terroristen nicht verhandelt werde und man diesbezüglich keine Kompromisse eingehe, spielt dem Terror in die Karten, wenn sie anfängt, die Demokratie zu demontieren. Und sie bringt die Polizei in eine unbequeme gesellschaftliche Schieflage. Natürlich dürfen sich Vorfälle wie der in der Silvesternacht 2015/16 in Köln nicht wiederholen aber die Mittel um die Stärke des Staates zu demonstrieren sind im neuen Polizeiaufgabengesetz schlicht und einfach falsch gewählt, da sie demokratische Prinzipien unterwandern und gewisse Personengruppen unter Generalverdacht stellen.
Das Vertrauern der Bevölkerung in die Polizei ist von unermesslichem Stellenwert
Die Landesregierungen Bayerns und NRWs verfolgen dieselben Ziele doch das „Sicherheitspaket I“ findet bei der Polizei völlig unterschiedlichen Anklang.
„Wir begrüßen außerordentlich das heute von Innenminister Herbert Reul vorgestellte „Sicherheitspaket I“ der Landesregierung mit einem neuen Polizeigesetz als ersten wichtigen Schritt zur Stärkung der Inneren Sicherheit in NRW“, so Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW.
„Innere Sicherheit, die erforderlichen Gesetze und Ermächtigungen damit wir als Polizei unsere Arbeit effektiver gestalten können, wurde in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt.“
Während die Gewerkschaft der Polizei in NRW die Gesetzesvorlage begrüßt und sich über die erweiterten Befugnisse freut, hat die bayrische Gewerkschaft sich klar gegen das „Sicherheitspaket I“ ausgesprochen und triftige Gründe für ihre Position angeführt.
Das Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“ hat klare Forderungen
Um das angeschlagene Image der Polizei aufzuwerten sei das Vertrauen der Bevölkerung in die BeamtInnen von unermesslichem Stellenwert. Die Gesetztesverschärfung bewirke das Gegenteil und täusche Sicherheit lediglich vor. Durch eine Großdemonstration in München am 21. Juni 2018 mit zehntausenden TeilnehmerInnen, sieht es im Moment danach aus, als müsse auch das bayrische Modell schließlich doch noch ein verfassungsrechtliches Prüfverfahren durchlaufen.
Darüber hinaus müssen sich die Verantwortlichen in Bayern und Nordrhein-Westfalen die Frage gefallen lassen, wozu Ende Mai 2018 eine bundesweite Datenschutzgrundverordnung eingeführt wurde, wenn es nun möglich werden soll, Telefongespräche abzuhören und Chatverläufe, Profile und private Daten einsehen zu können. Datenschützer bundesweit schlagen diesbezüglich Alarm. Es ist also noch nicht das letzte Wort zum „Sicherheitspaket I“ gefallen. Doch wie es weitergeht, wird sich dann wohl erst im Herbst entscheiden.
Das Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz NRW“ wird seine klaren Forderungen, der Landtag solle den Gesetzentwurf nicht verabschieden und für eine transparente Information der BürgerInnen eintreten, am 7. Juli 2018 vor dem Düsseldorfer Landtag formulieren und hofft auf rege Beteiligung der Bürger und BürgerInnen in Nordrhein-Westfalen.
Weitere Informationen:
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linksjugend [’solid] Dortmund
Informationsveranstaltung „Nein zum Polizeigesetz in NRW“
Am Donnerstag den 28. Juni lädt die linksjugend [’solid] Dortmund um
19 Uhr zur Informationsveranstaltung „Nein zum Polizeigesetz in NRW“
im LINKE-Büro in der Schwanenstraße 30 ein. Wir wollen diskutieren: Was
ist das neue Polizeigesetz in NRW? Wieso betrifft es jede/n von uns und
wie können wir uns dagegen wehren?