In Deutschland haben sich im vergangenen Jahr etwa 100.000 Frauen entschieden, ihre Schwangerschaft abzubrechen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Entscheidung für einen Abbruch wird in Deutschland aber immer schwieriger. Darauf weist das Soziale Zentrum Dortmund hin. Dies belegen einige einfache Zahlen. Das Statistische Bundesamt verzeichnete im Jahr 2003 noch etwa 2050 Meldestellen, also Praxen und Kliniken, die den Eingriff durchführen. Ende 2020 waren es nur noch 1109 Stellen. Die Tendenz geht weiterhin abwärts.
Unterschiede in der Versorgung zwischen Stadt und Land
Allein in Dortmund wurden im Jahr 2021 genau 1289 Schwangerschaftskonfliktberatungen verzeichnet, wie das Soziale Zentrum jetzt im Rahmen eines Vortrags recherchiert hat. Die Zahl der Gynäkologinnen, die in Dortmund den Schwangerschaftsabbruch durchführen ist mittlerweile auf ein Minimum gesunken. Waren es 2012 noch neun Ärztinnen, sind es heute im Jahr 2022 nur noch drei Ärztinnen.
Immerhin hat der Deutsche Bundestag kürzlich den lange umstrittenen Paragraphen 219a aufgehoben. Er verbot bisher, dass Ärzt:innen auf ihren eigenen Web-Seiten über den Schwangerschaftsabbruch informieren konnten. Hierzu finden Interessierte eine Stellungnahme des AWO Unterbezirks Dortmund am Ende des Artikels.
Nordrhein-Westfalen hat rein statistisch eine vergleichsweise gute Versorgungssituation, aber auch einen hohen Versorgungsbedarf. Gleichwohl gibt es deutliche Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Beispielsweise sind der Märkische Kreis, das Sauerland, das Bergische Land und der zu NRW gehörende Teil der Eifel deutlich schlechter bis gar nicht versorgt.
In vielen Städten des Ruhrgebietes mit einer hohen Bevölkerungsdichte sind nur sehr wenige Praxen tätig. Schlecht versorgt sind Münster und Umland sowie der Kreis Kleve. Frauen aus Kleve, Münster und Umgebung reisen als Selbstzahlerinnen ins benachbarte Ausland oder müssen weitere Wege Richtung Ruhrgebiet auf sich nehmen.
Betroffene müssen lange Wartezeiten für einen Termin in Kauf nehmen
Die Herausforderungen für einen Schwangerschaftsabbruch sind mittlerweile immens. Es gibt weniger Ärztinnen, viele Stellen bleiben unbesetzt. Für die Frauen bedeutet das, lange Wartezeiten für einen Abbruchtermin zu erhalten. Sie müssen in vielen Fällen längere Wege zurücklegen.
Da die Frauen nach der Narkose für den Eingriff nicht Auto fahren dürfen, geht damit der Wunsch nach einer vertraulichen Behandlung verloren. Die Frauen sind auf die Unterstützung anderer angewiesen. Je länger sie warten müssen, um so weniger können sie die Frist auf den medikamentösen Abbruch einhalten.
Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, müssen vielerorts mit Ablehnungen bis zu Protestaktionen vor den eigenen Praxen rechnen. Sie haben Angst. Andere lehnen den Eingriff aus ethischen oder religiösen Gründen ab. Der Schwangerschaftsabbruch ist kein fester Bestandteil des Medizinstudiums.
Schwangerschaftsabbruch gehört zur reproduktiven Gesundheitsversorgung
Aus Sicht des Sozialen Zentrums Dortmund sind Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Versorgungslage dringend notwendig und sollten sachlich diskutiert werden. Es müsse dabei geprüft werden, wie der Schwangerschaftsabbruch verstärkt in die ärztliche Ausbildung eingebunden werden kann, so dass junge Ärzt:innen ein Bewusstsein dafür entwickeln könnten, dass der Schwangerschaftsabbruch zur reproduktiven Gesundheitsversorgung gehört und Frauen ein Recht auf diese Versorgung haben.
Ebenso gehören zu den Lösungsvorschlägen die Eruierung von Ärzt:innen, die sich die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen vorstellen können und der Aufbau von folgenden Rahmenbedingungen:
- Bereitstellung von für Schwangerschaftsabbrüchen geeigneten Räumlichkeiten
- Aufbau eines Teams mit Vertretungsregelung
- Höhere finanzielle Anreize
Gute Aufklärung und breit zugängliche, sichere Verhütung können die Anzahl ungewollter Schwangerschaften reduzieren. Eine Kostenübernahme für alle Verhütungsmittel als Krankenkassenleistung wäre konsequent. Ein ungehinderter und straffreier Zugang zu qualifizierter Gesundheitsversorgung und zu medizinischen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs muss nach Ansicht des Sozialen Zentrums für alle Frauen gewährleistet sein.
Kostenübernahme für Verhütungsmittel für Personen mit geringem Einkommen
Die Stadt Dortmund ermöglicht Frauen und Männern mit geringem Einkommen eine Kostenübernahme von Verhütungsmitteln (Pille, Spirale, Diaphragma, Kupferkette, Dreimonatsspritze, Sterilisation etc.).
Die Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen in Trägerschaft der AWO, donum vitae und des Sozialen Zentrums Dortmund e. V. vermitteln die Finanzmittel aus dem Verhütungsmittelfonds, eingerichtet vom Sozialamt der Stadt Dortmund.
Ziel ist es, Frauen und Männern in besonderen sozialen Notlagen durch einen finanziellen Zuschuss zu den Kosten eines Verhütungsmittels eine sichere Verhütung zu ermöglichen und so einen Beitrag zur Stabilisierung der Lebenssituation zu leisten.
Folgende Personen werden angesprochen:
Frauen und Männer, die in Dortmund leben. Berechtigt sind Menschen, die z.B. ALG II, Sozialhilfe, BaföG, Wohngeld, Gelder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Kinderzuschlag beziehen oder ein vergleichbar geringes Einkommen haben. Verwertbares Vermögen darf nicht vorhanden sein.
Nicht jede Familie mit einem geringen Einkommen kann Unterstützung durch den Fonds bekommen. Voraussetzung sollte eine besondere soziale oder wirtschaftliche Notsituation sein (z.B. Überschuldung, Überlastungssituationen in der Familie, schnelle Geburtenfolge und hohe Kinderzahl, Suchtproblematiken, psychische Erkrankungen, gesundheitliche Gründe), die gegen eine (weitere) Schwangerschaft spricht.
Beim Verhütungsmittelfonds wird in der Regel ein Zuschuss bezahlt. Der Mann oder die Frau muss einen Eigenanteil leisten. Die Finanzmittel der Stadt sind begrenzt.
Bitte vereinbaren Sie einen Termin mit den Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen der AWO, donum vitae und des Sozialen Zentrums Dortmund e. V.
Soziales Zentrum Dortmund e.V. – Schwangerschafts(konflikt)beratung
Westhoffstr. 8 – 12
44145 Dortmund
Fon 0231.8403-40
donum vitae – Beratungsstelle für Schwangere
Friedhof 4
44135 Dortmund
Fon 0231.1763-8 74
AWO Schwangerschafts(konflikt)beratung
Klosterstr. 8 – 10
44135 Dortmund
Fon 0231.9934-2 22
Folgende Unterlagen zur finanziellen Unterstützung bei der Verhütung sind erforderlich:
- Einen Kostenvoranschlag (z.B. für die Einlage einer Spirale) und/ oder ein Rezept, dass von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt ausgestellt wurde
- Leistungsbescheide: Jobcenter (ALG II), Sozialhilfe (SGB XII), Wohngeld, Kindergeldzuschlag, AsylBLG, Bafög oder Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)
Sollten diese Leistungsbescheide nicht vorliegen, sind erforderlich:
- Ausweis bzw. Meldebescheinigung (Personalausweis, Pass oder Aufenthaltstitel)
- Bei sonstigem geringem Einkommen bitte weitere Belege (Einkommensbescheinigung, Kontoauszüge der letzten 3 Monate, Mietkosten etc.)
Solange nicht alle Unterlagen vorliegen, können leider keine Bewilligungen ausgestellt werden.
Kommunale Gesundheitskonferenz befasste sich ebenfalls mit dem Thema
Mehr als 20 Vertreter:innen unterschiedlicher Einrichtungen sind in der vergangenen Woche zur Kommunalen Gesundheitskonferenz (KGK) zusammengekommen. Nach coronabedingt zweieinhalbjähriger Pause beschäftigte sich das Gremium unter Leitung des Stellvertretenden Vorsitzenden der KGK, Dr. Frank Renken, mit der gesundheitlichen Versorgung in Dortmund. Eines der bestimmenden Themen dabei: Schwangerschaftsabbrüche.
Auch die KGK sieht in derzeit nur drei niedergelassenen Gynäkolog:innen, die nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, eine Versorgungslücke in Dortmund.
„Neben langen Wegen müssen die Frauen daher lange auf ihren Erstkontakt bzw. Abbruchtermin warten. Dies stellt eine hohe emotionale Belastung für die Frauen dar“, sagte Referentin Maria Preuß von der Beratungsstelle Westhoffstraße. „Zusätzlich bedeutet es auch, dass die Schwangeren oft weder in Bezug auf die Methode des Abbruches noch auf den Ort eine Wahlfreiheit haben.“
Gesundheitsamt will die Situation in Dortmund langfristig verbessern
Angesichts der oben bereits erwähnten rund 1300 Schwangerschaftsabbrüche in Dortmund pro Jahr sei die Versorgungslage in Dortmund unzureichend.
Daher wurde das Gesundheitsamt federführend beauftragt, unter Beteiligung der Beratungsstellen Gespräche mit allen Beteiligten zu führen: mit den niedergelassenen Ärzt:innen, der KV Westfalen-Lippe (KVWL) und den Dortmunder Kliniken mit gynäkologischen Abteilungen.
„Wir werden zunächst klären, welches die wesentlichen Gründe in unserer Stadt sind, die zu dieser unzureichenden Versorgungslage geführt haben“, so Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamtes. „Ich gehe davon aus, dass wir die begonnene Diskussion dann gemeinsam mit den für die Versorgung zuständigen Personen und Strukturen lösungsorientiert weiterführen können.“
Weitere Informationen zur Dortmunder Gesundheitskonferenz: hier.
AWO Dortmund begrüßt Aufhebung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche
„Endlich wurde der Paragraf 219a StGB gestrichen. Dies bedeutet einen wichtigen Schritt hin zu mehr körperlicher Selbstbestimmung,“ begrüßt die AWO-Vorsitzende Anja Butschkau die Streichung. Der Zugang zu Informationen ist für betroffene Schwangere endlich erleichtert.
Und auch die Suche nach geeigneten Mediziner:innen wird künftig einfacher, denn die Gesetzesänderung schafft Sicherheit für Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche im gesetzlichen Rahmen vornehmen. Sie müssen keine strafrechtliche Verfolgung mehr befürchten, wenn sie über Ablauf und Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs informieren – z. B. auf ihrer Internetseite.
Nach Ansicht der AWO Dortmund darf die Aufhebung des Werbeverbots aber nicht der letzte Schritt sein: Im Jahr 2021 machte die AWO Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Familienplanung, Paar- und Lebensberatung unter dem Motto „Kein Grund zum Feiern“ auf das traurige 150-jährige Jubiläum des §218 StGB aufmerksam und informierte die Öffentlichkeit darüber, dass ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach wie vor eine Straftat ist, die nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt. Die Streichung dieses Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch ist ebenfalls längst überfällig.