NRW-Landesregierung plant eigenes Versammlungsgesetz – Was passiert mit dem „Schwarzen Block“ auf Demos?

Friedliche Sitzblockaden wird die Polizei - wenn sie keine „grobe Störung“ darstellen - umgehen.
Störblockaden wären laut vorläufigem Entwurf strafbar. Archivfotos (4): Alex Völkel

Von Anastasia Zejneli

Die NRW-Landesregierung plant ein neues Versammlungsgesetz. Modern und rechtssicher soll es sein. Doch der neuste Entwurf löst Diskussionen aus. Linke Protestbewegungen fürchten massive Einschränkungen. Um was geht es? Nordstadtblogger stellt die Planungen und Diskussionen dazu vor.

Herbert Reul will „ein Gesetz, das zur heutigen Zeit und zu den Menschen passt“

Am Montag ruft ein überparteiliches Bündnis zum Protest gegen den Naziaufmarsch auf. (Fotos: Alex Völkel
Antifaschist*innen rückten Neonazis – zur Überraschung der Polizei – 2019 in der Nordstadt „auf die Pelle“.

Es ist ein kühler Montagabend im Herbst 2019. Vor dem Nordausgang des Dortmunder Hauptbahnhofs ist viel los. Mehrere Mannschaftswägen der Polizei blockieren die Sicht auf das Gebäude der Agentur für Arbeit. Sie umkreisen einige Menschen, die sich auf dem Vorplatz versammeln.

Die Partei „Die Rechte“ hatte eine Demo angekündigt. Noch bevor die Rechtsextremisten ihre Versammlung beginnen können, treffen Gegendemonstrierende auf der anderen Straßenseite ein. Antifaschist*innen und Rechtsextreme – getrennt durch die Reihen der Polizei. Ein Bild, das viele Dortmunder*innen kennen.

Ob Nazis, Antifa oder auch Coronaleugner*innen: eins haben sie gemeinsam – wer demonstriert, muss sich ans Versammlungsgesetz halten. Und das könnte sich in NRW bald ändern. Die Landesregierung hat einen Entwurf in den Landtag eingebracht. In einer Pressemittelung beschreibt Innenminister Herbert Reul diesen Entwurf als modern und umfassend. Sein Ziel: „ein Gesetz, das zur heutigen Zeit und zu den Menschen passt.“

Das Störungsverbot wird verschärft – aber was eine Störung ist, bleibt wage

Anwalt Jasper Prigge. Foto: Kanzlei Prigge
Anwalt Dr. Jasper Prigge Foto: privat

Eine unpassende Formulierung, finden Kritiker*innen wie Medienanwalt Dr. Jasper Prigge. Er sieht in dem Entwurf ein Gesetz des Misstrauens.

„Der Entwurf unterstellt ja letztlich, dass Versammlungen tendenziell gewalttätig wären“, sagt er. Zwar gebe es auch gute Vorschläge, wie etwa eine Kooperationspflicht der Polizei gegenüber Demoveranstaltenden. Das Negative überwiege allerdings. Aber was ist denn so kontrovers am Entwurf?

Laut Gesetzesentwurf wäre es etwa verboten „(..) eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, diese zu behindern oder zu vereiteln.“ Kim Schmidt, Pressesprecherin der autonomen Antifa 170 kritisiert daran besonders die unpräzise Formulierung: „Störungen werden in so einer diffusen Art beschrieben, dass selbst Rentner*innen mit Trillerpfeifen neben einer Nazi-Versammlung sich künftig damit strafbar machen könnten.“

Der Entwurf sieht tatsächlich keine klare Definition des Begriffs Störung vor. Es gibt lediglich den Hinweis, dass das Ausmaß einer Störung für das Verbot unerheblich sei. Konkret bedeutet das: egal wie schwerwiegend eine Aktion ist – sobald sie stören soll, wird sie strafbar.

Schon „Blockadetrainings“ wären auch ohne konkretes Ziel der Umsetzung unzulässig

NRW-Innenminister Herbert Reul hat der Clan-Kriminalität den Kampf angesagt. Fotos: Alex Völkel
NRW-Innenminister Herbert Reul. Foto: Alex Völkel

Das gilt insbesondere auch für sogenannte „Blockadetrainings“. Solche Trainings wären auch ohne konkretes Ziel der Umsetzung unzulässig: „Die Vorbereitung oder Einübung von Störungshandlungen ist auch dann verboten, wenn ein konkretes Versammlungsgeschehen nicht absehbar ist.“, heißt es im Entwurf.

Innenminister Reul verteidigt dieses Vorgehen: „Es kann nicht sein, dass Störer üben dürfen, wie man andere am besten beim friedlichen Demonstrieren stört.“ Es hätten alle Teilnehmenden ein Recht auf Schutz und friedliche Versammlungen.

Anwalt Prigge hält dagegen, dass Blockadetrainings laut einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW zulässig sind. Er glaubt, dass die Landesregierung dieses Urteil mit dem neuen Versammlungsgesetz aushebeln möchte. Das will man anders regeln“, sagt Prigge, „weil einem offensichtlich diese Blockaden von Nazigegnern, selbst wenn sie nach ihrem jetzigen Rechtsstand zulässig sind, nicht gefallen.“

Die Landesregierung plant ein Militanzverbot – wird der „Schwarze Block“ verboten?

Auch das Militanzverbot will die Landesregierung verschärfen. Laut Entwurf wäre in Zukunft das Tragen von Uniformen und ähnlichen gemeinschaftlichen Merkmalen verboten, sofern sie Gewaltbereitschaft vermitteln. Antifaschistische Gruppierungen sehen dadurch direkt den „Schwarzen Block“ gefährdet. Bei dieser Demonstrationstaktik tragen die Teilnehmenden unauffällige schwarze Kleidung. So ist die Identifizierung einzelner Personen durch Polizeibeamt*innen oder Rechtsextremist*innen schwieriger.

Proteste gegen den Tag der Deuschten Zukunft. Antifa auf der Dorstfelder Allee
Proteste gegen den Tag der Deutschen Zukunft. Antifa-Demo durch Dorstfeld. Foto: Klaus Hartmann

„Wann genau eine Versammlung ‚aggressiv oder provokant‘ wirkt, entscheidet lauf Entwurf die Polizei. Das lässt viel Spielraum, um Versammlungen willkürlich zu verbieten.“, kritisiert Kim Schmidt.

Beim „‚Schwarzen Block“ gehe es auch nicht nur um den Schutz vor Identifizierung, sagt Prigge, sondern auch um das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppe. Und für diese Zugehörigkeit könne man nicht strafrechtlich belangt werden. „Bei dem Versammlungsgesetz geht es darum, Gefahren abzuwehren. Wenn ich Gefahren abwehren will, muss ich an der Gefahr anknüpfen und nicht an der Zugehörigkeit bestimmter Personen zu einzelnen Gruppen.“, betont er.

Dr. Christos Katzidis, Sprecher des Arbeitskreises für Inneres der CDU-Landtagsfraktion, distanziert sich von einem generellen Verbot des „Schwarzen Blocks“ als Demonstrationstaktik. „Gleichförmiges Auftreten, insbesondere durch Uniformen oder andere Kleidung, kann harmlos sein – dann ist es weiterhin erlaubt“, betont er. Die Vorrausetzung für ein Verbot sei ja die zusätzliche Einschüchterungswirkung, die durch Gewaltbereitschaft erzielt werde. Darüber entscheide im Einzelfall die Kreispolizeibehörde.

Für die Gewerkschaft der Polizei NRW ist die Formulierung des Militanzverbots klar genug. Pressesprecher Stefan Hegger argumentiert damit, das Neutralitätsgebot zu bewahren. „Solche Richtlinien sollten nicht nur bei rechtsradikaler Gesinnung gelten.“, sagt er. Auf die Frage, ob etwa auch Taktiken wie die Maleranzüge von Ende Gelände für ihn unter das Verbot fallen würden, antwortet er deutlich: „Bei der Formulierung habe ich klare Bilder im Kopf: Hooligans, Ende Gelände, Neonazis.“

Wenn die Kamera über den Köpfen schwebt – Tendenz zu strikteren Auflagen

Die Polizei hat gerichtlich untersagt bekommen, dauerhaft ihre Kameras auf Demoteilnehmer*innen zu richten. Foto: Alex Völkel
Die Polizei hat gerichtlich untersagt bekommen, dauerhaft ihre Kameras auf Demoteilnehmer*innen zu richten.

Laut Entwurf „darf die zuständige Behörde Übersichtsaufnahmen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes anfertigen(..).“ Sofern dies durch die unüberschaubare Größe der Versammlung nötig sei.

Medienanwalt Jasper Prigge zeigt sich besorgt.  Man habe die Möglichkeit über reinzoomen, einzelne Versammlungsabschnitte oder Einzelpersonen herauszugreifen. Das sei zwar im Entwurf explizit nicht erwähnt, doch es bleibt fraglich „ob das für einzelne Versammlungsteilnehmer, die ständig videografiert werden klar ist.“ Prigge befürchtet, dass dies eine abschreckende Wirkung auf manche Teilnehmende haben könnte und sie Demos in Zukunft fernblieben.

Das Militanzverbot, die neuen Auflagen zu Übersichtsaufnahmen und das Störungsverbot seien dabei nur die problematischen Aspekte, die in der Öffentlichkeit hauptsächlich diskutiert würden. Insgesamt auffällig im Entwurf sei auch die Tendenz zu stärkeren Einschränkungen und einem höheren Maß an Kontrolle, sagt Jasper Prigge. So sei etwa an etlichen Stellen der Versuch zu erkennen, striktere Auflagen durch die Polizei zu rechtfertigen.

Der Entwurf unterliegt allerdings noch dem parlamentarischen Prozess und damit möglichen Änderungen. Ob das Versammlungsgesetz in dieser Form beschlossen wird, bleibt daher abzuwarten.

Zum Nachlesen: Versammlungsgesetz Entwurf

 

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