Nordstadt-Rundgang: Deutliche Verbesserungen, aber auch 13-jährige Drogenkuriere und Intown als Problemvermieter

Die Einsatzfahrzeuge stauten sich regelrecht auf der Münsterstraße.
Bei Schwerpunkteinsätzen gegen Clankriminalität arbeiten Polizei, Stadt und Land zusammen. Fotos: Alex Völkel

Die Nordstadt sorgt immer für Schlagzeilen – überregional zumeist für negative. Doch bei vielen Problemlagen haben sich die Dinge verbessert. Die Zahl der Problemhäuser hat sich in wenigen Jahren halbiert, die Straßenprostitution von einst 700 Frauen auf eine kleine zweistellige Zahl reduziert und die Kraftanstrengungen gegen die Drogen- und Clan-Kriminalität sind in Dortmund massiv. Doch die Herausforderungen bleiben: Derzeit versuchen Drogendealer, 12- und 13-Jährige als Kuriere anzuwerben, weil diese noch nicht strafmündig sind. Und bei den Problemhäusern findet sich ein „alter Bekannter“ ganz oben auf der Problemhaus-Liste: „Intown“, die Gesellschaft, der auch der Hannibal in Dorstfeld gehört, besitzt auch eine Reihe von problematischen Immobilien. „Aber das Unternehmen zeigt sich völlig unkooperativ“. ärgert sich OB Ullrich Sierau.

Drogenhandel und Drogenkonsum im Fokus repressiver wie präventiver Maßnahmen

Zum Jahresabschluss besuchten OB Ullrich Sierau und Dezernent Norbert Dahmen den Kommunalen Ordnungsdienst und die Task Force Nordstadt.
Bei Schwerpunkteinsätzen gegen Clankriminalität arbeiten Polizei, Stadt und Land zusammen. Fotos: Alex Völkel

Sierau und Ordnungsdezernent Norbert Dahmen besuchten jetzt die MitarbeiterInnen der Task Force Nordstadt im Nordstadtbüro des Ordnungsamtes an der Bornstraße 124, um sich für die geleistete Arbeit im nun fast abgelaufenen Jahr zu bedanken. 

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Bei einem gemeinsamen Rundgang mit der Task Force durch die Nordstadt wurden diverse Themen der täglichen Arbeit vor Ort erörtert. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Task Force Nordstadt und des Kommunalen Ordnungsdienstes tragen durch ihre Arbeit zur Verbesserung der Lebensqualität der Dortmunder Nordstadt bei. Das Thema Sicherheit ist dabei von zentraler Bedeutung,“ betonte Sierau.

Unverändert bleiben Drogenhandel und Drogenkonsum im Fokus öffentlicher Wahrnehmung sowie repressiver und präventiver Maßnahmen; hier wird auch in den kommenden Monaten ein Schwerpunkt vor allem der polizeilichen Arbeit liegen. Hier trägt der Kommunale Ordnungsdienst vornehmlich durch seine erkennbare Präsenz an entscheidender Stelle zu einer Verbesserung der Situation bei. 

Ämterübergreifender Einsatz gegen das Phänomen der 12- und 13-Jährige Kurieren

Zwei Haftbefehle konnten bei dem Schwerpunkteinsatz vollstreckt werden.
Weil immer mehr Dealer verhaftet werden, setzt die Szene zunehmen auf strafunmündige Kuriere.

Der Konsum von Rauschmitteln an bestimmten Örtlichkeiten – beispielsweise an Spielplätzen – wird von den Einsatzkräften des Ordnungsamtes als Ordnungswidrigkeit geahndet. Im aktuellen Jahr wurden bisher über 416 solcher Fälle zur Anzeige gebracht.

Um dem verschärften Kontrolldruck und Verhaftungsrisiko zu entgehen, setzen die Dealer offenbar zunehmend auf strafunmündige Kuriere. Verstärkt wurden 12- und 13-Jährige aufgegriffen, die mit ihren Fahrrädern die Drogen zu Dealern und Kunden brachten. 

Dem geht man jetzt ämterübergreifend nach – neben Polizei und Ordnungsamt sind hier auch das Jugendamt, die Jugendhilfedienste und die Schulen mit im Boot, um diesem Unwesen wieder ein Ende zu setzen.

Der kommunale Ordnungsdienst bekommt im Kürze Schlagstöcke

Anstelle von Schlagstöcken könnten die BeamtInnen demnächst Gebrauch von Elektroschockgeräten machen. Foto: Alex Völkel
Künftig werden auch städtische Kräfte mit dem „Einsatzmehrzweckstock – ausziehbar“ ausgestattet.

Nicht immer zeigten sich die Dealer kooperativ, es kommt auch hier zu Bedrohungssituationen. Um die Beschäftigten des Kommunalen Ordnungsdienstes zu schützen und auch als Zeichen der Wertschätzung werden sie künftig (noch) besser ausgestattet. 

Neben den bereits im Einsatz befindlichen Stichschutzwesten zum Unterziehen und Pfefferspray werden sie in Kürze mit „Gummiknüppeln“ – im Behördenjargon „Einsatzmehrzweckstock – ausziehbar“ oder kurz „ems-a“ – ausgestattet. Der Wunsch kam vor zwei Jahren bei einem vergleichbaren Rundgang auf. 

Ein entsprechender Praxis-Test lief gut. „Wir werden zeitnah in die Beschaffung gehen“, kündigte der OB an. Dabei gehe es keinesfalls um Eskalation, machte Daniel Barthe vom Ordnungsdienst deutlich. Nur ein einziges Mal hätte in der Testphase der „ems-a“ gezogen werden müssen – schon hätten die Angreifer von ihrem Opfer abgelassen. „Der ems-a wird klar wahrgenommen. Wir fühlen uns dann deutlich sicherer. Man weiß im Fall der Fälle, dass man sich schützen kann“, verdeutlichte Barthe. 

„Er ist ein Hilfsmittel zum Schutz. Die Sicherung des Holsters zu öffnen hat gereicht – da wurde von der Tat abgesehen.Wir hätten nie gedacht, das er so eine große Wirkung auf die Leute hat. Für uns ist der ems-a Gold wert“, unterstrichen die städtischen AußendienstlerInnen.

Auch die neuen Überziehwesten, die vor wenigen Tagen die Polizeibeamten bekommen haben, sollen für den kommunalen Ordnungsdienst beschafft werden, um die Sichtbarkeit und Sicherheit zu erhöhen, ergänzte Beate Siekmann, Leiter des Ordnungsamtes.

Intown führt auch in der Nordstadt die Liste der Problemimmobilien an

Die Zahl der Problemhäuser in Dortmund von 2012 bis heute.
Die Zahl der Problemhäuser in Dortmund von 2012 bis heute.

Ein wesentliches Handlungsfeld der Taskforce Nordstadt sind die problematischen Immobilien. Deren Zahl hat sich – nicht zuletzt wegen des Kontrolldrucks, aber auch wegen der Übernahme durch regeltreue neue EigentümerInnen – deutlich reduziert. 

Ihre Zahl liegt stadtweit bei „nur noch“ 85, 68 davon in der Nordstadt. Isoliert betrachtet ein großes Problem: Doch noch vor wenigen Jahren standen mehr als 180 Häuser auf der Problemliste der Taskforce. Sie sind nicht nur ungleich über die Gesamtstadt, sondern auch über die Nordstadt verteilt. Während sich im Hafenquartier nur fünf problematische Immobilien befinden, sind es im Quartier Borsigplatz 25 und im Nordmarkt-Quartier sogar 38.

Augenfällig: Die „Top 4“ der problematischsten Gebäude gehören allesamt zu einem bundesweit bekannten Unternehmen – der „Intown-Gruppe“. „Das Unternehmen ist komplett unkooperativ. Intown ist mehrfach angesprochen worden. Sie bewirtschaften die Häuser nicht und wollen sie auch nicht verkaufen“, ärgerte sich OB Sierau beim Rundgang durch die Nordstadt. Dabei gebe es „leistungstarke Kaufinteressenten“, die auch in der Lage wären, aus einem schlechten ein gutes Haus zu machen. 

Die illegale Straßenprostitution geht zwar zurück, ist aber noch vorhanden

Nach mehr als zwei Jahren hat das Ordnungsamtsbüro in der ehemaligen Nordstadt-Apotheke eröffnet.
Das Ordnungsamtsbüro in der ehemaligen Nordstadt-Apotheke zeigt Wirkung.

Die Bekämpfung der illegalen Straßenprostitution gehört seit der Schließung des Straßenstrichs und dem Inkrafttreten des Verbots der Straßenprostitution nach der neuen Sperrbezirksverordnung aus dem Jahr 2011 zu den Kernaufgaben der Task Force. Bereits unmittelbar nach Schließung des Straßenstrichs konnte eine deutliche Verbesserung der Situation festgestellt werden.

Derzeit ist nur noch ein „hartnäckigen Kern“ von rund 25 bis 35 überwiegend drogenabhängigen Prostituierten feststellbar, die vor allem in den nördlich an den Nordmarkt angrenzenden Straßen ihre Dienste anbieten und über diesen Weg ihre Sucht zu finanzieren. 

Der sogenannte „Freiersuchverkehr“ – insbesondere rund um den Nordmarkt – hat sich im abgelaufenen Jahr dank der intensiven Präsenz und des konsequenten Einschreitens der Ordnungskräfte im Hinblick auf Verstöße gegen das Kontaktaufnahmeverbot, die Missachtung von Durchfahrtsverboten und das „unnütze Umherfahren“ spürbar abgeschwächt. Dies gilt auch für das störende Ansprechen Unbeteiligter durch potentieller Freier. 

Insgesamt wurden seit Beginn der Aktionen im Mai 2011 bis heute Straf- und Ordnungswidrigkeitenanzeigen gegen Prostituierte sowie Ordnungswidrigkeitenanzeigen gegen Freier in rund 3.100 Fällen vorgelegt. In mehr als 230 Fällen wurden Prostituierte vorübergehend dem Polizeigewahrsam zugeführt (zum Vergleich: im Jahr 2012 = 65; im Jahr 2018 = 6). 

Ordnungsdienst und Task Force haben vielfältige Aufgaben in der Nordstadt

Überrascht zeigten sich Polizeidirektor Luhmann, Innenminister Reul, Dezernent Dahmen und OB Sierau von der Größe der unterirdischen Räume.
Kooperation:  Polizeidirektor Luhmann, Innenminister Reul, Dezernent Dahmen und OB Sierau bei einer Shisha-Bar-Kontolle.

Neben der Bekämpfung der Straßenprostitution zählt auch die Sanktionierung aller anderen „störenden und ordnungswidrigen Verhaltensweisen“, wie beispielsweise das Wegwerfen von Abfall, der verbotswidrige Alkoholverzehr bzw. das Rauchen auf Kinderspielplätzen oder das öffentliche Urinieren zu den täglichen Aufgaben der Einsatzkräfte. 

Auch bei der Bekämpfung von Drogen- und Clan-Kriminalität unterstützen sie im Rahmen der Ordnungspartnerschaft die wichtige Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft. 

Ebenso gehören regelmäßige Kontrollen von Gaststätten und Spielhallen, die Überprüfung von Problemhäusern und die Verkehrsüberwachung zu den Handlungsfeldern der Taskforce Nordstadt.

Sierau: „Ich habe Achtung gegenüber der Arbeit. Es ist keine leichte Arbeit.“

Einsatzstatistik der Task Force Nord- stadt für die Jahre 2012 bis 2018 (Stand 30.11.2018)
Einsatzstatistik der Task Force Nord- stadt für die Jahre 2012 bis 2018 (Stand 30.11.2018)

„Ich habe Achtung gegenüber der Arbeit. Es ist keine leichte Arbeit. Sie haben keinen unwesentlichen Beitrag geleistet, dass es sich in der Nordstadt beruhigt und deutlich verbessert hat“, so der OB.

Lobende Worte fand auch der neue Ordnungsdezernent Norbert Dahmen: „Ich empfinde Achtung, Respekt und Stolz für die Truppe.“ Mehrfach hatte sich Dahmen abends deren Einsätzen angeschlossen, um sich selbst ein Bild von der wichtigen und fordernden Arbeit zu machen. 

„Sie sprechen die Sprache der Menschen und wissen jeden anders zu nehmen und dabei für Recht, Ordnung und Sicherheit zu sorgen“, so Dahmen. „Das mediale Bild entspricht nicht der aktuelle Lage“, unterstreicht der „Neuzugang“. 

Der Kommunale Ordnungsdienst habe eine Truppe von MitarbeiterInnen gefunden, denen die Arbeit auf der Straße viel Spaß mache und die dafür sorge, dass es keine dunklen Ecken gebe. „Das ist ein spannender Job, der der Polizei in nichts nach steht“, so Dahmen. Die Kooperation von Polizei und Stadt sei gut, weil sich die Kompetenzen ergänzten.

Ausbildungslehrgang für Verwaltungsfachangestellte mit Schwerpunkt Ordnungsrecht

Die Stadt will künftig noch draufsatteln: 58 Planstellen für Außendienst – aktuell sind acht unbesetzt. Im Bereich der Leitstelle gibt es acht Stellen, wovon zwei vakant sind. Außerdem gibt es eine Innendienststelle und eine Gruppenleitung. „Es ist schwierig, geeignetes Personal zu finden. Der Markt ist durchaus begrenzt. Daher werben wir aktiv für den Bereich“, verdeutlichte Beate Siekmann. Die Verantwortlichen setzen daher zusätzlich auf einen eigenen Ausbildungslehrgang als Pilot für Verwaltungsfachangestellte mit Schwerpunkt Ordnungsrecht.

Bauwagen des Ordnungsamt startet auf dem Nordmarkt in die zweite SaisonTrotz der relativ hohen Fluktuation sind die derzeit aktiven KollegInnen motiviert, so auch Marcel Kemper. Er ist seit dem 1.Februar 2018 beim Ordnungsdienst. „Ich muss den Job nicht machen, aber ich will den Job machen. Ich wollte gerne in diesen Bereich und habe nichts bereut. Die Ausbildung ist super und wir haben ein motiviertes Team, gerade in der Nordstadt. Ich kann nur positives Feedback geben“, betont Kemper. 

Das kann Daniel Barthe nur unterstreichen – er ist seit sieben Jahren dabei. „Wir haben sehr viel erreicht und viel Lob von der Bürgerschaft bekommen. Sie freuen sich, dass wir so präsent sind“, blickt er zufrieden auf die Zeit seit 2011 zurück. Die Schaffung des Nordmarkt-Büros sei ein wichtiger Schritt gewesen. Über 1200 Bürgerkontakte und Anliegen hätten sie dort bereits bekommen.

Daher wollten sie weiter so energisch arbeiten, ergänzt seine Kollegin Sarah Bursy:“Die Arbeit ist nicht immer leicht. Aber es gibt eine gute Zusammenarbeit im Team. Das treibt uns an.“ Künftig bekommt der Ordnungsdienst noch ein weiteres Verkehrsmittel: Im Rahmen des Mobilitätskonzepts sollen künftig auch drei eBikes zur Verfügung stehen.“

 

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