Von Klaus Winter
1878 hatte Dortmund mit dem Vorläufer des heutigen Südbads seine erste städtische Badeanstalt erhalten. Wann der Wunsch aufkam, ein weiteres Bad zu errichten, ist unklar. Ein in der „Dortmunder Zeitung“ vom 2. Juni 1889 veröffentlichter Leserbrief mag die Entscheidungsträger in der Stadtverwaltung beeinflusst haben. „Mehrere Bürger“ beklagten darin die Unzulänglichkeiten des Südbads aufgrund des dort herrschenden starken Andrangs von Schwimmern. Das Schwimmbecken wurde mit „einem vollgepfropften Schlangenkäfig“ verglichen.
Rund 150.000 Mark für eine Badeanstalt im nördlichen Stadtteil
Konkrete Vorverhandlungen zum Bau einer Badeanstalt im nördlichen Stadtteil setzten 1889 ein. Zur Finanzierung der Maßnahmen wurden rund 150.000 Mark zur Verfügung gestellt. Im folgenden Jahr begann man mit den Baumarbeiten, und am 1. April 1892, morgens 7 Uhr, wurde das Nordbad eröffnet.
Die Inbetriebnahme der neuen Badeanstalt erfolgte ohne große Feierlichkeiten. Die Berichterstattung der Presse über dieses Ereignis fiel entsprechend dürftig aus. Die Artikel der „Dortmunder Zeitung“ und des „General-Anzeiger“ umfassten jeweils nur wenige Zeilen, aber beide Redaktionen fanden dennoch Platz, ihren Unmut über die lange Bauzeit auszusprechen.
Die „Dortmunder Zeitung“ schob gar noch eine Glosse ein, in der sie beschrieb, wie eine Bürger-Deputation zum städtischen Bauamt zog, um dort „ihren lebhaften Dank für die eifrige Förderung des gemeinnützigen Werkes darzubringen.“ – Offensichtlich waren beim Bau Verzögerungen aufgetreten, die nicht auf das Verständnis der Bevölkerung gestoßen waren.
Das alte Nordbad wurde ungefähr am heutigen Standort der Skater-Halle errichtet
Das Nordbad war ungefähr dort erbaut worden, wo heute die Skater-Halle des Keuning-Hauses steht. Es bestand aus zwei Baukörpern, nämlich einer großen Halle und einem südlich an diese stoßendes Eingangsgebäude.
In der Halle befanden sich ein Schwimmbecken mit den Ausmaßen von ca. 24 x 12 m, acht Wannenbäder und 16 Brausezellen sowie verschiedene Nebeneinrichtungen. „Die Anstalt ist aufs trefflichste eingerichtet, sie entspricht allen billigen Wünschen, die man an eine Badeanstalt richten kann.“
Der Lehrer Westermann war der erste Schwimmer im Nordbad. Er weihte das Becken mit einem „eleganten Kopfsprung“ ein. Gleich am Eröffnungstage wurde auch das erste Jahresabonnement verkauft; Käufer war der Realschüler Paul Ruhfus.
„Zahlreiche Herren fanden sich rasch hintereinander ein“, doch war das Nordbad keine Badeanstalt nur für Männer. An einem Samstag Ende Juli 1892 besuchten 916 Personen das Bad, etwa ein Drittel (296) waren Frauen und Mädchen.
Für deren Sicherheit war allerdings nur unzureichend gesorgt. Die Badewärterinnen selber konnten gar nicht schwimmen und waren zudem mit allerlei Tätigkeiten beauftragt, so dass sie die Badenden nicht dauernd beobachten konnten. Es kam zu lebensgefährlichen Situationen, die nur deshalb glimpflich ausgingen, weil andere Badegäste den in Not geratenen Schwimmerinnen zu Hilfe kamen.
Die Nordstädter nahmen ihr neues Bad nur zögerlich an
Wer meint, die Bewohner des Dortmunder Nordens hätten nur auf die Eröffnung des Bades in ihrem Bezirk gewartet, musste sich eines Besseren belehren lassen. Die Zahl der Badegäste war zunächst nur gering und stand weit hinter der des Südbades zurück.
Allmählich nahm die Nutzung aber zu und stieg so an, dass das Nordbad in der Folge in mehreren Schritten erweitert wurde.
1928 gab es neben dem Schwimmbassin mit 22 Brausen, 42 Auskleidezellen und 80 Kleiderplätze für Kinder, 14 Wannen für Herren und 15 Wannen für Damen (davon 4 für Thermalbäder), 37 Brausen für Herren und 12 Brausen für Damen, 1 irisch-römisches Bad mit Heißluft- und Dampfraum, 1 Sonderraum für 2 elektrische Kastenlichtbäder, 1 Kaltduschraum mit Kalt- und Warmwasserbehälter, 1 Massageraum mit 2 Bänken und 1 Ruheraum mit 19 Ruhebetten.
Die Zahl der Besucher des Nordbades betrug im Rechnungsjahr 1927/28 fast 270.000 Personen, darunter rund 148.000 Schwimmer.
1928 wurde das hölzerne Bad abgebrochen und durch ein neues ersetzt
Zum 1. Mai 1928 wurde das Nordbad für längere Zeit geschlossen, da eine umfassende Modernisierung durchgeführt werden musste. Tatsächlich handelte es sich dabei quasi um einen Neubau.
Die hölzerne Halle wurde wegen „gänzlicher Unbrauchbarkeit“ abgebrochen und eine neue errichtet, die den damals gültigen Richtlinien der Sportbehörden entsprach, was vor allem den Schwimmvereinen entgegen kam. Nach elf Monaten Bauzeit wurde das Nordbad wiedereröffnet. Die Umbaumaßnahme wurde in der „Deutschen Bauzeitung“ 1932 beschrieben.
Während des Zweiten Weltkriegs, bei Luftangriffen im Mai und Oktober 1943, wurde auch das Nordbad schwer getroffen, jedoch nicht völlig zerstört. Verglichen mit den anderen Schwimmstätten in der Stadt war das Nordbad noch am glimpflichsten davongekommen. Der Badebetrieb musste dennoch eingestellt werden und wurde in Badeanstalten außerhalb Dortmunds verlagert.
Wiederaufbau des zerstörten Nordbades begann 1948
Der Wiederaufbau des Nordbades begann im Herbst 1948. Einige Dutzend Schwimmer, größtenteils dem Schwimmverein Westfalen angehörend, leisteten an den Wochenenden freiwillig Aufbauarbeit.
800 Kubikmeter Trümmer wurden fortgeschafft, die Schwimmhalle neu gedeckt, das Eingangsgebäude und das Kesselhaus wieder hergestellt und die hintere Front zum Saunabereich neu hochgezogen. So konnte Anfang Oktober 1949 der Badebetrieb wieder aufgenommen werden, und Schulen und Vereine belebten das Nordbad in der Folge wie in den Zeiten vor dem Weltkrieg.
Auch wenn der Eingangstrakt einen hellen, freundlichen Putz erhalten hatte, seine große Freitreppe einladend wirkte, die Halle mit Solnhofener Platten ausgekleidet war und ein Friseur einziehen sollte, so war der Zustand des Bades im Jahre 1949 nicht von Dauer. Immer wieder gab es Reparatur- und Modernisierungsarbeiten mit den dazugehörigen mal mehr, mal weniger langen Betriebsunterbrechungen.
Neben Reparaturen und Renovierungen gab es auch Neuerungen. So wurden 1970 die „Warmbadetage“ eingeführt, an denen die Wassertemperatur im Schwimmbecken 28 Grad Celsius betrug.
Das Ende des Schlachthofes zog massive Investitionen nach sich
Das Ende des Nordbades ging mit der Stilllegung des benachbarten Schlachthofes und dem Bau der Stadtbahn-Haltestelle Leopoldstraße einher. Mit der Beseitigung des Schlachthofes fiel die Wärmeversorgung des Bades durch das Kesselhaus des Schlachthofes mit Ablauf der Heizperiode 1973/74 fort.
Die VEW sollten den Ausfall ausgleichen. In diesem Zusammenhang sollten die technischen Einrichtungen des Bades wie Lüftung, Wasseraufbereitung, Sanitär- und Elektroinstallation u. a. angepasst und der Betrieb des Bades durch Personaleinsparung mittels Kassenautomaten und Garderobenschränken wirtschaftlicher gestaltet werden.
Die Kosten für die Umbaumaßnahmen wurden Ende Dezember 1973 auf zwei Millionen DM beziffert. Alternativ wurde mit einem Neubau geliebäugelt. Der Zeitaufwand für die tiefgreifende Erneuerung wurde auf 18 Monate, der für einen Neubau einschließlich Planungsphase auf mindestens vier Jahre geschätzt.
Beim Bau der Stadtbahnstation wurde das Bad 1973 schwer beschädigt
Die Fakten wurden jedoch nicht im Stadtparlament geschaffen sondern an Ort und Stelle: Beim Ausheben der riesigen Baugrube für die unterirdische Stadtbahn-Haltestelle Leopoldstraße bildeten sich am benachbarten Nordbad Risse und andere Schäden.
„Wegen dringender Reparaturarbeiten“ wurde das Bad am 19. März 1973 geschlossen. Der Schul- und Vereinsbetrieb konnte nicht mehr durchgeführt werden. Die Meldung von der Schließung des Bades wurde mehrfach erneuert.
Der Plan, das Nordbad gründlich zu modernisieren, geriet ins Abseits. Die Schäden am Bad wurden als so schwerwiegend beurteilt, dass eine Renovierung keinen Sinn mehr machte.
Im Oktober 1974 hieß es, dass ein neues Nordbad 1975/76 fertiggestellt sein sollte. Diese Planung erfüllte sich nicht. Bis zur Eröffnung des Schwimmbades im Keuning-Haus sollten noch einige Jahre vergehen.
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Reaktionen
Edelgard
Ich bin 1973 in das alte Bad schwimmen gegangen ,da war noch die riesige Brücke und der Schlachthof und gegenüber die Badeanstalt .
Das war doch da sehr schön.
Thomas Wunsch
Als Kind des Nordens habe Ende der 1960er – Anfang der 1970er dort schwimmen gelernt. Der Schlachthof ist auch noch in meiner Kindheitserinnerung.
Auf dem Nordmarkt habe ich noch gespielt.
Uli
Habe als Kind im Nordbad schwimmen gelernt und erinnere mich auch heute noch an die Wannenbäder und die Empore mit der Garderobe. Auch die Brücke über den Schlachthof ist mir in Erinnerung und mein großer Bruder, der auf die Treiber der Tiere durch den Sicht Schutz mit Steinchen geworfen hat. Würde gern mehr Bilder sehen. Erinnere mich noch an ein Neptun Relief auf der Stirnseite
Bernd Eisenblätter
Das alte Nordbad hatte Charme und hätte unter Denkmalschutz gestellt werden müssen. Ende der 60 und Anfang der 70 iger Jahre habe ich dort beim SV Hellas schwimmen gelernt und an Wettkämpfen teilgenommen. Oben im Schwimmbad gab rundherum eine Gallerie, an den Seiten befanden sich die Umkleidekabinen. Li. für für die Damen, re. für die Herren. Man hatte von oben eine tolle Sicht auf das gesamte Schwimmbecken. Unten im Eingangsbereich stand eine Bronzestatur eines Jungen. Es gab unter dem Schwimmbad noch eine Halle die normal nicht zugänglich war, in der ein Schiff stand. Wie das da reingekommen war, war und ist mir immer noch unbegreiflich. Ich bin auch ein Kind der Nordstadt und auf der anderen Seite der Schweinebrücke in der Baumstraße groß geworden.Damals gab es das Arbeitsamt noch nicht, sondern den Schlachhof, einen großen Spielplatz und zwei Fußballplätze. Die Zeiten waren unsicher es gab Rocker . In der Baumstraße Gaststätte Haus Osterkamp war das Vereinslokal vom James Dean Club. Gott sei Dank war ich noch zu klein, daß die mich in Ruhe gelassen haben. Ansonsten hat man an der Schweinebrücke vorher dreimal geschaut wer einem Abends entgegen kam und ist sicherheitshalber schnell
wieder umgekehrt.