Nach rund zwei Jahren Stillstand blühen viele Ehrenamts-Projekte neu oder wieder auf. In unserer Serie „Neustart Ehrenamt“ stellen wir in loser Folge engagierte Initiativen aus nördlichen Stadtteilen vor. Den Auftakt machen wir in Derne.
Von Susanne Schulte
Kaum dürfen sie wieder loslegen, geben die Mitglieder im Förderkreis Zeche Gneisenau in Derne alles. Sie planen eine Beleuchtungsaktion des Doppelbocks, nehmen im September am Tag des Offenen Denkmals teil, bereiten einen Tag der offenen Tür für Oktober vor und einen Weihnachtsmarkt für Dezember. Und während all der Monate können sich Zechenkundige und -unkundige jeden Samstag um 12 Uhr, und das an 20 Wochenenden, eine gute Stunde lang von Gabriele Unverferth einen unterhaltsamen Vortrag anhören, in denen sie die Bergbau-Technik erklärt und über die Männer erzählt, die sie erfunden und genutzt haben, über die Hygiene unter Tage, über den Siedlungsbau, über die Kriege und das Zusammenleben der Familien, über Zwangsarbeit und Kriegsgefangene, über die Bedeutung des Verbundbergwerks Gneisenau nach dem zweiten Weltkrieg bis hin zur Stilllegung der Zeche.
Das Podium ist eine typische 1950er-Jahre-Wohnküche
Gabriele Unverferth ist Fachfrau. Als jahrzehntelange wissenschaftliche Mitarbeiterin des Westfälischen Wirtschaftsarchiv brachte sie vor drei Jahren das Buch „Kohle, Koks und Kolonie – das Verbundbergwerk Gneisenau in Dortmund-Derne“ zusammen mit vielen ehemaligen Mitarbeitern eben dieses Unternehmens heraus.
„Diese Vorträge sind aber keine Kaffeefahrt“, meinte sie am vergangenen Samstag, darauf angesprochen, ob das Buch die Vorlage für die Vorträge sei. „Das Buch ist längst vergriffen.“ Umso besser ist es deshalb, dass auch die, die das Buch nicht mehr bekommen, nun hören und sehen können, wie der Alltag im und rund um das Bergwerk ablief.
Die Idee, die mittlerweile pensionierte Frau einzuladen, um mit dieser Vortragsreihe wieder auf den Verein und seine Arbeit aufmerksam zu machen, hatte Gudrun Böcker, Gründungsmitglied des Vereins und Ehefrau des Vorsitzenden Helmut Böcker. Da sich die Ehrenamtlichen so wieso jeden Samstag von 10 bis 13 Uhr in der Maschinenhalle des Doppelbock-Fördergerüsts treffen, um Gäste herum zu führen, Reparaturen zu erledigen und die Anlage zu pflegen, legte man die Vorträge eben in diese Zeit.
An den ersten beiden Samstagen waren es rund ein Dutzend Zuhörer:innen, darunter Mitglieder eines örtlichen Geschichtskreises. Sie alle sitzen mit Blick auf eine typische Wohnküche der 1950er Jahre, in der Gabriele Unverferth am Küchentisch durch ihre Aufzeichnungen blättert und auf einem großen Bildschirm – noch nicht typisch für die 1950er Jahre – Bilder, Zeichnungen und Postkarten zeigt.
Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die Wurzel der heutigen EU
Am vergangenen Wochenende vertraten Patrick Freitag, Timo Jacob und Axel Lukas den Förderkreis. Alle drei tragen die typische Bergmannskleidung. Und das ist keine Folklore. Alle drei haben unter Tage gearbeitet. Und allen dreien liegt der Erhalt dieses Denkmals am Herzen.
„Meine Kinder fragen jetzt schon: ,Papa, was ist das denn für ein Turm?’“, sagt Patrick Freitag. Er und seine Kollegen wollen nicht, dass die Zechengeschichte in Vergessenheit gerät. Immerhin, so referiert Freitag, sei der Bergbau über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl die Wurzel der heutigen EU. Und dann erzählen sie von ihrer ehrenamtlichen Arbeit während der zwei Jahre Zwangspause.
Da musste im Juli des vergangenen Jahres der überflutete Keller des Maschinenhauses ausgepumpt werden, da war eine Crew von Constantin-Film zu betreuen, da gab es immer etwas zu kontrollieren, zu reinigen und zu kontrollieren.
Jetzt sind sie froh, dass sie wieder Besucher:innen auf dem Gelände sehen. Für den Respekt, den diese den beiden Fördergerüsten – dem Doppelbock und dem Tomson-Bock – zollen, sind sie gerne an vielen Samstagen im Einsatz.
Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos
Am kommenden Samstag, am 13. August, nennt Gabriele Unverferth ihren Vortrag: „Ein etwas anrüchiges Thema: Von Würmers, Lokuskübeln und Badebassins.“ Um 12 Uhr ist – wie an jedem Samstag – der Beginn. Die Teilnahme ist kostenlos.
Die weiteren Vorträge in diesem Monat sind überschrieben: „Glückauf, Kameraden, durch die Nacht zum Licht – Vom Kampf der Bergleute für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und ihrer sozialen Lage“ am 20. August, und eine Woche später, am 27. August, heißt es „Unruhige Zeiten: Wie es den Bergleuten 1919 gelang, ihre Werksleitung vor die Tür zu setzen“.
Am 3. September heißt das Thema: „Helden der Arbeit – Die Grubenwehren im Einsatz“ und am folgenden Wochenende bleibt der Samstag vortragsfrei, dafür sind am Sonntag, 10. September, dem Tag des offenen Denkmals, gleich zwei zu hören: Um 12 Uhr erzählt Gabriele Unverferth „Von schwierigen Anfängen zum größten Bergwerk im Ruhrgebiet – Ein Blick in die Geschichte der Zeche Gneisenau“, und um 15 Uhr berichtet sie über das „Wohnen und Leben im Schatten des Förderturms – Die Wohlfahrtseinrichtungen der Zeche Gneisenau“.
Die Maschinenhalle der Zeche Gneisenau ist über den Parkplatz des Derner Einkaufszentrums zu erreichen. Immer samstags um 10 Uhr wird ein Element des abgrenzenden Bauzauns zur Seite gerückt, als Zeichen dafür, dass die Gäste nun willkommen sind. Der Zugang zur Halle ist nicht barrierefrei und nur über eine Treppe möglich.