Trotz verstärkter globaler Unsicherheiten, zwei Jahren Pandemie, gestörter Lieferketten und Brexit ist das Ruhrgebiet ein starker und wettbewerbsfähiger Standort, der immer internationaler wird. Mehr als 31.000 ausländische Firmen, Gewerbetreibende und Investoren aus 154 Ländern haben im Ruhrgebiet aktuell eine zweite Heimat gefunden – das bedeutet im Vergleich mit dem Jahr 2016 einen deutlichen Zuwachs von 23 Prozent.
Hohe Zahl von Einwohner:innen und hohe Wirtschaftskraft
„Europas viertgrößte Metropolregion ist im Herzen des Kontinents beheimatet und kann mit einer Einwohnerzahl von gut fünf Millionen Menschen und der hohen Wirtschaftskraft von 172 Milliarden Euro aufwarten. Dazu bietet das Ruhrgebiet zahlreiche Hochschulen sowie Forschungseinrichtungen und hervorragende Verkehrsanbindungen. Diese Faktoren sind starke Pluspunkte im internationalen Wettbewerb“, erläutert Wulf-Christian Ehrich, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund und fachpolitischer Sprecher Außenwirtschaft von IHK NRW, bei der Vorstellung der Studie „Ruhrwirtschaft International – Ausländische Unternehmen im Ruhrgebiet 2022/23“.
Die Studie, die Wulf-Christian Ehrich zusammen mit Dr. Georg Hüthwohl, Geschäftsführer der Albonair GmbH aus Dortmund, und IHK-Referatsleiter Dominik Stute vorstellte, entstand unter der Regie der IHK zu Dortmund in enger Zusammenarbeit mit den anderen Ruhr-IHKs. 2016 hatten die Kammern im Ruhrgebiet die letzte umfassende Analyse zur Internationalisierung vorgelegt.
Schwergewichte aus der Industrie, dem Handel und der Logistik wie Evonik, Tengelmann, Rhenus, DB Schenker, Haniel oder WILO üben seit vielen Jahren eine große internationale Strahlkraft aus. Zu den etablierten Firmen gehören mittlerweile aber auch zahlreiche Unternehmen mit internationalen Beteiligungen.
Dies sind etwa die Shimadzu Europa GmbH aus Duisburg, die Schwing GmbH aus Herne, die VESTOLIT GmbH aus Marl, die, die Atlas Copco Kompressoren und Drucklufttechnik GmbH aus Essen, die dormakaba Deutschland GmbH aus Ennepetal sowie die TUMI Services GmbH aus Unna, welche vom Ruhrgebiet aus ihr Europa- und Deutschlandgeschäft lenken.
Albonair in Dortmund gehört zur indischen Hinduja Gruppe
Die Albonair GmbH hat ihren Sitz im Technologiepark Phoenix-West in Dortmund-Hörde. Wo die Hoesch AG bis in die 1990er-Jahre hinein Stahl für den Weltmarkt produzierte, haben sich mittlerweile zahlreiche innovative Unternehmen angesiedelt. Albonair gehört seit seiner Gründung 2007 zur indischen Hinduja Gruppe und produziert sehr erfolgreich Systeme zur Abgasreinigung von Dieselmotoren.
Neben dem Hauptsitz in Dortmund gibt es weitere Standorte in China (Taicang) sowie Indien (Chennai). Geschäftsführer Dr. Georg Hüthwohl kennt die Beweggründe für die indischen Investitionen im Ruhrgebiet ganz genau: „Das Ruhrgebiet bietet sehr gute Fachkräfte, auch durch die vielen Universitäten und Fachhochschulen. Zudem sind die Lebenshaltungskosten in Dortmund niedriger als in Automotive-Metropolen wie Stuttgart oder München.“
Das Ruhrgebiet, das seit Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts von einer starken Zuwanderung profitierte, hat sich im Strukturwandel der vergangenen Jahrzehnte stark verändert. Neu entwickelt haben sich zukunftsträchtige Cluster und Leitmärkte in den Bereichen GreenTech, Ressourceneffizienz, Cybersecurity sowie Logistik und Gesundheitswesen. Im engen Austausch mit Wissenschaft und Wirtschaft ist überdies ein großes Startup-Ökosystem gewachsen.
Gesamtzahl der Unternehmen: IHK zu Essen liegt vorne
Bei der regionalen Verteilung ausländischer Unternehmen im Ruhrgebiet über die einzelnen IHK-Bezirke liegt die IHK zu Essen mit 7.397 Unternehmen an der Spitze. Auf Platz zwei mit 6.322 kommt die IHK zu Dortmund. Dahinter folgen die IHK-Bezirke Duisburg (5.869), Nord Westfalen (5.515), Mittleres Ruhrgebiet (4.454) und Hagen (1.919).
Die Zahl der im Handelsregister (HR) eingetragenen ausländischen Unternehmen ist im Vergleich zur letzten Bestandsaufnahme um 20 Prozent auf insgesamt 3.630 mit mehr als 200.000 Mitarbeitenden angewachsen. Zugleich ist die Zahl der Herkunftsländer der HR-Firmen auf 96 gestiegen.
Das prozentual größte Wachstum in Höhe von 88 Prozent erfolgte von 2016 bis 2022 in der Region der IHK Mittleres Ruhrgebiet (2022: 422 HR-Unternehmen), gefolgt von der SIHK zu Hagen mit einem Wachstum von 35 Prozent (197 HR-Unternehmen). Die meisten HR-Unternehmen gibt es weiterhin im Bezirk der IHK zu Essen: 1.033 Firmen bedeuten ein Plus von 4,8 Prozent gegenüber 2016.
Brexit-Folge: Mehr britische Handelsregister-Unternehmen im Ruhrgebiet
Wie schon in der vergangenen Studie stellen die Niederlande mit deutlichem Abstand die meisten ausländischen HR-Unternehmen im Ruhrgebiet. 532 Betriebe bedeuten einen Gesamtanteil von knapp 15 Prozent. Auf dem zweiten Platz landet Großbritannien: 78 Unternehmen sind seit 2016 hinzugekommen, ein Plus von 14 Prozent.
„Der Brexit hat viele britische Unternehmen dazu veranlasst, einen Sitz in Europa zu suchen, um so weiterhin besseren Marktzugang zu genießen“, erklärt IHK-Außenwirtschaftsexperte Wulf-Christian Ehrich. Auf Platz fünf (und damit neu in den Top 10) landet die Volksrepublik China, die durch die direkte Schienentrasse von Chongqing nach Duisburg in der Region der Niederrheinischen IHK sehr aktiv ist. Mehr als jedes vierte ausländische HR-Unternehmen im Ruhrgebiet ist im Handel tätig (knapp 27 Prozent).
Zahl der syrischen ausländischen Kleingewerben hat sich verzwanzigfacht
Neben den HR-Unternehmen gibt es im Ruhrgebiet eine wachsende Anzahl von ausländischen Kleingewerben (KGT). Diese ist im Vergleich zu 2016 um 23 Prozent gewachsen. So gibt es aktuell 27.846 ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger aus 152 Ländern, die sich im Ruhrgebiet eine eigene Existenz aufgebaut haben. Klassische Branchen für ausländische Kleingewerbe sind der Einzelhandel sowie die Gastronomie. „Damit beleben die ausländischen Kleingewerbetreibenden nicht nur die Innenstädte, sondern bilden den Kern der Unternehmerschaft vor Ort“, so Dominik Stute.
Besonders auffällig: Das stärkste Wachstum in den letzten sechs Jahren haben die syrischen KGT erfahren, ihre Anzahl im Ruhrgebiet hat sich nahezu verzwanzigfacht (2.438). Hier zeigen sich Auswirkungen der massenhaften Flucht aus dem Bürgerkriegsland. Syrien belegt mittlerweile den dritten Platz der Top-10-Herkunftsländer hinter der Türkei (7.523) und Polen (3.400), die weiterhin an der Spitze sind. Neben Syrien gibt es zwei weitere Neuzugänge in den Top 10: Der Irak (527) rückt auf Platz neun, gefolgt von Kosovo (470). Beide haben ihre Anzahl seit der letzten Studie mehr als verdoppelt.
Zur Publikation:
- Auf knapp 30 Seiten bietet die Publikation „Ruhrwirtschaft International – Ausländische Unternehmen im Ruhrgebiet 2022/23“ der Ruhr-IHKs eine detaillierte Übersicht über die Zahl der ausländischen Firmen und Gewerbetreibenden im ganzen Ruhrgebiet.
- Spezifische Informationen zu den Besonderheiten der einzelnen IHK-Regionen sowie Interviews mit Unternehmerinnen und Unternehmern runden die Gesamtdarstellung ab.
Zur Datenbasis der Studie:
- In der Studie wird nach im Handelsregister (HR) eingetragenen Unternehmen und Kleingewerbetreibenden (KGT) unterschieden.
- Ein Handelsgewerbe liegt dann vor, wenn das Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.
- Kapitalgesellschaften wie AG, GmbH und UG haftungsbeschränkt müssen eingetragen werden. Dasselbe gilt für die sogenannten Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG, GmbH & Co. KG).
- Typische Kleingewerbe wie Gastwirtschaften oder kleine Einzelhandelsbetriebe zählen meist nicht dazu. Sie können auf Wunsch in das Handelsregister eingetragen werden.
- Die Publikation „Ruhrwirtschaft International – Ausländische Unternehmen im Ruhrgebiet 2022/23“ mit vielen weitergehenden Informationen finden Sie auf: ihks-im-ruhrgebiet.de/ruhrwirtschaft-international
Reader Comments
„Stadt im Wandel“ Dortmund, wie nachhaltig ist deine Wirtschaft? (PM)
Am Dienstag, den 21. März, findet von 17 bis 19 Uhr der vierte Debattenraum unter dem Titel „Stadt im Wandel“ statt. Das Format des Masterplans Wissenschaft greift aktuelle gesellschaftlich relevante Themen auf und möchte dabei Impulse für die tägliche Arbeit ebenso wie für das Privatleben mitgeben.
Bis zur Abschlussveranstaltung am 2. Mai fördern die Debattenräume den Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Stadtgesellschaft zu dringen Anforderungen-, Problem- und Fragestellungen und wichtigen Themen wie Nachhaltigkeit, Beschäftigung oder Energiezukunft. Bürger*innen, Stakeholder und Interessierte sind herzlich eingeladen.
Beim vierten Debattenraum geht es um das Thema „nachhaltige Wirtschaft“, denn Wirtschaft steht oftmals in der Kritik, nicht nachhaltig zu sein. Gleichzeitig ist Wirtschaft der Motor für den vorhandenen Wohlstand in Industrieländern, wie Deutschland. Häufig diskutieren wir in Krisen zuallererst die Folgen für die Wirtschaft und erst danach die gesellschaftlichen Folgen.
Dr. Friederike Habermann, Volkswirtin & Historikerin, wird zu Beginn einen Impuls zu alternativen Wirtschaftsformen halten. Sie ist Teil des Netzwerks now-net, welches sich für ein Wirtschaften einsetzt, das dem guten Leben aller dient. Ihre Schwerpunkte liegen bei den Ansätzen der Gemeingüter (Commons) und tauschlogikfreiem Wirtschaften. Im Anschluss sind alle eingeladen mitzudiskutieren, wie nachhaltiges Wirtschaften aussehen kann. Der Termin wird organisiert von Sebastian Kreimer (FH Dortmund) und Dr. Arne Elias (Wirtschaftsförderung Dortmund).
Veranstaltungsort ist der „Projektor“ Raum für Innovationen und Zusammenarbeit, der am Westenhellweg 136 Platz für etwa 40 Personen bietet. Die Teilnahme an den Debattenräumen ist kostenlos und ohne Anmeldung möglich.
Weitere Informationen zu den Terminen: https://www.masterplan-wissenschaft.de/stadtimwandel
Veranstalter: Stadt Dortmund und Partner*innen des Masterplans Wissenschaft
Beteiligte Institutionen:
· Stadt Dortmund
· TU Dortmund
· FH Dortmund
· Wirtschaftsförderung Dortmund
· Das Demographie Netzwerk e.V.
China und die EU: Abhängig vom Rivalen in Peking? (PM)
als Onlinekonferenz am 13. März 2024 von 19:30 bis 21:00
An China kommt keiner vorbei – ob Computer, Handys oder Medikamente. Erst seit kurzer Zeit merken wir, wie abhängig wir von einem Land geworden sind, was überhaupt nicht unsere Werte teilt. Freiheit, das Individuum, Grundrechte und generell der Rechtsstaat – alles das, was sich in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg etablierte und 1989 mit dem Fall des Ostblocks endgültig gesiegt zu haben scheint, spielt im „Reich der Mitte“ keine Rolle – im Gegenteil: Es wird bekämpft. Die riesige Bevölkerung scheint das alles mitzutragen, solang die herrschende Partei, die KP, für immer mehr Wohlstand sorgt.
Doch spätestens seit dem letzten Jahr erst hat dieses „stille Abkommen“ zwischen der Diktatur und der breiten Masse Risse bekommen: Die Zeiten eines ungebremsten, gar ungehemmten Wachstums in China scheinen vorbei. Europa versucht zudem unabhängiger zu werden und betreibt immer mehr eine Politik des De-risking. Die USA gehen noch weiter. Viele dort wollen ein De-coupling, eine Loslösung von China.
Jürgen Matthes ist einer der führenden Experten in Deutschland für dieses Thema. Er beschäftigte sich in einer seiner vielen Studien detailliert mit der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung in China.
Siebo Janssen zeigt, was politisch auf dem Spiel steht. Wie verändert sich das „Reich der Mitte“, das für Europa längst ins Zentrum seiner Politik gerückt ist? Wie verändert sich unter diesen Vorzeichen Europa? Was bedeutet dies für eine neue Weltordnung, in der Europa an Einwohnern verliert, aber China immer wichtiger wird?
Die Veranstaltung findet als Online-Videokonferenz statt. Zugangsdaten und weitere Infos erhalten Sie unter: https://www.europe-direct-dortmund.de/event/china-und-die-eu-abhaengig-vom-rivalen-in-peking/