Ein Jahr in Bosnien und Herzegowinas Hauptstadt Sarajevo

Neue Perspektiven und Orientierung: Dies erhofft sich Jannis beim Auslandsfreiwilligendienst

Das Jugendzentrum „Ivan Pavao II“ in Sarajevo wird oft von Freiwilligen aus Partnerprojekten unterstützt. Dies ist auch der Fall für Jannis und seinen Auslandsfreiwilligendienst. Foto: Jannis Klecker

Nach dem Abi erstmal Studium, Ausbildung oder doch ein Jahr Freiwilligendienst? Für Jannis Klecker trifft letzteres zu – aber nicht in Deutschland, sondern in einem Jugendzentrum in Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina. Am 23. September 2024, kurz nach seinem 18. Geburtstag, startete die Reise für den Dortmunder in sein neues Zuhause für das nächste Jahr.

Ein Jahr für sich und die Möglichkeit, neue Perspektiven zu gewinnen

Die Idee des Auslandsfreiwilligendienstes hatte Jannis schon im letzten Jahr, da er sich nicht auf einen Studiengang festlegen konnte: „Ein Jahr ,Auszeit’ haben und sich dann nochmal orientieren zu können, finde ich spannend“, erzählt er. Auch über ein FSJ in Deutschland hat er nachgedacht. „Ich glaube aber, es ist auch mal cool, ein Jahr einen Tapetenwechsel zu haben, um eine neue Perspektive und neues Verständnis zu gewinnen und mal aus der deutschen Bubble herauszukommen.“

Vor wenigen Tagen ging es für Jannis nach Sarajevo in den Freiwilligendienst. Foto: Matilda Buchmann für nordstadtblogger.de

Seine Bewerbung hat er dann Ende November letzten Jahres an die Freiwilligen- und Entsendeorganisation „mundus Eine Welt e.V.“ in Paderborn geschickt. Die Organisation wird vom staatlichen Förderprogramm „weltwärts“ gefördert und hat verschiedene Mitglieder, die Kontakte und Partnerschaften ins Ausland pflegen.

So ein Projektpartner ist auch „go4peace“, eine katholische Organisation aus Kamen, die mit dem Jugendzentrum „Ivan Pavao II“ (deutsch: Johannes Paul II) kooperiert. Dieser Jugendtreffpunkt wurde ab 2005 zusammen mit „go4peace“ mitten in der Hauptstadt gebaut und um 2015 eröffnet. Dort will Jannis jetzt für ein Jahr mit etwa zehn weiteren Freiwilligen aus Deutschland und anderen Ländern aushelfen.

Der Alltag vor Ort kann je nach Arbeitsprojekt von Woche zu Woche unterschiedlich sein

In der Hauptstadt angekommen, kommen Jannis und die zwei andere deutsche Freiwillige in einer WG unter. Bei der Arbeit im Jugendzentrum gibt es dann verschiedene Projekte, wo sie aushelfen können. Jede Woche wird neu abgeklärt, wo man mitwirkt. Das kann dann beispielsweise ein Workshop, ein Sommercamp oder eine Jugendgruppe sein – aber auch im Gastro-Bereich oder bei dem Freizeitprojekt „Oaza“ für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung ist die Mithilfe gern gesehen.

Neben Workshops oder Sommercamps helfen die Freiwilligen auch beim Deutsch-Unterricht aus. Foto: Jugendzentrum Ivan Pavao II

Zudem können Jannis und die anderen Freiwilligen den einheimischen Jugendlichen beim Deutsch-Lernen helfen. Sie selbst haben allerdings auch einen Sprachkurs, um bosnisch zu lernen. „Ich habe aber öfter gehört, dass man mit Deutsch gut zurechtkommt“, versichert Jannis. Und zur Not steht den Freiwilligen eine Mentorin bei Fragen und Problemen zur Seite.

Eine klare Vorstellung, wie genau sein Alltag für das nächste Jahr aussehen wird, hat Jannis aber noch nicht – er lässt es einfach auf sich zukommen. „Konkret geht es bei der Arbeit aber um Versöhnungspolitik vor Ort und demokratische Bildung“, erklärt er. Warum das bei dem Freiwilligendienst im Vordergrund steht, verrät ein kleiner Einblick in die Geschichte und Bevölkerungsstruktur von Bosnien und Herzegowina.

Wieso der Freiwilligendienst besonders auf Versöhnungsarbeit vor Ort abzielt

In dem Land leben drei große Bevölkerungsgruppen: Die Bosniaken bzw. bosnischen Muslime, die serbisch-orthodoxe und die katholisch-kroatische Bevölkerung. Schon seit Jahrzehnten ist zu sehen, dass es Spannungen zwischen diesen Gruppen gibt: Nach dem Zerfall Jugoslawiens kam es in den 1990ern zum Bosnienkrieg, und auch heute ist das Land politisch stark zersplittert. So sind einige Schulen oder andere Einrichtungen beispielsweise nur für bestimmte Bevölkerungsteile gedacht.

Das Jugendzentrum „Ivan Pavao II“ in Sarajevo soll sich grundlegend an Jugendliche und Kinder aller Bevölkerungsgruppen richten, wird aber tendenziell eher von den katholischen Kroaten besucht. „Das Ziel des Projekts ist es, die Spannungen auszuarbeiten und Gesprächsangebote zu schaffen“, erklärt Jannis dazu. „Wir wollen Versöhnungsarbeit leisten.“

Trotz des Interesses am Projekt hat Jannis auch Bedenken bei dem Freiwilligendienst

Eigentlich war es in erster Linie gar nicht Jannis Plan, nach Sarajevo zu gehen – sondern nach Peru. „Bevor ich mich beworben habe, hatte ich Bosnien und Herzegowina gar nicht auf dem Schirm“, gibt er zu.

Auch in dem Gastro-Bereich können die Freiwilligen bei ihrem Dienst aushelfen. Foto: Jannis Klecker

Bei einem Vorbereitungsseminar wurden dann die verschiedenen Freiwilligenprojekte vorgestellt. Das Projekt fand Jannis sehr spannend, aber auch das Land an sich begeistert ihn: „Das ist gar nicht so weit weg – Ich überquere nur drei Ländergrenzen, aber trotzdem ist es historisch, kulturell und religiös so faszinierend und etwas ganz Neues.“

Neben der angespannten Vorfreude vor der Abreise hatte der 18-Jährige aber auch Bedenken: „Ich frage mich schon, ob es nicht doch so ein westliches Hegemoniegefühl ist.“ Allerdings sei das Ziel des Freiwilligendienstes ja auch nicht, vor Ort die Strukturen zu verändern. „Es geht vielmehr um den kulturellen Austausch, Entwicklungspartnerschaften und auch das persönliche Wachstum von uns Freiwilligen.“

Mehr Informationen: Seine Erfahrungen in den kommenden Monaten in Sarajevo will Jannis auf seinem Instagram-Account @jannisgoesbosnia teilen.

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