Der CSD 2015 war ein Erfolg: Die neue Location kam gut an, zieht SLDO-Vorstand Frank Siekmann Bilanz. Erstmals fand das Stadtfest auf dem Friedensplatz statt. Dorthin führte auch die Demonstration – sie startete am Hauptbahnhof.
Keine Störungen durch Neonazis – sie demonstrieren erst Sonntag
Die CSD-Demo war in diesem Jahr etwas schwächer besucht als im Vorjahr, wo sie das erste Mal stattfand.
Allerdings wurde sie damals von vielen antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Gruppen unterstützt, weil die Neonazis nur einen Steinwurf entfernt eine eigene Kundgebung machten.
Dieses Mal fand zeitgleich zum CSD keine Provokation statt: Die Neonazis haben erst für den heutigen Sonntag um 14 Uhr zu einer Kundgebung aufgerufen.
Anlass ist der dritte Jahrestag des NWDO-Verbots. BlockaDO und andere Gruppen haben Gegenprotest angekündigt.
Community feiert sich selbst – und zeigt sich selbstbewusst
Daher konnte die Community ungestört feiern und für ihre Rechte eintreten: „Der CSD gibt uns an einem Tag die Möglichkeit, uns als Community zu feiern und unsere Lebensweise und unsere Forderungen geballt sichtbar zu machen“, betont Siekmann.
„Es geht um Toleranz, Akzeptanz und Respekt den Menschen gegenüber“, sagt Tanja Lindner von „Lili Marlene“. „Es gibt noch viele, die immer noch kämpfen müssen. Das braucht viel Zeit und daher ist der CSD ein wichtiger Tag.“
Vor allem Transidente haben da zu kämpfen: „Wir müssen dem Rest der Bevölkerung zeigen, dass es uns auch noch gibt“, ergänzt Mandy Walczak von Transbekannt.„Transgruppen werden noch nicht so gesehen und toleriert wie die Lesben- und Schwulenszene.“
Politische Motivation steht beim Dortmunder CSD im Mittelpunkt
Die politische Motivation des Festes stehe im Mittelpunkt: Denn der CSD in Dortmund ist – anders als vielleicht in Köln – nicht nur „Karneval“. Einen Festumzug mit Wagen gibt es nicht, wohl aber eine Demonstration.
Es geht um wichtige politische Themen: „Wir haben allein 30 Infostände – schon das ist bemerkenswert“, unterstreicht Frank Siekmann.
Zum Vergleich: In Köln – eine Veranstaltung, die bis zu eine Million Besucherinnen und Besucher zieht, waren es 2014 nur sieben. Hier stehen offenbar Kommerz und Karneval im Vordergrund.
Dortmund ist da deutlich politischer: Das Vorgehen gegen Schwule in Russland und anderen Ländern, aber auch die Neonazi-Provokationen in Dortmund im vergangenen Jahr hätten dem Dortmunder CSD indirekt gut getan, findet Frank Ahland vom Arbeitskreis Schwule Geschichte.
Gleichstellung der „Homo-Ehe“ ist in Deutschland längst überfällig
„Der CSD ist wieder politischer geworden. Wir sind wieder eher bereit, die Forderungen auszusprechen – und das geht über die Öffnung der Ehe hinaus.“
„Wir sind noch immer nicht gleichberechtigt und wichtige Rechte werden uns vorenthalten“, kritisiert sein Mitstreiter Hans-Jürgen Vorbeck.
Die Gleichstellung der „Homo-Ehe“ in Deutschland sei längst überfällig – selbst in den USA sei dies nun beschlossene Sache.
„Alle westlichen Länder haben sich geöffnet. Nur die CDU/CSU ist noch nicht so weit“, bedauert Jürgen Rausch, Mitarbeiter der Jugendtreffs „Sunrise“.
Deutlich höheres Selbstmordrisiko unter homosexuellen Jugendlichen
Hier erleben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass bestimmte Gruppen noch immer benachteiligt werden. Vor allem dann, wenn neben der Homosexualität weitere Kategorien hinzukommen, erklärt Sunrise-Mitarbeiterin Jasmin Klein – zum Beispiel Migrationshintergrund oder Arbeitslosigkeit.
„Dann potenziert sich das Problem, was dich dann ganz zu Boden drückt, wenn du nicht in das heterosexuelle Bild passt“ ergänzt ihr Kollege Jürgen Rausch.
Mit fatalen Folgen: „Das lässt Selbstmord oft als letzten Ausweg erscheinen.“ Die Selbstmordrate ist bei homosexuellen Jugendlichen auch heute noch um ein Vielfaches höher als bei heterosexuellen.
Konservative Werte nehmen zu und erschweren das Coming-Out
Der Druck kommt aktuell auch von einer anderen Seite – den Jugendlichen. „Viele Jugendliche haben wieder konservative Werte“, weiß Brokekemper. „Die Generationenfrage spielt eine Rolle.“
Die, die wieder konservative Werte verträten, machten dies häufig ist einer Abgrenzung zur Eltern-Generation. Vielleicht hätten die ihnen zu viele Freiheiten und zu viel Chaos zugemutet und nicht-funktionierende Patchwork-Strukturen.
Eine Erfahrung, die auch Jürgen Rausch im Jugendtreff gemacht hat. Freundschaft, Liebe und Grundwerte der 50er Jahre kämen wieder – teils erzkonservative Vorstellungen.
Den Grund macht er in der immer komplexer und schnelllebiger werdenden Welt aus. Da kommen längst überholte Rollenbilder wieder hoch.
Umso schwerer werde das Coming-Out für die Jugendlichen. „Zu uns kommen 60 Jugendliche pro Woche. Aber das sind die Mutigsten der Mutigen“, so Rausch.
„Schlau“-Projekt leistet Aufklärungsarbeit in Dortmunder Schulen
Trotzdem oder gerade deswegen sollte die Aufklärungsarbeit in Dortmunder Schulen intensiviert werden. Ein Baustein wird dabei das „Schlau“-Projekt leisten, welches bei „Sunrise“ angedockt ist.
Denn viele Schülerinnen und Schüler sind in der gesamten Schullaufbahn nicht mit „Nicht-Hetero-Themen“ konfrontiert gewesen. Statt dessen ist „schwul“ als Schimpfwort im Gebrauch.
Positiv: In Dortmund gibt es bereits zwei „Schulen der Vielfalt“: Das Bert-Brecht und das Max-Planck.
Grundgesetzlicher Diskriminierungsschutz als Zukunftswunsch
Hans-Jürgen Vorbeck, der sich seit den 50er Jahren mit dem Thema beschäftigt und in einer Lebenspartnerschaft lebt, würde sich wünschen, dass die bisher erreichten Errungenschaften grundgesetzlich verankert würden.
„Sexuelle Identität und Orientierung sind im Diskriminierungsschutz im Artikel 3 nicht erwähnt“, bedauert Frank Ahland. „Es wäre wichtig das aufzunehmen. Dann wäre der besondere Schutz von Ehe und Familie auch kein Thema mehr.“
Bei allen Angeboten wird Vorbeck nicht müde, auf einen wichtigen Punkt zu verweisen: „Ich finde gut, dass es diese Stellen gibt.“ Doch Ziel müsse es sein, die Menschen fit zu machen, dass sie außerhalb geschützter Räume ihre Sexualität ausleben können.
„Sie müssen lernen, dass das normale Leben anders läuft und dass du draußen als Schwuler deinen Mann alleine stehen musst. Das ist die hohe Schule“, betont Hans-Jürgen Vorbeck.
Mehr Informationen:
- Der Christopher Street Day (CSD) erinnert an den ersten bekanntgewordenen Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street. In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 gab es in der Bar Stonewall Inn einen Aufstand gegen gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen mit trans- und homosexuellem Publikum. Daraus entstand die weltweite CSD-Bewegung.
- Rechtzeitige Anmeldungen zu den einzelnen Terminen sichert einen Platz.
- Erstmals gibt es in diesem Jahr einen ausführlichen Programm-Flyer.
- Etliche Sponsoren unterstützen das Projekt finanziell und ideell; hinzu kommt eine Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern.
- Programmdetails: csd-dortmund.de
Reaktionen
LEBEDO
Tag der offenen Tür bei LEBEDO
Die neue Beratungsstelle LEBEDO für lesbische, bisexuelle und transidente Frauen und deren Angehörige lädt alle an den Angeboten der Beratungsstelle Interessierten ab 16 Uhr zu einem Tag der Offenen Tür in die Beratungsstelle in die Nordstadt (Goethestraße 66) ein.
Zum Abend hin wollen wir das Nützliche mit dem Leckeren verbinden und im Garten des Edward-Clement-Hauses grillen. Mehr Infos unter http://www.lebedo.de oder auf Nordstadtblogger unter http://nordstadtblogger.de/17918