Wegen Volksverhetzung sind zwei Neonazis vom Dortmunder Amtsgericht verurteilt worden. Lukas B. (27) bekam sieben, Bastian B. (25) fünf Monate Haft ohne Bewährung. Das Amtsgericht Dortmund sah es für erwiesen an, dass die beiden Aktivisten der Partei „Die Rechte“ mit ihrem aggressiven Auftreten und dem Skandieren von Parolen an Pfingstmontag 2015 in der Nordstadt alle Kriterien für den juristisch schwierig zu packenden Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt hätten.
Berufung oder Revision gegen das Urteil sind möglich und wahrscheinlich
Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig – die beiden Neonazis können Berufung einlegen oder in die Revision gehen.
Ihnen wird vorgeworfen, im Nachgang einer Kundgebung in der Nordstadt aggressiv auf Polizisten und Gegendemonstranten zugegangen zu sein. Dabei skandierten sie Parolen wie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“, „Ali, Mehmet, Mustafa, geh zurück nach Ankara“ und „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“.
Die Äußerungen seien „geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören“ – gerade mit Blick auf die zahlreiche ausländischen Bewohnerinnen und Bewohner in der Nachbarschaft. Die Kundgebung fand im Bereich der Stahlwerkstraße statt.
Polizisten als Zeugen konnten wenig zur Aufklärung beitragen
Um dies zu belegen, hatte das Gericht insgesamt fünf Polizisten vorgeladen. Vier von ihnen – Mitglieder der Einsatzhundertschaft – konnten die Vorwürfe kaum mehr bestätigen.
Lediglich Lukas B. erkannten alle Beamten wieder, weil dieser regelmäßig als Rädelsführer auftritt und auch bei der besagten Kundgebung die Parolen angestimmt.
Wichtigstes Beweismittel war daher ein Polizeivideo, welches sowohl das aggressive Auftreten als auch die Parolen belegen sollte. Allerdings sahen sich die Verfahrensbeteiligten das Video zunächst ohne (!) Ton an, was natürlich die Beweisführung erschwerte.
Richter rüffelte den Dortmunder Staatsschutz-Beamten
Auch der Beamte des Dortmunder Staatsschutzes, der das Video laut Aktenlage gefertigt und ausgewertet hatte, konnte zur weiteren Erhellung des Sachverhalts nichts beitragen. Der Grund: Er war nicht (!) auf der Kundgebung und hatte lediglich am Schreibtisch acht Neonazis im Video identifiziert.
Das Beweisvideo stammte von der Einsatzhundertschaft. Den irreführenden Text der Akte hatte der Polizeibeamte offenbar einfach kopiert – inklusive des Vermerks, dass der Verfasser der Akte auch selbst gefilmt habe.
Daher kassierte der Staatsschützer einen Rüffel des Richters. Schließlich wollte dieser den Urheber des Videos vorladen. Im Verlauf der Verhandlung konnte der Richter zumindest noch den Ton starten, so dass zumindest so die Parolen belegt werden konnten.
Neonazi Lukas B. bestritt die Strafbarkeit der skandierten Parolen
Diese hatte Lukas B. auch eingeräumt. Allerdings sah er diese nicht als strafbar und führte an, dass diese Parolen bei einer Vielzahl von Kundgebungen skandiert wurden – aber nie geahnt worden waren.
Für den Richter war dies aber kein Argument. Auch viele Ladendiebstähle und Drogendelikte würden nicht geahndet. Deshalb seien sie dennoch strafbar. Bastian B. ließ sich nicht zur Sache ein und überließ seinem Anwalt das Reden.
Auch die Verteidigung hob auf diese Äußerungen und zahlreiche Urteile ab, die deutlich machten, dass diese allein nicht reichten, um eine Verurteilung wegen Volksverhetzung zu erreichen. Die notwendigen ergänzenden Rahmenbedingungen seien nicht erfüllt.
Doch damit wird sich – im Fall einer Berufung – das Landgericht befassen müssen. Denn das Schöffengericht sah den Tatbestand der Volksverhetzung für erfüllt an.
Keine mildernden Umstände – beide Neonazis sind vielfach vorbestraft
Mildernde Umstände – sie hätten für eine geringere Strafe oder eine Aussetzung zur Bewährung sprechen können – sah das Gericht nicht.
Die Ursache lag vor allem in den Vorstrafen der beiden Angeklagten: Lukas B. hat bereits elf Einträge im polizeilichen Führungszeugnis, Bastian B. bringt es bereits auf sieben.
Bastian B. bekam daher fünf Monate Haft ohne Bewährung. Lukas B. kam auf insgesamt sieben. Sechs Monate gab es allein für die skandierten Parolen.
Außerdem hatte das Amtsgericht ein zweites Verfahren angeschlossen, bei dem der 27-Jährige einen Unbeteiligten ohne Einwilligung gefilmt und als „Linksextremisten“ auf der Facebookseite der Partei „Die Rechte“ diffamiert hatte. Dieser hatte dagegen Anzeige erstattet und Lukas B. als Kameramann benannt.
Isoliert betrachtet hätte es wegen dieses Vergehens eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen von je 40 Euro gegeben. Das Gericht bildete stattdessen eine Gesamtstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung.
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