Juden und Palästinenser weisen antisemitische Parolen zurück – die Polizei in Dortmund ermittelt gegen Neonazis

Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot ziehen die Neonazis jeden Montag durch die Nordstadt.
Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot ziehen die Neonazis jeden Montag durch die Nordstadt.

Montag für Montag wollen die Dortmunder Neonazis durch die Nordstadt ziehen. Sie erhoffen sich möglichst gewalttätige Gegenproteste, um eine entsprechende bundesweite Aufmerksamkeit zu erregen. Durch das Skandieren von Anti-Israel-Parolen am Jüdischen Neujahrsfest ist ihnen das gelungen: Der israelische Botschafter hat sich zu Wort gemeldet. Allerdings sind auch andere ZuhörerInnen sehr aufmerksam: Der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange hat gegenüber Nordstadtblogger bestätigt, dass seine Behörde alle Parolen rechtlich neu bewerten will.

Scharfe Kritik der Anti-Israel-Parolen durch israelischen Botschafter

Am vergangenen Montag (30. September 2019) waren die Neonazis erneut durch die Nordstadt gezogen. Sie hatten unter anderem „Nie wieder Israel!“ Und „Palästina hilf uns doch, Israel gibt es immer noch“ skandiert.

Diese Ausrufe am jüdischen Neujahrsabend veranlassten den israelischen Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, zu einer scharfen Kritik daran.

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„Es ist beschämend, Neonazis offen auf den Straßen von Dortmund zu sehen, während wir das jüdische Neujahr feiern. Die Urgroßeltern meiner Frau stammten aus Dortmund und wurden von den Nazis ermordet. Wo keine Reue ist, kann es keine Vergebung geben“, twitterte er auf seinem Privat-Account auf englisch. Anschließend verbreitete die Botschaft über ihren offiziellen Account die Nachricht auf Deutsch.

Neonazis versuchen von Iranern und Palästinensern Unterstützung zu bekommen

Rabbiner Baruch Babaev - hier beim Holocaust-Gedenken in Dorstfeld, verurteilt den als Israel-Kritik getarnten Antisemitismus.
Rabbiner Baruch Babaev – hier beim Holocaust-Gedenken in Dorstfeld, verurteilt den als Israel-Kritik getarnten Antisemitismus. Fotos: Alex Völkel

Auch der Dortmunder Rabbiner Baruch Babaev zeigte sich betroffen. „Es macht uns sehr traurig, dass es nicht geglückt ist, die Neonazis aufzuhalten“, sagte er im Gespräch mit Nordstadtblogger. Dies sei als Israel-Kritik getarnter Antisemitismus. Er hofft, dass sich künftig wieder mehr Menschen den Neonazis in den Weg stellen beziehungsweise dagegen protestieren.

Die Neonazis haben bis zum 23. Dezember an jedem Montag eine Demo durch die Nordstadt angemeldet. Am heutigen Montag steht sie unter dem Motto „Hier marschiert der nationale Widerstand“.

„Das ist das Problem der gesamten Gesellschaft und nicht nur der Juden in Dortmund. Ganz Europa hat unter den Nazis gelitten“, erinnerte der Rabbiner an die Gräuel während der Nazi-Diktatur und dem Zweiten Weltkrieg. Daher sieht er die Gesellschaft, Parteien, Kirchen, Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften gefordert, aktiv zu werden.

„Die Nazis sind gegen alle Minderheiten. Jetzt versuchen sie, Israel in der Rolle des Aggressors darzustellen, um Verbündete in der islamischen Welt zu finden“, verdeutlicht Baruch Babaev. 

Solche Versuche sind nicht neu: Schon vor mehr als zehn Jahren zogen die Neonazis mit iranischen Fahnen durch Dortmund. Das Front-Banner mit dem Bild des damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadineschād und den Sprüchen „A World without Zionism“ und „Anti-Zionist Friendship“ wurden seitdem immer wieder verwendet. 

Palästinenser-Organisationen in Dortmund lehnen die Instrumentalisierung ab

Immer wieder richten die heimischen Neonazis ihre Aktivitäten gegen den Staat Israel.
Immer wieder richten die heimischen Neonazis ihre Aktivitäten gegen den Staat Israel.

Am 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels demonstrierten die Neonazis in Dortmund unter dem Motto „Israel ist unser Unglück“. Dazu schwenkten sie palästinensische Fahnen und luden Geflüchtete ein, gemeinsam gegen den „Aggressor Israel“ ein Zeichen zu setzen. Daran knüpft die jüngst gerufene Parole „Palästina hilf uns doch, Israel gibt es immer noch“ an.

Solche Instrumentalisierungen lehnen die Palästinensische Gemeinde in Dortmund sowie der Deutsch-Palästinensische Länderkreis in der Auslandsgesellschaft allerdings entschieden ab: „Wir distanzieren uns von den Neonazis und stehen nicht hinter diesen Parolen“, stellt Omar Al-Ghawi, einer der Sprecher der beiden Organisationen, klar. 

„Das ist total unverschämt. Sie versuchen uns für ihre anti-israelische und antisemitische Politik zu instrumentalisieren. Dabei sind wir selbst aktiv am Runden Tisch“, sagte Al-Ghawi mit Blick auf ihr Engagement gegen Rechtsextremismus in Dortmund. 

Das OVG sieht den Straftat-Bestand der Volksverhetzung bisher nicht erfüllt

Um was geht es? Gegen das Skandieren der Parole „Nie wieder Israel!“ ist die Dortmunder Polizei bereits bei einer Versammlungslage vor rund einem Jahr im Rahmen einer versammlungsrechtlichen Auflage vorgegangen. Nach Bewertung der Polizei Dortmund war diese Parole klar antisemitisch. Mit dieser Meinung konnte sich die Polizei jedoch nicht beim Oberverwaltungsgericht durchsetzen.

Nach Auffassung des OVG werden allein durch das Skandieren dieser Parolen die Grenzen der Meinungsfreiheit nach Art 5 GG noch nicht überschritten.

Unter anderem argumentiert das Gericht, dass die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausscheidet, „weil der Antragsgegner kein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit benennt, das durch das Rufen einer Parole wie ‚Nie wieder Israel‘ gefährdet sein könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Parole gegen den insoweit in Betracht kommenden Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 StGB verstößt.“

Weiter heißt es in der Entscheidung: „(…), erfüllt die Parole ‚Nie wieder Israel‘ für sich genommen nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung. Sie überschreitet mit Blick auf die beschriebene Wirkung und Reichweite des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG die Schwelle zur Strafbarkeit nicht.“

Abschließend stellt das Gericht fest: „Im Weiteren lässt sich (…) auch keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung erkennen. Der Antragsgegner hat keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür angeführt, dass der Antragsteller die Parole ‚Nie wieder Israel‘ oder eine vergleichbare Äußerung im Zuge der von ihm angemeldeten Versammlung mit einem paramilitärischen oder einem sonst die Bevölkerung einschüchternden aggressiven, gewalttätigen Auftreten verknüpfen wird“, heißt es im Richterspruch.

„Der Einsatz von schwarz-weiß-roten Fahnen, auf den der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung verweist, reicht für eine derartige Annahme nicht aus. Dasselbe gilt für das seitens des Antragsgegners erwartete Auftreten stadtbekannter Rechtsextremisten“, so das OVG.

Polizeipräsident sieht darin keine „Israel-Kritik“, sondern antisemitische Äußerungen

Dennoch glaubt die Dortmunder Polizeiführung, dass sich die Rahmenbedingungen mittlerweile verändert haben. Denn das Auftreten der Neonazis in Dortmund mache deutlich, dass die Aktionen sich nicht nur gegen den Staat Israel, sondern auch gegen die hier lebenden Menschen jüdischen Glaubens richteten. Diese wäre dann ein Straftatbestand.

Polizeipräsident Gregor Lange und seine Vertreter im Netzwerk, Olaf Goldhagen, bei der Unterzeichnung.
Polizeipräsident Gregor Lange und sein Vertreter im Netzwerk, Olaf Goldhagen, bei der Unterzeichnung der Grundsatzerklärung gegen Antisemitismus.

Daher geht die Dortmunder Polizeibehörde davon aus, dass man die Rahmenbedingungen und Gesamtumstände sehr wohl neu bewerten könne. „Nach der OVG-Entscheidung hat sich einiges verändert. Auch im Wahlkampf wurde auf Antisemitismus zugespitzt“, betonte Gregor Lange im Gespräch mit Nordstadtblogger.

Insbesondere das Skandieren der Parole „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“, aber auch die Provokationen und wiederholten Störversuche der Gedenkveranstaltungen zum 9. November (Reichspogromnacht) in Dorstfeld, die Unterstützung der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, Äußerungen gegen jüdische MitbürgerInnen sowie die verschiedenen Plakataktionen könnten dies untermauern.  

Ob dies allerdings vor Gericht Bestand hat, weiß auch Lange nicht. „Das ist keine Mathematik und nicht sicher, dass das vor Gericht hält, aber wir werden die Karte ziehen. Daher werden wir anders auf die Parolen  bei der nächsten Versammlung reagieren“, kündigte der Polizeipräsident an. 

„Wir werden versuchen, einen anderem Umgang damit zu finden. Wir können aber nicht über die OVG-Rechtsprechung hinweggehen“, so Lange weiter. Stattdessen wolle man versuchen, eine gerichtliche Neubewertung zu erreichen. Das sei auch bei der „Antisemit“-Parole so gewesen – dies richte sich nicht gegen den Staat, sondern habe volksverhetzenden Charakter. Gegen acht Neonazis läuft daher ein Strafverfahren. 

Proteste gegen „Thor Steinar“-Laden in der City gehen weiter

Jeden Montag wird gegen den „Thor Steinar“-Laden in der City protestiert.
Jeden Montag um 18 Uhr wird gegen den „Thor Steinar“-Laden in der Dortmunder City protestiert.

Nicht nur die Neonazis demonstrieren jeden Montag, auch BlockaDO ruft jeden Montag zum Protest auf. Los geht es bereits um 18 Uhr auf dem Brüderweg, wo seit einem Monat ein Laden eröffnet hat, der die bei Neonazis sehr beliebte Szenemarke „Thor Steinar“ vertreibt. Dagegen wird seitdem jeden Montag demonstriert.

Auch der Vermieter würde am liebsten seinen neuen Mieter wieder loswerden. Doch das könnte schwieriger werden als erhofft. Denn die Begründung, dass er sich getäuscht fühlt, könnte vor Gericht nicht greifen. Denn im Mietvertrag ist „Thor Steinar“ als Marke aufgeführt. Diese war dem Vermieter aber bis zu den Protesten vor seiner Immobilie unbekannt. 

Laut einem Bericht hofft er nun darauf, dass er den Fünf-Jahres-Mietvertrag deshalb angreifen kann, weil sich die anderen Mieter gestört und bedroht fühlen. Drei Mieter sollen bereits gekündigt haben. Bereits bei der ersten Kundgebung gegen den Laden wurden Mieter von Neonazis bedrängt, weil sie ihren Unmut gegen die neuen Nachbarn zum Ausdruck brachten.

AK gegen Rechtsextremismus sieht im Laden einen Neonazi-Stützpunkt in der City

Der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus ist entsetzt über die Eröffnung eines Ladens: „Wir sehen darin einen Baustein der Verfestigung der rechtsextremistischen Szene in Dortmund, die von der Bürgerschaft nicht einfach hingenommen werden kann“, so die beiden Sprecher, Jutta Reiter vom DGB und Friedrich Stiller von der Evangelischen Kirche. 

Die Neonazis bauten sich als „Schutzstaffel“ vor dem Laden auf und machten die Security arbeitslos.
Die Neonazis bauten sich bei der ersten Demo als „Schutzstaffel“ vor dem Laden auf. Mieter wurden dabei bedrängt.

„Es ist ein schlechtes Zeichen, dass sie jetzt eine Art Stützpunkt in der Innenstadt haben, wo Stadt und Polizei sie in Dorstfeld doch durch das Entfernen der Nazikiez- Schmierereien gerade in die Schranken gewiesen haben.“ Der Arbeitskreis begrüßt daher, dass sich Engagierte und Anwohner derzeit jeden Montag vor dem Laden zum Protest versammeln. 

Nachdem Stadt und Vermieter in den letzten Tagen bekannt gemacht haben, dass sie keine schnelle rechtliche Lösung sehen, müsse sich die Bürgerschaft aber vermutlich auf eine längere Auseinandersetzung mit dem Laden einstellen. „Wir fürchten, dass wird ein Dauerlauf, keine Kurzstrecke“, so die beiden Sprecher des Arbeitskreises.

„Auf keinen Fall dürfen wir uns an den Zustand gewöhnen, auch wenn die Marke geschickt auf der rechtsstaatlichen Klaviatur spielt und die zahlreichen Anspielungen auf die NS – Zeit geschickt versteckt“, so Reiter und Stiller. 

Dies zeige sich schon im Namen: Während Thor als germanische Gottheit auf die nordische Mythenwelt hinweist, spiele der Name Steinar vermutlich auf den ehem. General der Waffen -SS Felix Steiner an. Eins ist dem Arbeitskreis bei allem wichtig: „So schwer erträglich die Ansiedlung des Ladens ist, Gewalt ist für Demokraten und Demokratinnen kein Mittel der Auseinandersetzung“, so die AK – Sprecher.

Nordstadt-Demos als Ausdruck „großer Frustration“ – Angebote an Zivilgesellschaft

Friedliche Sitzblockaden wird die Polizei - wenn sie keine „grobe Störung“ darstellen - umgehen.
Friedliche Sitzblockaden wird die Polizei – wenn sie keine „grobe Störung“ darstellen – umgehen.

Auch zu den von der Partei „Die Rechte“ angekündigten Aufmärschen bis Weihnachten bezog der Arbeitskreis Stellung. Sie seien Ausdruck einer hohen Frustration über die eindeutigen Grenzen, die Stadt, Polizei und Zivilgesellschaft setzen.

„Die montäglichen Aufmärsche in der Nordstadt sind Versuche der eigenen Selbstvergewisserung einer Szene, die tief getroffen ist. Mit Aktionismus und Erlebnisorientierung muss der Zusammenhalt inszeniert werden“, so die Gewerkschaftsfrau und der Kirchenmann.

Jutta Reiter und Friedrich Stiller vom Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus.

Der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus rufe die Anwohner und Anwohnerinnen in der Nordstadt auf, sich zu mobilisieren. Mit Hilfe des Integrationsrates und der Vereine in der Nordstadt könnten die Menschen erreicht werden.

Das Bündnis, das in der Mitte der Gesellschaft breit aufgestellt ist, bietet den Mitgliedern vor Ort und allen Akteuren im Stadtteil seine Unterstützung an, um nachhaltigen Protest zu organisieren. Gedacht ist dabei nicht zuletzt an Migrantenorganisationen. Erste Kontakte wurden geknüpft.

Der Arbeitskreis macht auch konkrete Angebote: „Wir sind gerne bereit, vor Ort zu helfen, zum Beispiel bei der Planung von Demos. Es gibt gute Erfahrungen in Huckarde und Marten, wie man sich im Quartier gemeinsam aufstellen kann. Außerdem bieten wir Banner, Aufkleber und Plakate an, die helfen, Flagge zu zeigen für ein demokratisches Dortmund.“

 

UPDATE:

Pressemitteilung der Polizei (7.10.2019, 12.11 Uhr)

Vor einer Demonstration von Rechtsextremisten am Montagabend (7.10.) in der Dortmunder Nordstadt hat die Polizei dem Anmelder wiederholt strenge Auflagen erteilt und darin die jüngsten Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen und des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgenommen.

Nach Auswertung der Versammlung vom 30. September 2019 wird die Polizei solche Parolen und Banner, die geeignet sind, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu stören, in einen Gesamtzusammenhang stellen und mögliche Folgen genau überprüfen.

Die Polizei weist auf Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs hin, die wegen der von Rechtsextremisten angemeldeten Versammlung in der Nordstadt entstehen können. Betroffen sind ab 19.30 Uhr die Steinstraße/Grüne Straße (Agentur für Arbeit), Schützenstraße und Mallinckrodtstraße. Mit einem flexiblen Sperrkonzept will die Polizei die Beeinträchtigungen so kurz wie möglich halten.

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Reader Comments

  1. DKP Dortmund (Pressemitteilung)

    Einladung zur Gedenkkundgebung auf dem Nordmarkt

    Am 16. Oktober 1932 drangen ca. 800 uniformierte Nationalsozialisten unter Polizeischutz in Gruppen zu 80 bis 100 auf verschiedenen Wegen in die Dortmunder Nordstadt ein. Auf dem Nordmarkt und in den umliegenden Straßen kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der antifaschistischen Arbeiterschaft des Dortmunder Nordens. Zwei Tote und 12 Verletzte waren zu beklagen.

    Aus diesem Anlass ruft die DKP Dortmund wie in den vergangenen Jahren zu einer Gedenk-Kundgebung auf dem Nordmarkt auf. Die Veranstaltung soll an den Kampf gegen den Nationalsozialismus erinnern und zum Widerstand gegen Rechtsextremismus in der Gegenwart aufrufen.

    Es spricht Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregi-mes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten)

    Wann und wo?
    Am Sonntag, 13. Oktober, um 14:00 Uhr auf dem Nordmarkt

  2. ANTIFA Medienzusammenhang Dortmund (Pressemitteilung)

    Dokumentation: Erklärung zu den zwölf angekündigten „Montagsdemonstrationen“ der Partei „Die Rechte“

    Zum vierten Mal innerhalb kürzester Zeit marschierten am Montag, dem 7. Oktober 2019, Neonazis aus dem Umfeld der Partei „Die Rechte“ durch die migrantisch geprägte Dortmunder Nordstadt. Die Splitterpartei hat angekündigt, bis zum 23. Dezember jeden Montag weitere Aufmärsche in der Nordstadt durchführen zu wollen. Wir wollen dies zum Anlass nehmen, einige grundlegende Punkte in Bezug auf den Umgang mit rechten Versammlungen im Stadtteil und ausbleibender Solidarität mit den betroffenen Anwohner*innen anzusprechen.

    Am 20. September verkündete Polizeipräsident Gregor Lange: „Wir werden streng darauf achten, dass unsere vielfältigen Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Hass und rechter Hetze minutiös eingehalten werden. Bei Verstößen werden wir konsequent einschreiten!“ Die Nazidemonstration solle „nicht an die Gedenkstätte Steinwache, nicht an den Gedenkstein für das NSU-Opfer Mehmet Kubaşık, nicht an den Nordmarkt und auch nicht an den Mehmet-Kubaşık-Platz“ führen.
    Zehn Tage später, am 30. September 2019, interessiert das die Einsatzleitung und Polizeiführung anscheinend nicht mehr. Entgegen den zuvor getätigten Verlautbarungen der Polizei wurden die Neonazis vor ihrer Demonstration sehr wohl am Mahnmal und an der Steinwache vorbeigeleitet. Die Route der Demonstration führte in unmittelbarer Nähe über die Münsterstraße am Mehmet-Kubaşık-Platz vorbei. Mit antisemitischen Parolen wie „Nie wieder Israel“ und „Palästina hilf uns doch – Israel gibt es immer noch!“ konnten Neonazis der Partei „Die Rechte“ an Rosch Ha-Schana (dem jüdischen Neujahrsfest) und dem Jahrestag des Massakers von Babyn Jar durch Dortmund ziehen. Unbehelligt blieben seitens der Polizei auch rassistische Parolen wie z.B. „Abschieben, Abschieben!“ in Richtung von Personen am Rande der Demonstration. Bei den Demonstrationsteilnehmer*innen handelt es sich um Neonazis, die zum Teil seit Jahrzehnten rechte Terrorkonzepte propagieren. Der mutmaßliche Deutschland-Sprecher des rechten Netzwerks Combat 18 trug bei der Demonstration am 30. September das Frontbanner.

    SITZBLOCKADEN SIND SCHÖN, WENN SIE NICHT STÖREN
    Nachdem die Nazidemo am 20. September um einen Blockadenparcours herum durch die Nordstadt geführt werden musste, sah sich die Polizeiführung vor der ersten Montagsdemo der Nazis am 30. September dazu veranlasst, sich etwas grundsätzlicher zu ihrem Umgang mit Blockaden zu äußern. Die Nordstadtblogger berichteten:

    Daher werde die Polizei auch nicht gegen friedliche Sitzblockaden vorgehen. Denn einen Handlungsbedarf dagegen gebe es nur, wenn daraus versammlungsrechtlich „grobe Störungen“ entstünden – das wäre eine Straftat. „Wenn eine Umgehung möglich ist, ist kein Straftatbestand erfüllt“, macht Lange deutlich.“

    Wer dachte, dass sich nun etwas ändern könnte, wurde enttäuscht. Eine Sitzblockade am 30.9. etwas abseits der Route in der Schützenstraße wurde halbwegs in Ruhe gelassen. Schon der Ansatz einer Sitzblockade an der Helmholtz-Schule auf der Route vor der Nazidemo wurde ohne Vorwarnung brutal von der Straße geräumt. Wie mit einer handvoll Leuten die obere Münsterstraße so blockiert werden kann, dass „keine Umgehung möglich ist“, wird das Geheimnis der Einsatzleitung bleiben. Eine Sitzblockade am 7.10. in der Schützenstraße wurde mit dem Vorwurf des Landfriedensbruchs belegt, nachdem die Nazidemo direkt an ihr vorbei geleitet wurde.

    Die polizeitaktische Zurückhaltung von öffentlich relevanten Informationen im Vorfeld verbunden mit dem Schweigen von Zivilgesellschaft und Politik führt dazu, dass die Grundproblematik der Aufmärsche („Rassisten provozieren im migrantischen Viertel“) als rein ordnungspolitisches Problem verhandelt wird und die Nordstadt für den taktischen Erfolg in Dorstfeld (dem medienwirksamen Übermalen der „Nazikiez“-Graffitiwand) geopfert wird. Die Polizeiführung betonte, dass die Reaktionen der Nazis „einkalkuliert“ worden seien und man nun nur „hoffe“, dass nicht durch „linke Gewalt“ die Nazis mehr Aufmerksamkeit bekommen, als sie verdienen. Nun sorgte aber nicht die „linke Gewalt“ für die Aufmerksamkeit über Dortmunds Stadtgrenzen hinaus, sondern die Tatsache, dass einmal mehr Neonazis mit offen antisemitischen und rassistischen Parolen geschützt durch mehrere Hundertschaften der Polizei auf Dortmunds Straßen hetzen durften.
    Die alte Strategie des Aussitzens und Herunterspielens rechter Umtriebe erfährt eine taktische Aktualisierung mit dem gleichen Ergebnis: Eshilft nichts. Was die immer wieder von der Polizei vorgetragene „Null-Toleranz-Strategie gegen Rechts“ wert ist, muss daran gemessen werden, dass sie rassistischen Hetzer*innen zum Spaziergang durch das migrantische Viertel den roten Teppich ausrollt und daran, dass antisemitische Parolen auf Dortmunds Straßen Realität sind.

    FAILED STATE DORTMUND (NORDSTADT)
    Bemerkenswert im Zusammenhang mit den Naziaufmärschen in der Nordstadt ist das nahezu vollständige Ausbleiben einer Positionierung von Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Die „professionellen“ Antifaschist*innen, die vor allem dann lautstark ihren Kampf gegen Rechts feiern, wenn sie irgendwo ein Transparent in eine Kamera halten können, hüllen sich zu all dem in Schweigen. Öffentlichkeitswirksame konzertierte Aktionen wie das Übermalen von Nazigraffiti werden hervorgehoben, der antifaschistische Protest in der belebten Dortmunder Innenstadt wird dagegen öffentlich unterstützt.

    Die Presse berichtet zunächst kaum und hat ohnehin keine Reichweite hin zur mehrheitlichen Bevölkerung der Nordstadt. Ein großer Teil der Menschen im Stadtviertel weiß überhaupt nichts davon, dass bis zum 23. Dezember jeden Montag ein Ausnahmezustand im Stadtviertel droht undNeonazis direkt vor ihrer Tür hetzen dürfen. Von den Parteien des Bezirks gibt es kein einziges Statement dazu, dass in dem von ihnen regierten Stadtteil innerhalb von drei Monaten 15 Naziaufmärsche stattfinden sollen. Wieso überhaupt noch kommunal wählen (sofern wahlberechtigt) bzw. sich engagieren, wenn den Stadtteil also allein die Polizei regiert? Angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks und der anhaltenden Bedrohung durch rechten Terror fragen wir uns: Wo bleibt die Solidarität mit den Nordstadtbewohner*innen und den migrantischen Communities?

    WIE WEITER?
    Sowohl die Eröffnung des Nazi-Modeladens in der City, als auch die Aktion der AfD im Dietrich-Keuning-Haus und die Nazi-Demos, konnten positiv gewendet werden. Am Thor-Steinar-Laden „Tønsberg“ in der Innenstadt gab es einen gelungenen mehrwöchigen Kampagnenauftakt, der sich zu einem sozialen, spektrenübergreifenden Treffpunkt des antifaschistischen Dortmund etabliert hat. Bei der AfD gab es breiten Protest, der trotz unterschiedlicher Ziele dazu geführt hat, dass die Veranstaltung nicht unwidersprochen verlaufen konnte.

    Jeder Aufmarsch der Nazis in der Nordstadt ist zur Zeit die Gelegenheit, Dinge auszuprobieren, die Selbstorganisation von Gruppen, Zusammenhängen und Mobilisierten etwas besser hinzubekommen und am Ende eine viel höhere Dynamik auf der Straße zu erreichen. Neu ist dabei, dass der Kontakt zu Anwohner*innen sich deutlich verbessert hat und einen guten Anteil am Protest einnehmen: von gelangweilten Kids, die Rassist*innen hassen und sich darauf freuen, dass an den nächsten Montagen „mal was los ist“ zu spontanen Beteiligungen an Sitzblockaden.

    Wir werden daran weiter festhalten und uns auch für die potentiellen weiteren Aufmärsche jedes Mal etwas einfallen lassen. Wir sind dabei auf Unterstützung von außen angewiesen. Wir möchten uns hier schon bedanken: Danke für #dankeantifa und all diejenigen, die uns von immer wieder auf vielfältige Weise unterstützen, sei es durch ihren Zuspruch oder aktiv auf der Straße. Wir wünschen uns eine noch breitere Unterstützung, sollte es in den nächsten Wochen zu weiteren Aufmärschen kommen.

    Gemeinsam gegen Neofaschismus & Rechtspopulismus!
    Gemeinsam gegen Rassismus & Antisemitismus!
    Zusammenhalten gegen den Rechtsruck.

    Antifaschist*innen aus Dortmund, Oktober 2019

    Diese Erklärung wurde verfasst von Personen, Gruppen, Zusammenhängen und Läden, die im Rahmen der Proteste gegen Nazis in der Nordstadt aktiv sind.

    Weitere Infos https://dab.nadir.org

  3. Bündnis Dortmund gegen Rechts (Pressemitteilung)

    Bündnis Dortmund gegen Rechts: Erklärung zu den Aufzügen der Rechten in der Nordstadt

    Jeden Montagabend bis Weihnachten wollen die Miglieder der Partei ”die Rechte”, richtiger die kriminellen Gewalttäter des verbotenen Nationalen Wideerstands, die sich hinter dem Parteinamen verstecken, in der Nordstadt aufmarschieren. Dort haben bereits ihre Vorgänger, Borussenfront und FAP, in den 80er Jahren ihren Hass gegen Migrant/innen ausgetobt. Die heutigen wöchentlichen Aufmärsche sind die Antwort auf das bunt übermalte widerliche Logo “Nazikiez”, mit dem sie Dorstfeld für sich reklamieren wollen.

    Ein riesiges Polizeiaufgebot schützt nun das Demonstrationsrecht, unter dem die Nazis marschieren. Als “unproblematisch” schätzt die Polizei ihren Einsatz am letzten Montag ein. Zwei Nazis wurden wegen antisemitischer Parolen “identifiziert”, 41 Gegendemon-strant/innen, die durch eine Sitzblockade den Aufmarsch stoppen wollten, wurden erkennungsdienstlich behandelt und stundenlang festgehalten.

    Wir halten es allerdings für hochroblematisch, dass diese rassistische, antisemitische Bande das demokratisch legitimierte Versammlungsrecht derartig für ihre Zwecke missbraucht, sind sie doch die größten Feinde der Demokratie. Sie sind aufs Engste verknüpft mit den Terrornetzwerken von combat 18, blood and honour, dem NSU und Kampfsportgruppen. Sie sind brandgefährlich. Sie zu schützen und die, die sich ihnen in den Weg setzen, zu kriminalisieren, das ist nicht nur problematisch, sondern wider-spricht auch der ständigen Aufforderung, sich gegen Rechts zu engagieren.

    Unsere Solidarität gehört den Nordstadtbewohner/innen und Nazigegner/innen, die die Nordstadt verteidigen, ob mit Kirchenglocken oder friedlichen Sitzblockaden.

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