Von Marei Thiele und Sandra Danneil
Im Grafenhof, eine kleine Straße abseits des Westenhellwegs, befindet sich das „Café Kick“ – der zurzeit einzige Drogenkonsumraum inmitten der Dortmunder Innenstadt. Aufgrund massiver Beschwerden durch Anwohner:innen und Geschäftstreibende beschloss der Stadtrat schon im Februar dem Zustand ein Ende zu setzen. Man war sich einig: Der Raum muss weg aus der Innenstadt, hin zu einem weniger sichtbaren Ort. Über das „Quo Vadis, Konsumraum?“ diskutierten zwei CDU-Ratsmitglieder mit Presse und Zivilgesellschaft bei einem Ortstermin.
Zunehmender Drogenkonsum im Umfeld des Druckraums
Seit mehr als 20 Jahren existiert der Drogenkonsumraum – mit wechselnden Standorten – in der Dortmunder City. Wo sich User damals noch einen „Druck“ z.B. mit Heroin setzten, zieht man heute lieber an der Crackpfeife.
Mit dem erhöhten, auch sichtbaren Konsum und Handel der starken Psychodroge unmittelbar auf der Dortmunder Einkaufsmeile wurden auch die Stimmen schnell lauter, die eine Verlegung des „Druckraums“ forderten.
CDU-Ratsmitglied für die Innenstadt-Nord, Thomas Bahr, sozialpolitischer Sprecher der CDU, erklärt: „Der der erhöhte Crack-Konsum rückt seit circa einem Jahr immer mehr in die öffentliche Aufmerksamkeit.“
Auch sein Kollege Uwe Wallrabe, ordnungspolitischer Sprecher der Christdemokrat:innen, stimmt zu, dass die Umgebung des „Café Kick“ sich zu einem Ort des „Freiluftdrogenkonsums“ verwandelt habe, der gleichzeitig ein „Angstraum“ für andere sei.
Crack und seine drastischen Folgen für alle Betroffenen
Das „aggressive Betteln“ durch offensichtlich abhängige Personen sei mit das schlimmste, berichtet ein Gastronom: „Gibt man kein Geld, wird man angespuckt oder mit Flaschen beworfen“, erzählt der Mann sichtlich angefasst aus seiner verzweifelten Lage. Die Beteiligten nicken in Einklang über die Entwicklungen: „Ein solches Verhalten führt nur dazu, dass Betreiber ihre Geschäfte schließen müssen – besonders in der Gastronomie.“
Polizeipräsident Gregor Lange äußert sich im Presseportal der Polizei am selben Tag ebenfalls zum Thema Crack-Konsum. Aus Sicht der Ordnungshütenden beobachtet Lange hier: „Der drastisch angestiegene Missbrauch von Crack hat zu teilweise dramatischen Folgen für die Abhängigen geführt.“
Dies sei auch der Grund für eine Erhöhung von Schwerpunkt- und Kontrolleinsätzen durch die Polizei seit Mitte letzten Jahres. Seit 2023 finden vermehrt Kontrollen in Zusammenarbeit mit dem kommunalen Ordnungsdienst und des Präsenzkonzeptes „Fokus“ statt.
Erhöhte Polizeipräsenz und Verhaftungen – Live und in Farbe
Diese Kontrollen sind im Umfeld des Ortstreffen bemerkenswert offensichtlich. Eine starke Polizeipräsenz in der Innenstadt scheint an diesem Dienstag ganz normal, vielleicht auch, weil man das Ortstreffen in unmittelbarer Nähe zum „Café Kick“ stattfinden lässt. So konnte man – live und in Farbe – die Durchsuchung einer Person durch die Ordnungskräfte während der Veranstaltung beobachten.
Die Personenkontrolle wirkte fast wie eine inszenierte Zurschaustellung eines vermeintlich funktionierenden Sicherheitsapparates. Anwesende fühlten sich sichtlich bestätigt und nickten sich betroffen zu, um der schlimmen Lage mimischen Nachdruck zu verleihen.
Hiermit demonstriert die Stadt, was es mit der Präsenzkonzeption „Fokus“ auf sich hat. Dieses Konzept erlaubt der Polizei seit Juli 2023 Personenkontrollen ohne konkreten Tatverdacht vorzunehmen. Allerdings braucht es einen „erkennbaren Anlass“. Dieser besteht, zum Beispiel, wenn eine Beschwerde über Drogenhandel vorliegt. Ebenfalls stehen in Dortmund nun zusätzliche Einsatzkräfte zur Verfügung.
Neue Forderungen und Pläne der CDU
Trotz der anerkennenden Worte für die grundsätzliche Daseinsberechtigung eines Konsumraums, teilen die CDU-Vertreter und Teilnehmende doch vor allem die Auffassung, eine Besserung der Situation könne nur durch drei Faktoren erreicht werden: Repressionen in Form von Platzverweisen und Personenkontrollen, mehr Polizei und eine sichtbare Präsenz des Umfeldmanagements.
Die Symptome zu bekämpfen, ändert langfristig mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wenig an dem eigentlichen Problem. Der Umzug des Konsumraums schafft zwar Abhilfe für die Gewerbetreibenden und Anwohner:innen im Bereich Grafenhof, bedeutet aber, dass nun andere unter der geballten Drogen-Bubble leiden werden.
„Quo Vadis, Konsumraum?“ ohne die Stimme von Abhängigen
Um das Problem anzugehen, braucht es eine geeignete Immobilie, Aufenthaltsmöglichkeiten, einen größeren Personalschlüssel und Zustimmung von allen Seiten. Eine Antwort auf die Quo Vadis, Konsumraum?-Frage kann bei diesem Ortstreffen niemand geben und scheint am Ende auch eher nebensächlich. Durch das Requiem bürgerlichen Leids überhört man zusätzlich fast, dass die Drogenabhängigen selbst keine Stimme bekommen.
Wann genau das „Café Kick“ nun endlich ein neues Zuhause bekommt, bleibt weiterhin unklar. Dasselbe gilt auch für die versprochene Eröffnung zweier kleinerer Konsumräume in anderen Teilen der Stadt. Einzige Nebelkerze ist eine „Vorlage“, deren Inhalt „konkrete Vorschläge zu den bisherigen Beschlüssen“ beinhalte. Die ist aber erst für Ende des Jahres geplant
Ortstermin: 1 – Lösungen: 0
Um welche „konkreten Vorschläge“ es sich dabei handelt oder auf welche „Beschlüsse“ man sich ratsintern einigen konnte, wird nicht weiter ausformuliert. Dass solche Wortgirlanden keinen der Anwesenden zufriedenstellen, ist keine Überraschung.
Eine erhöhte Polizeipräsenz allein, ist den Gewerbetreibenden und Anwohner:innen nicht genug. Eine Frau kritisiert, dass es einfach zu lange dauert, bis die Polizei eintrifft, wenn man sie ruft. Eine andere berichtet, dass sie der Polizei „konkrete Hinweise auf Dealende und Drogenverstecke“ gegeben habe. Allerdings hätten ihre Beobachtungen „keine Handlung der Polizei Dortmund nach sich gezogen“.
Weil die Polizei, laut Gregor Lange, aber weiter und „effektiv gegen Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit“ vorgehen will, sollen wachsame Bürger:innen nicht aufhören, die Polizei mit ihren Anrufen zu unterstützen.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
Mehr auf dazu auf Nordstadtblogger:
Suche nach dezentralen Drogenkonsumraum-Standorten – die Nordstadt wehrt sich dagegen
Suchthilfe: Dortmund soll zwei weitere Konsumräume in der Innenstadt bekommen
Rat streitet um Drogenkonsumraum: Soll eine neue Einrichtung in die Nordstadt?
Dortmunder Rat beschließt Maßnahmen zum Umgang mit Crack-Situation in der Innenstadt
Crack-Problematik: Einigung auf Null-Toleranz-Strategie und Stärkung der Sozialarbeit
Reader Comments
Umfeld des Drogenkonsumraums – Nur zusätzliche Konsumorte helfen wirklich (PM)
Die aktuelle Berichterstattung über das Umfeld des Drogenkonsumraums knüpft nahtlos an die vielen Berichte der vergangenen Monate an. Niemand leugnet die im Umfeld des Konsumraums existierenden Probleme. Aus Sicht der GRÜNEN Ratsfraktion ist aber ärgerlich, dass die Position und Einschätzung der Fachleute aus dem Drogenkonsumraum dazu in der Berichterstattung selten eine Rolle spielen.
„Der ständige Hinweis auf das schwierige Umfeld des Drogenkonsumraums hilft nicht weiter und geht am eigentlichen Problem vollkommen vorbei. Auch die gegen die GRÜNE Fraktion beschlossene Verlegung des Raums ist nicht die Lösung. Was es eigentlich braucht, ist eine Ausweitung von zusätzlichen Konsumorten, insbesondere auch für Konsument*innen von Crack. Nur das wird auf Dauer die Situation im öffentlichen Raum entspannen. Die Ausweitung ist auch bereits beschlossen worden, allerdings noch nicht umgesetzt“, bewertet Jenny Brunner, Mitglied der GRÜNEN im Sozialausschuss, die aktuelle Situation.
Bestätigt sehen sich die GRÜNEN durch eine Vorlage für den nächsten Sozialausschuss sowie für den Ausschuss für Bürgerdienste und öffentliche Ordnung. Dort hat die aidshilfe einen aktuellen Tätigkeitsbericht zum Umfeld des Drogenkonsumraums vorgelegt. Dabei gibt es einige wichtige Aussagen: Seit Februar ist das Umfeldmanagement mit 120 Wochenstunden Sozialarbeit besetzt.
Durch die personelle Aufstockung finden neben Streetwork-Einsätzen im gesamten Innenstadtbereich täglich auch 5 bis 10 Rundgänge im direkten Umfeld statt. Das zeigt erste Erfolge aufgrund weiter gestiegener Zahlen von direkten Kontakten mit Drogenkonsument*innen, Beratungsgesprächen sowie Vermittlungen an andere Institutionen des Drogenhilfesystems. Auch die Beseitigung von Verunreinigungen durch die Zielgruppe im Umfeld der Einrichtung wurde dabei angegangen.
Gleichzeitig stellt die aidshilfe in ihrem Bericht fest, dass es eine hohe Auslastung des Drogenkonsumraums gibt, was temporär zu langen Warteschlangen führt. Im Ergebnis können viele Drogenkonsument*innen die Räume nicht aufsuchen, weil der Platz nicht reicht. Das wiederum führt zu weiteren Problemen im Umfeld. Solange keine zusätzlichen Standorte zur Verfügung stehen, ist laut aidshilfe eine Reduzierung der Belastung des Umfeldes nur begrenzt möglich.
„Die politische Diskussion muss deshalb genau in diese Richtung gehen und die Beschlüsse für weitere Konsumorte in einem Gesamtkonzept endlich umgesetzt werden“, so Jenny Brunner abschließend.
Paula
So verständlich der Unmut der Geschäftsinhaber sein mag – aber wohin soll denn der Drogenkonsumraum mit den aggressiven Süchtigen im Umfeld verlegt werden? In ein Wohngebiet, damit sich die Anwohnenden mit ihren Familien nicht mehr auf die Straße trauen? Wer möchte denn so einen Klientel, so krank sie auch sein mag, in seiner Nachbarschaft haben?
Vermutlich wird mal wieder ein Standort gesucht werden, an dem sich die Anwohner nicht so medienwirksam wehren können.