Grünes Licht für eine (erneute) Sanierung der Toilettenanlage auf dem Nordmarkt: 280.000 Euro werden die Bauarbeiten an der „Bedürfnisanstalt“ aus dem Jahr 1908 kosten. Größte Herausforderung ist der Schutz vor Vandalismus. Eine Ausschreibung soll im kommenden Frühjahr erfolgen – de Fertigstellung ist für Herbst 2022 vorgesehen.
„Wenn man etwas kaputt bekommen möchte, bekommt man das hin“
Projektleiter Stephan Wiehl von der städtischen Liegenschaftsverwaltung hatte es sich nicht einfach gemacht: „Wir haben viele Wünsche und Anregungen erhalten – von der Bezirksvertretung, der Diakonie, dem Denkmalschutz und Bürger:innen.“
Vor allem die Wünsche der Diakonie haben Gewicht für die Politik. Denn sie kümmert sich um den Nordmarkt-Kiosk sowie das Toilettenhaus. Und das ist keine leichte Aufgabe: An kaum einem anderen Ort kommen mehr Probleme und Herausforderungen zusammen.
Obwohl schon aus Edelstahl gefertigt, war wenige Wochen nach dem Kirchentag nichts mehr von der Sanierung zu sehen. Daher soll die neue Sanierung nachhaltiger und (noch) vandalismussicherer werden. „Aber wenn man etwas kaputt bekommen möchte, bekommt man das hin“, sagte Wiehl mit Blick auf die fugenlose Gipskarton-Diamantdecke, die künftig verbaut werden soll. Die vorherige Deckenplatte war teilweise zerschlagen und herunterrissen worden.
Schutz vor Wind und Wetter: Ausgaberaum für Betreuungsperson wird gebaut
Auch die Edelstahl-Toiletten und Becken wurden beschädigt und Wasserhähne abgetreten. Daher sollen die neuen Waschbecken ohne Armaturen auskommen – vergleichbar den modernen Waschbecken an Autobahnraststätten. Zudem sollen Wände und Böden ohne Fugen auskommen, was die Reinigung erleichtern würde. Beschichtete Wände sollen dabei helfen, künftig Graffiti leichter entfernen zu können.
Abschied nehmen wird man von dem unangenehmen blauen UV-Licht-Installationen,- wie es sie in vielen Parkhäusern und öffentlichen Toiletten gibt. Es soll dazu dienen, Junkies das Setzen von Spritzen zu erschweren, weil man dann die Venen schlechter sieht. Doch in Zeiten von Handytaschenlampen funktioniert das nicht mehr – daher wird es künftig eine „normale“ Beleuchtung geben, wenn auch deutlich energiesparsamer.
In der beschlossenen Variante wird es auch einen sogenannten „Ausgaberaum“ mit einer eigenen Außentür geben. Damit soll die Person, die stundenweise das WC betreut, sich unabhängig von Wind und Wetter vor Ort aufhalten können, Toilettenpapier ausgeben, reinigen und vor allem auch soziale Kontrolle ausüben.
Dafür muss baulich eingegriffen werden – nicht die einzige Änderung. So muss ein alter Kamin entfernt werden. Zudem gibt es eine Vielzahl von maroden Stellen, die in dem fast 115 Jahre alten Gebäude erneuert werden müssen. Außerdem sollen die Glasbausteine gegen Fenster ausgetauscht werden. Zudem wird eine Lüftungsanlage eingebaut werden.
Längere Diskussion um den erstmaligen Einbau von „Hock-WC“
Eine längere Diskussion entspannte sich um den Vorschlag, neben dem „normalen“ Sitz-WC auch ein sogenanntes „Hock-WC“ zusätzlich einzubauen, wie sie in Südeuropa und vielen anderen Ländern zum Einsatz kommen. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen sind es kulturelle Gründe, die für den Einbau jeweils eines anderen WC bei Männern und bei Frauen führt, aber auch hygienische.
Brigitte Jülich (SPD) meldete Zweifel an den Hock-WC-Plänen an: „Kultureller Hintergrund ist zwar richtig, aber in unserer Wohnungsbebauung ist das auch nicht vorgesehen. Da sollten wir drüber reden, ob nicht ein zweites normales WC angebracht wäre.“
Das fand auch Sonja Lemke (Die Linke): „Hock-WC halte ich für eine schlechte Lösung. Sie sind in Deutschland nicht üblich und in der arabischen Welt sind normale WC auf dem Vormarsch. Sie verschmutzen noch leichter, weil schneller was daneben geht.“
Für die Hock-WCs plädierte Fatime Sahin vom Bündnis für Vielfalt und Toleranz. Denn diese seien leichter zu reinigen und viele Menschen weigerten sich, sich auf die Sitz-WCs zu setzen. Stattdessen stellen bzw. hocken sie sich daher mit den Füßen auf die Schüssel. Ein Phänomen, das es keineswegs nur auf der Nordmarkt-Toilette gibt.
„Wir erleben das in vielen Vereinen, dass Menschen auf die Sitz-WCs steigen, auch aus hygienischen Gründen. Mit Infozetteln weisen wir darauf hin, dass man nicht versuchen soll, sich auf die Sitz-WCs zu stellen“, berichtet Sahin. „Zudem sind Hock-WCs viel einfacher sauber zu machen als Sitz-WCs – und es wird definitiv benutzt werden.“
Denkmalschutz blitzte mit dem Wunsch nach farblicher Neugestaltung ab
Die Bezirksvertreter:innen folgten nahezu allen Vorschlägen der Liegenschaftsverwaltung. Auch ein Spritzenautomat mit Rückgabebox sollte berücksichtigt werden. Nur die Wünsche des Denkmalschutzes lehnten sie ab – das Gebäude steht auch nicht unter Denkmalschutz. Dennoch hatte das Denkmalschutz-Amt sich gewünscht, die ursprüngliche Farbgestaltung (Sandfarbene Wände, grüne Türen und brauner Sockel) wieder herzustellen.
Quartierarchitekt Till Redenz machte deutlich, dass man die Farbgestaltung von dem Austausch der Fenster trennen könne: „Wir hätten die Glasbausteine gerne raus – wir würden das trennen von der Farbgestaltung. Ich kann mit dem Orange gut leben, weil es sehr prägend ist.“
Würde man die „Bedürfnisanstalt Nordmarkt“ entsprechend der Wünsche des Denkmalschutzes neu streichen, müssten aber auch der Kiosk und die Pergola neu gestrichen werden. Kostenpunkt wären 15.000 Euro, die aber – anders als die Sanierung – von der BV finanziert werden müssten. „Die Farbe ist mir egal – außer blau-weiß. Ich schaue nur auf die Kosten“, sagte Brigitte Jülich (SPD).
Dorian Marius Vornweg (CDU) gefiel die ursprüngliche Farbgestaltung zwar besser, aber auch er wollte keinen Neuanstrich, zumal die letzte Neugestaltung erst wenige Jahre her ist: „Wo war der Denkmalschutz, als das gesamte Ensemble so angemalt wurde? Ästhetisch ist es schöner mit gedeckterer Farbe.“
Reaktionen
Bebbi
Warum gibt es deutlich mehr Kapazität für Männer als für Frauen?