Von Mira Kossakowski
Knapp vier Wochen sind inzwischen seit Räumung des „Hannibal II“-Komplexes in Dortmund Dorstfeld vergangen. Das Gebäude war wegen akuter Verstöße gegen den Brandschutz geräumt worden. Einige MieterInnen haben nach wie vor unbeantwortete Fragen, die in der dritten Informationsveranstaltung für AnwohnerInnen am Montag (16. Oktober) beantwortet werden sollten. Doch auch dieses Mal gab es schlechte Nachrichten: Voraussichtlich können sie in frühestens zwei Jahren wieder in ihre Wohnungen.
Laut „Intown“ sind Renovierungsarbeiten sind nicht in unter zwei Jahren zu stemmen
Am Eingang der Stahlhalle der DASA, in der die Veranstaltung stattfand, stand eine Tafel, auf der AnwohnerInnen ihren derzeitigen Wohnort eintragen konnten. Die meisten wohnen nach wie vor bei Freunden, Familie oder im Hotel und nur wenige haben eine neue Wohnung. Der Grund dafür ist klar: Nahezu alle AnwohnerInnen wollen schnellstmöglich in ihre Wohnungen zurück.
Dass das leider nicht möglich sein wird, zeigt die derzeitige Sachlage. Von einer Anwohnerin wurde an Mitarbeiter der Stadt herangetragen, dass der Renovierungsprozess laut Intown mindestens zwei Jahre andauern würde. Zu dem Ergebnis sind auch GutachterInnen der Stadt Dortmund gekommen. „Wenn Intown zwei Jahre nennt, dann ist das aus unserer Sicht nachvollziehbar“, bestätigt auch Planungsdezernent Ludger Wilde.
Diese Information sorgt bei den ohnehin schon angespannten MieterInnen für weiteren Unmut. Denn auch nach mehreren Wochenhaben etliche keinen Schadensersatz erhalten und müssen sich oftmals mit zu kleinen oder schmutzigen Unterkünften zufriedengeben. Jörg Süshardt, Leiter des Amtes für Soziales, merkt hier an, dass in den nächsten Tagen die ersten Unterstützungsgelder bei den MieterInnen ankommen sollen. Der Schadensersatz hingegen hänge von dem Vorgehen des Eigentümers Intown ab.
Schlüssel wird wieder an „Intown“ übergeben – Stadt Dortmund bietet weiterhin Informationsangebote an
Dennoch scheint vieles zu funktionieren, denn es sind nicht viele AnwohnerInnen zu der Informationsveranstaltung gekommen. Von ungefähr 800 evakuierten Personen sind etwa 80 oder 90 Menschen gekommen, die sich nach wie vor in einer schwierigen Situation befinden.
Alle anderen scheinen zumindest eine vorübergehende Unterkunft gefunden zu haben. Für diejenigen, die immer noch nicht wissen, wie sie weiter vorgehen sollen, sind während der Veranstaltung Informationsstände aufgebaut, an denen sie sich unter anderem vom Mieterverein beraten lassen können.
Neben dem Onlineangebot bietet die Stadt Dortmund außerdem eine sogenannte Freitagsinfo an, die nicht nur per Mail sondern auch postalisch an eine aktuelle Adresse zugestellt wird.
Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack, denn erneut sind keine VertreterInnen von „Intown“ anwesend. Dennoch wird am kommenden Montag (23. Oktober) der Schlüssel des Hannibal-Komplexes und somit auch der Besitz wieder an das Unternehmen übergeben – dieses übernimmt dann alle Aufgaben, die die Stadt derzeit erledigt. „Wir erledigen derzeit Dinge, für die der Eigentümer eigentlich zuständig ist. Natürlich werden wir all das auch bei Intown in Rechnung stellen“, kündigt Wilde an.
Trotz schwerwiegendem Verstoß gegen Brandschutzvorschriften – Keine Strafanzeige gegen „Intown“
Bei der Veranstaltung wurden zahlreiche Fragen der MieterInnen beantwortet. Einige sorgten sich darum, dass es nach einer Renovierung zu Mieterhöhungen kommen könnte. Das wird nicht der Fall sein, denn eine Wertsteigerung tritt nur bei Modernisierungen ein, die hier nicht stattfinden werden.
Außerdem bestätigten VertreterInnen der Stadt erneut, dass anfallende Umzugskosten übernommen werden und zahlreiche Wohnungen zur Verfügung stünden. Zusätzlich bleibt das Beratungszentrum der Stadt Dortmund weiterhin geöffnet.
Gegen „Intown“, den Eigentümer der Immobilie, soll keine Strafanzeige erstattet werden, da es keine Anhaltspunkte für eine Straftat gebe, so Diane Jägers, Rechtsdezernentin der Stadt Dortmund. „Ordnungswidrigkeiten werden allerdings nachgeprüft und da werden die Anhaltspunkte ausreichen“, so Jägers. Das erleichtert die Schadensersatzforderungen der MieterInnen erheblich.
Initiative Hannibal: MieterInnen setzen sich für eigene Rechte ein und fordern eine Verbesserung der Situation
Um den Weg aus ihrer misslichen Lage voranzutreiben haben AnwohnerInnen eine eigene Initiative gegründet, und bereits am vergangenen Samstag (14. Oktober) für ihre Rechte demonstriert. Alle AnwohnerInnen sind dazu eingeladen, daran teilzunehmen.
Die Initiative setzt sich für drei maßgebliche Forderungen ein, die von der Stadt Dortmund umgesetzt werden sollen. So soll die Stadt Dortmund kostenlose Tickets für den VRR zur Verfügung stellen, um entstandene Wege bewältigen zu können. Außerdem fordert der Zusammenschluss eine verstärkte Suche nach Übergangswohnungen und Hotelzimmern für AnwohnerInnen.
Auch liegt es den GründerInnen am Herzen, dass die Immobilie in die öffentliche Hand übergeben wird. Denn die Firma Intown ist bereits vermehrt in anderen Städten negativ aufgefallen. Einige MieterInnen zweifeln daran, dass die Renovierungsarbeiten wirklich umgesetzt werden, denn hinter dem Namen steckt ein unübersichtliches Geflecht an Subunternehmen.
Mehr Informationen zu dem Thema auf nordstadtblogger.de:
Reaktionen
Grünen-Fraktion
Eigentümer in die Verantwortung nehmen – Wohnungsbauförderung muss weitergehen
Die Wut und die Verzweiflung der Hannibal-Mieter*innen, die vor drei Wochen innerhalb weniger Stunden ihre Wohnungen verlassen mussten, sind verständlich. Sie sind die Leidtragenden der Versäumnisse der Eigentümerin Intown Properties GmbH, die geltende Brandschutzbestimmungen ignoriert und damit eine mögliche Katastrophe in dem mit 800 Menschen bewohnten Hochhaus in Kauf genommen hat. Das Anliegen der Bewohner*innen, sobald wie möglich wieder normale Wohnverhältnisse zu haben, wird von den GRÜNEN im Rat geteilt und unterstützt, der Adressat der Wut muss allerdings eindeutig die Hannibal-Eigentümerin sein.
Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der GRÜNEN:
„Die Schuld für die entstandene Situation liegt nicht bei der Stadt, die in letzter Konsequenz zum Schutz der Bewohner*innen die Evakuierung vornehmen musste. Die Verantwortung trägt eindeutig die Eigentümerin. Wir unterstützen die Verwaltung sowohl darin, den Mieter*innen bestmöglich in ihrer Notsituation zu helfen als auch die entstandenen und noch entstehenden Kosten bei Intown einzufordern oder auch einzuklagen. Das Verhalten von Intown ist ein nachdrückliches Beispiel für den Umgang von Wohnraumspekulanten mit Wohneigentum, Mieter*innen und den Kommunen. In Dorstfeld erleben die Bewohner*innen jetzt die drastischen Folgen von Investoren, die Gebäude wie den Hannibal als reine Renditeobjekte betrachten: Minimale Investitionen für maximalen Gewinn. Dabei wurde diesmal sogar die Sicherheit der Menschen im Gebäude außer Acht gelassen. Bis heute gibt es von Intown keine substanziellen Hilfsangebote an die Mieter*innen, weder was alternativen Wohnraum noch die Übernahme entstehender Kosten betrifft. Unklar bleibt auch, ob die Brandschutzmängel vom Eigentümer überhaupt behoben werden und das Haus jemals wieder bewohnbar wird.“
Der Hannibal gehört zu einem Geflecht von Gesellschaften unter dem Dach eines Investors. Sinn solcher Konstrukte sind vor allem Steuervorteile bei Verkäufen und die Möglichkeit, sich von einzelnen Objekten jederzeit durch einen Konkurs der GmbH trennen zu können, ohne finanzielle Folgen zu tragen. Damit ist zu befürchten, dass die Stadt, die sich seit drei Wochen allein um die Folgen der Versäumnisse von Intown kümmert, am Ende mit den finanziellen Belastungen in Millionenhöhe dasteht. Ordnungspolitisches Versagen wird damit nicht nur auf dem Rücken von Mieter*innen ausgetragen, sondern aus kommunalen Kassen finanziert.
Ursula Hawighorst, GRÜNES Mitglied im Ausschuss für Wohnen: „Dabei ist bezahlbarer Wohnraum weiterhin Mangelware. Der geförderte Mietwohnungsbestand hat sich in Dortmund 2016 im Vergleich zu 2015 um rund 2.000 Wohnungen reduziert. Der Dortmunder Wohnungsmarktbericht weist darauf hin, dass ,vor dem Hintergrund steigender Angebotsmieten, abschmelzender Sozialwohnungsbestände sowie der hohen und aktuell noch wachsenden Nachfrage nach preiswertem Wohnraum jede neu entstehende geförderte Wohnung für die Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes im preiswerten Segment dringend benötigt wird‘. Doch die aktuelle mehrjährige Wohnraumförderung des Landes endet in diesem Jahr. Die GRÜNEN im Landtag haben deshalb die neue Landesregierung aufgefordert, für eine schnelle Umsetzung eines neuen Wohnraumförderprogramms zu sorgen. Dabei soll weiterhin ein deutlicher Schwerpunkt auf dem sozialen Wohnungsbau liegen. Bleibt zu hoffen, dass diese Forderungen umgesetzt werden, damit es in Dortmund jetzt nicht zu einem Einbruch bei den Investitionen in den sozialen Wohnungsbau kommt.“
Intown
Presseinformation von Intown zum Hannibal II
Die INTOWN als Vertreter der Eigentümergesellschaft berichtet, dass erste vorläufige Ergebnisse eigener Untersuchungen zu den Brandschutzthemen noch nicht vorliegen. Sascha Hettrich, Geschäftsführer der Asset Management Gesellschaft INTOWN: „Unsere technische und rechtliche Einschätzung bleibt unverändert.“
Eine Räumung und somit die Belastung für die Mieter hätte verhindert werden können. Hettrich: „Mit der Stadt Dortmund haben wir – trotz unterschiedlicher Rechtsauffassungen zum Tatbestand der Räumung – ein gutes und positives Einvernehmen. Ziel ist es, die Situation vor Ort zügig zu klären und eine pragmatische Lösung für die Mieter zu finden. Wesentlich für uns ist, dass der Mieter sich entsprechend betreut fühlt, für uns steht das Wohl der Mieter im Vordergrund.
Die im Jahre 2015 abgearbeiteten Maßnahmen aus einer vorangegangenen Brandschau haben damals keine Beanstandungen, wie sie nun gefunden wurden, ergeben. Seit dieser Zeit sind keine wesentlichen Veränderungen am Gebäude durchgeführt worden.“
Seit heute liegt eine ausführliche Stellungnahme der Bauaufsicht zur Brandschau am 29. August 2017 vor. Hettrich: „Die Frage, warum uns die Stadt nicht über eventuelle Bedenken informiert hat, bleibt auch hier unbeantwortet. Insoweit halten wir unser Unverständnis aufrecht, von der Stadt Dortmund erst zwei Stunden vor der Räumung informiert worden zu sein. Eine Möglichkeit, die Räumung des Hauses abzuwenden, war dadurch nicht mehr möglich.“
Gemäß der städtischen Verfügung vom 21. September 2017 geht die Stadt Dortmund von einer Wiederaufnahme der Nutzung nicht vor Ablauf von zwei Jahren aus. Die rechtliche Würdigung und mögliche Planungs- und Realisierungsmaßnahmen sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Insoweit können wir unseren Mietern zum heutigen Zeitpunkt keine kurz- bis mittelfristige Rückkehr in ihre Wohnungen zusichern.
Stadt Dortmund
Stadt bittet Eigentümer um Wohnungen
Aufgrund der Evakuierung des Hannibals II in Dortmund-Dorstfeld mussten vor knapp vier Wochen 413 Haushalte kurzfristig ihre Wohnungen verlassen. Viele Mieterinnen und Mieter benötigen dringend eine neue Wohnung.
Bereits in den vergangenen Jahren bestand auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt eine hohe Nachfrage nach kleinen Wohnungen und nach großen familiengerechten Wohnungen, insbesondere im preiswerten Segment.
Die Situation für die Vielzahl der Haushalte, die sich nun parallel auf Wohnungssuche begeben, ist sehr schwierig. Das größte Angebot von Wohnraum in Dortmund ist in Privatbesitz. Aus diesem Grund bittet die Stadt Dortmund mit diesem Presseaufruf gezielt die privaten Eigentümer um ihre Unterstützung.
Insbesondere Familien mit schulpflichtigen Kindern suchen im direkten Umfeld des Hannibal II oder zumindest im näheren Umfeld von Dortmund-Dorstfeld eine neue Wohnung, um ihren Kindern die gewohnte Umgebung erhalten zu können. Für viele Familien kommt daher auch eine temporäre Anmietung von neuem Wohnraum in Betracht.
Ein weiterer großer Personenkreis der Wohnungssuchenden besteht aus Ein- und Zweipersonenhaushalten. Auch für diese Menschen bittet die Stadt Dortmund Eigentümer dringend, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Als Ansprechpartner stehen Silke Wagenknecht und Frank Dreyer aus dem Amt für Wohnen und Stadterneuerung unter folgenden Kontaktdaten gerne zur Verfügung:
Silke Wagenknecht, Telefon 0231/50 – 2 69 33, E-Mail: swagenknecht@stadtdo.de
Frank Dreyer, Telefon 0231/50 – 2 39 33, E-Mail: fdreyer@stadtdo.de