Teilhabe, Integration, Inklusion – das sind bekannte Schlagworte. Doch für viele Menschen mit Behinderungen ist die berufliche Teilhabe und der Übergang aus einer Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt schwierig. Außenarbeitsplätze wie der Werkstätten der AWO in Dortmund in Firmen, Einrichtungen und Institutionen können Sprungbretter sein. Doch dafür braucht es nicht nur die Motivation der Beschäftigten, sondern auch viel politischen Willen. Denn der Weg ist steinig und lang, aber mitunter von Erfolg gekrönt, wie der Fall des LWL-Industriemuseums Zeche Zollern zeigt. Vier WAD-Beschäftigte haben dort nach Jahren auf Außenarbeitsplätzen fest beim LWL angeheuert.
Außenarbeitsplatz der Behindertenwerkstatt als Sprungbrett
Patrick Althoff ist begeistert. Der 37-jährige Dortmunder ist seit dem 15. Juni ein echter LWLer mit Arbeitsvertrag. „Die Arbeit macht mir hier einfach Spaß und das Team ist toll.“ Althoff arbeitet im LWL-Industriemuseum auf der Zeche Zollern in Dortmund. Hier kümmert er sich zum Beispiel mit um die Veranstaltungstechnik und kennt sich auch bei der Grünpflege aus.
Mehrere Jahre hat er das als Mitarbeiter der AWO auf einem sogenannten Außenarbeitsplatz getan. Das bedeutet: Althoff blieb Angestellter der Werkstatt für Menschen mit Behinderung und konnte in Vollzeit auf der Zeche testen, ob die Arbeit im Museum für ihn geeignet ist. Jetzt kamen Patrick Althoff, der LWL und die Werkstatt überein: Die Zusammenarbeit läuft sehr gut.
Neben Althoff haben drei weitere Kollegen auf Außenarbeitsplätzen im Juni einen Arbeitsvertrag erhalten. Zum Beispiel auch Michael Goebert, der dort seit sieben Jahren im Besucherservice arbeitet, Maschinen bei den Vorführungen mit den Kolleg*innen absichert und für die Gäste auf dem Gelände als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Auch auf der Henrichshütte Hattingen und im Schiffshebewerk Henrichenburg konnten Außenarbeitsplätze in Arbeitsverträge umgewandelt werden.
Die Festanstellung bietet mehr Unabhängigkeit vom Amt
„Das ist eine tolle Entwicklung. Die Kollegen aus den Werkstätten gehörten von Anfang an vollständig zum LWL-Team der Haus- und Veranstaltungstechnik und zur Museumsaufsicht“, so Anne Kugler-Mühlhofer, Leiterin des LWL-Industriemuseums Zeche Zollern in Dortmund. „Ich freue mich sehr, dass das jetzt auch offiziell durch einen Arbeitsvertrag besiegelt werden konnte.“
Der Arbeitsvertrag ist für die ehemaligen Werkstattbeschäftigten nicht nur beruflich ein großer Schritt. Auch privat bringt er mehr Möglichkeiten. So können sie nun zum Beispiel eigenständig Miet-, oder Kreditverträge abschließen. Auch mehr Geld haben sie in der Tasche – zumindest Michael Goebert. Denn jetzt bekommt er – wie seine Kolleg*innen auch – Wochenend- und Feiertagszuschläge. „Das macht was aus“, freut er sich über das Lohnplus.
Seine Kollegen Patrick Althoff, Mathias Eichler und Donatas Gecas freuen sich über die gewonnene Unabhängigkeit von den Ämtern: „Man braucht nicht mehr wegen jedem Cent dahin und das nachrechnen lassen“, so Althoff. Nun sind sie auf dem sogenannten „Ersten Arbeitsmarkt“. „Ich dachte nicht, dass wir da mal hinkommen“, sagt Goebert rückblickend – und auch mit Stolz. „Wir konnten zeigen, was wir können.“
Zähes Ringen mit der LWL-Führung bis zur Übernahme
Der Weg dahin war allerdings lang – auch beim LWL. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, wie er mit vollem Namen heißt, ist u.a. für die berufliche Integration von Menschen zuständig. Eigentlich müsste er daher eine Vorbildfunktion haben. Doch auch dort bedurfte es eines jahrelangen Kampfes, wie Abteilungsleiter Hans-Jörg Nieswand einräumt.
Gemeinsam mit seinem Gegenüber bei der AWO – Steffen Landmann – haben sie viele Kämpfe ausgefochten, bis die vier AWO-Kollegen, die seit vielen Jahren auf der Zeche Zollern arbeiten, nun auch ganz regulär zur Stammbelegschaft gehören. Das war ein zähes Ringen – auch und gerade in der Corona-Zeit. Zumindest auf Zeche Zollern hatten die vier AWO-Beschäftigten dennoch viel Arbeit. Zumindest als sie vom gesetzlich verordneten Lockdown zurückkehren durften.
Gemeinsam ist den vier Ex-AWO-Mitarbeitern, dass sie gerne etwas Neues aufprobieren wollten und bereit sind, den eher geschützten Raum einer Behindertenwerkstatt zu verlassen. „Ich wollte außerhalb arbeiten und was anderes probieren“, sagte Patrick Althoff, der sich mit viel Leidenschaft zusätzlich um die Tiere und den Arbeitergarten kümmert.
Donatas Gecas findet es gut, auch in der Haustechnik zu arbeiten. Er hat schon einen Staplerführerschein gemacht und will nun – finanziert von AWO und LWL – noch seinen Autoführerschein machen. Dann kann er alle Aufträge erledigen, die zu seinen Aufgabenfeldern gehören.
Lebenslanges Rückkehrrecht in die Behindertenswerkstätten
Dennoch haben sie eine gewisse Sicherheit: „Es besteht ein lebenslanges Rückkehrrecht für Menschen, die bereits einen Werkstattplatz hatten. Der Rückkehrprozess ist unkompliziert und geht schnell. Ansonsten stehen dem Arbeitgeber gegenüber behinderten Menschen die gleichen arbeitsrechtlichen Mittel (Rechte und Pflichten) zur Verfügung wie gegenüber Menschen ohne Behinderung“, erklärt Steffen Landmann, WAD-Leitung für Berufliche Bildung und Integration.
Doch die Chance auf eine Übernahme bekommen die wenigsten der aktuell 19 WAD-Beschäftigten auf Außenarbeitsplätzen: „Die meisten Firmen vergleichen die Leistungsfähigkeit des behinderter Menschen mit der Leistungsfähigkeit des Stammpersonals oder der eines ,gesunden’ Bewerbers. Dabei spielen Kriterien wie die Belastbarkeit, Zuverlässigkeit und der Umgang mit komplexen fachlichen Wissen eine große Rolle“, erklärt Landmann.
„Außerdem sind die meisten öffentlichen Institutionen an Stellenschlüssel und Personal-Budgets gebunden. Viele Betriebe sehen in der Begleitung und Anleitung behinderter Menschen auch einen Mehraufwand für die Beschäftigten des Betriebes. In der Summe sind das die häufigsten Gründe, die gegen eine Übernahme angeführt werden.“
Außerdem – auch das ist ein Faktor – ist es billiger, die Beschäftigten zu leihen, als sie fest einzustellen. Landmann ringt daher auch mit jedem Arbeitgeber, die Beschäftigten vernünftig einzugruppieren: „ Der Beschäftigte soll sich mit seinem Lohn ein selbstbestimmtes Leben leisten können. Das gelingt nicht immer und führt dazu, dass Beschäftigte ein Angebot des Arbeitgebers ablehnen.
Zufriedenheit auf der Zeche Zollern: „Wir sind hier eine Familie“
Im Fall der Zeche Zollern waren die direkten Kollegen von der Leistungsfähigkeit der ehemaligen AWO-Leute überzeugt und haben für die Kollegen gestritten. „Es war ein langer Weg der Überzeugungsarbeit notwendig. Dabei lag der Stolperstein nicht im direkten Arbeitsumfeld: Im Industriemuseum Dortmund wurde eine Einstellungsabsicht bereits vor Jahren bekundet und anvisiert“, so Landmann.
„Hier hat man die Potentiale der Werkstattmitarbeiter erkannt und die gewinnbringenden Möglichkeiten bei einer Übernahme ausgelotet. Das Problem lag in diesem Fall bei der Verbandsspitze des LWL in Münster. Dort wird über Personalschlüssel- und Budgets entschieden. Letztendlich werden aber auch dort nur Mittel verteilt, die der Bund zur Verfügung stellt“, weist er auf die formalen Probleme hin.
Doch das ist (zum Glück) Schnee von gestern: „Wir sind hier ein Team. Es geht bei uns sehr familiär zu und jeder springt für jeden ein, da gibt es keine Unterschiede“, sagt Nieswand, der den neuen Kollegen zum Start als „LWLer“ einen persönlichen Werkzeugkoffer und auch neue Arbeitskleidung mit LWL-Logo übergeben hat. „Ob mit oder ohne Handicap: Jeder im Team erledigt bei uns alle anfallenden Aufgaben so gut wie möglich und ist den Kolleginnen und Kollegen gleichgestellt.“