Nach dem Caterpillar-Aus in Dorstfeld: Dortmund möchte einen zweiten Technologiepark – für schwere Geräte

Erstaunlich gut besucht: Der „Markt der Möglichkeiten“ 2021 in den Westfalenhallen. Fotos (3): Thomas Engel

Rundgang bei „Meet and Match“, einer Fachmesse für Unternehmen aus der Region, die qualifizierte Mitarbeiter*innen aus dem Bereich industrieller Fertigung suchen – und vor Ort möglicherweise ein passendes „Match“ finden können. Der anlassbezogene Fokus in diesem Jahr: Caterpillar, bekannt für seine überdimensionalen Hydraulik-Bagger. Unter anderem der Dorstfelder Standort des US-Konzerns muss schließen, weil dessen Management eine strategische Entscheidung getroffen hat: die Produktion ausschließlich nach Asien zu verlagern. – Ende Juli beginnen in Dortmund-Dorstfeld die Abbauarbeiten. Konsequenz: hochqualifizierte Menschen werden vielleicht arbeitslos. Daher die Veranstaltung jetzt als „Markt der Möglichkeiten“, als eine Jobbörse für sie. – Prominenter Gast: OB Thomas Westphal. Der sprach unter anderem über Perspektiven nach dem Aus des Unternehmens. Klar ist: Die Dortmunder Wirtschaftsförderung hat eine spannende Idee für die Zukunft des Standortes im Köcher. Die gleichwohl noch näherer Klärung bedarf. Gegenwärtig wird eine Machbarkeitsstudie erstellt. Und vermutlich viel telefoniert.

OB Thomas Westphal: „Für uns ist das immer noch ein Industriestandort“

Im Frühjahr letzten Jahres schlug die Nachricht ein wie eine Bombe: das US-Unternehmen Caterpillar will alle drei Werke in der Region – in Dortmund, Lünen und Wuppertal – schließen. Nach gut einem Jahr hat sich herausgestellt: alle Bemühungen seitens der Belegschaftsvertreter*innen, der IG-Metall wie Stadt, die Konzernspitze dazu zu bewegen, ihren Entscheidung noch einmal zu überdenken, sind gescheitert. ___STEADY_PAYWALL___

Monströse Tradition in Dorstfeld – seit 1895. Damit ist vorerst Schluss. Doch die Wirtschaftsförderung sucht nach Alternativen – auf Höhe der Zeit.

Insgesamt stehen an die 1100 Arbeitsplätze zur Disposition, davon 620 in Dorstfeld. Ende Juli ist Schluss vor Ort, 300 Kolleg*innen haben ihre Aufhebungsverträge erhalten. Die verbleibende Belegschaft wird dann mit den Abbauarbeiten beginnen, wie Olaf Kamhöfer, zuständiger Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Dortmund, gegenüber Nordstadtblogger sagte.

Die (zumeist hochqualifizierten) Beschäftigen müssen sich nach einem neuen Arbeitsplatz umschauen. Das ist bitter, aber nicht zu ändern. Der Blick richtet sich in die Zukunft.

OB Thomas Westphal stellt fest – obwohl Caterpillar die Zelte abbräche: „Für uns ist das immer noch ein Industriestandort.“ Sie seien mit den Eigentümern im Gespräch. Geplant ist seitens der Stadt ein neues Technologiezentrum für Großtechnologie, Hydraulik, Elektrotechnik, entwickelt zusammen mit der TU und Start-ups; eine Machbarkeitsstudie läuft. „Das ist unser feste Wille“, so der ehemalige Chef der Dortmunder Wirtschaftsförderung.

In der Region: Ein Pool von erfahrenen und stark nachgefragten Fachkräften

Die Wirtschaftsförderung gehörte denn auch gemeinsam mit der Südwestfalen Agentur GmbH und der Transferagentur BOB zu den Veranstaltern der Jobmesse. Und, in den Westfalenhallen am gestrigen Donnerstag, 1. Juli, ebenfalls wieder mit dabei, man höre und staune: Caterpillar. Ausgerichtet ist die Jobmesse auf jene Fachkräfte aus dem Umland, die der Standortschließung seitens des Konzerns zum Opfer fallen. Hier besteht die Möglichkeit, sich in einem zwanglosen Rahmen näher kennenzulernen.

Auch Projektleiter Frank Grützenbach von der Dortmunder Wirtschaftsförderung blickt nach vorn: „Natürlich ist die Schließung ein schlimmer Schlag für die Menschen und Wirtschaft der Region. Aber wir können hier aus der Not eine Tugend machen. Denn mit den Mitarbeiter*innen von Caterpillar haben wir einen Pool von sehr erfahrenen und stark nachgefragten Fachkräften.“

„Sie stehen jetzt alle noch mitten im Job und kennen Industriearbeit von der Pike auf. Bei dem Fachkräftemangel vieler Produktionsbetriebe hier in der Region ist das eine Chance für beide Seiten“, ist er zuversichtlich, dass die Jobmesse „matchen“ kann.

Konzernwille: Caterpillar-Produktion soll zukünftig vollständig in Indonesien konzentriert sein

Seit der Bekanntgabe der Schließungsabsichten des Dorstfelder Standortes immer wieder diskutiert: Was hat das Management von Caterpillar in der Zentrale jenseits des Atlantiks verdorri nochmal dazu bewogen, so zu handeln? Fakt ist: Die Konzernführung hatte beschlossen, die Fertigung zu konzentrieren und sich Indonesien als exklusiven Produktionsstandort auserkoren.

Das Motiv liegt ein bisschen auf der Hand: Asien kann vorteilhaftere Produktionsbedingungen gewährleisten. Die relativ zu Indonesien mutmaßlich höheren Lohnkosten in Dortmund lassen damit den Caterpillar-Standort in Dorstfeld mit seiner langen Tradition des Maschinenbaus („Orenstein & Koppel“ – kurz: O&K) absehbar zur Geschichte werden.

Das Unterfangen des Caterpillar-Management ist nicht mehr zu stoppen. Irgendwann seien sie nicht mehr überrascht gewesen, dass es mit der Rettung nicht klappte, so Westphal. Denn sie hätten gesehen, „wie die Unternehmensleitung argumentiert hat“.

Entscheidung über Standortschließung für Dortmunder Stadtspitze am Ende nicht nachvollziehbar

Die habe deutlich gemacht, erklärt Thomas Westphal: „Es liegt nicht an der betriebswirtschaftlichen Leistung des Standortes in Dortmund, es liegt nicht an der Qualität, das war alles perfekt. Sondern es ist eine strategische Entscheidung, über den globalen Markt, an anderer Stelle die Produktion zu konzentrieren.“ Und fügt hinzu: „Das habe ich von Anfang an für falsch gehalten.“

Sie hätten es mit denen diskutiert, auf den globalen Märkten mache das heute niemand mehr. „Man macht sich nicht von einem Standort abhängig.“ Das kann angesichts der globalen Interdependenz gravierende Folgen haben: „Wenn dort eine Lieferkette reißt, war’s das mit der weltweiten Versorgung.“ Es müsste mindestens einen zweiten Standort geben. Doch die Unternehmer in den USA hätten gesagt: „Kennen wir, wir machen das jetzt, wir nehmen das Risiko in Kauf.“

Ein mithin in den Augen der Stadt von Kurzsicht geprägter, wiewohl unumkehrbarer Beschluss. Statt nun aus Unverständnis mit dem Kopfschütteln nicht aufzuhören: „Man muss sich auch mal mit dem beschäftigen, was morgen wird“, gibt der Oberbürgermeister die kommunale Denkrichtung vor.

Neue Arbeitsplätze für das hochqualifizierte Personal sollen nach und nach vor Ort entstehen

„Meet and Match“: Olaf Mohr (Betriebsratsvorsitzender bei Caterpillar) im Gespräch mit Thomas Westphal (r.).

Fragt sich freilich, was denn jetzt mit den Dorstfelder Potentialen  geschähe? „Der Standort bleibt ein Industriestandort“, fasst Westphal das zentrale Motiv zusammen. Das ausdrückliche Ziel der Stadt lautet, dort eine „Entwicklung“ anzustoßen. Näherhin soll nach und nach ein Produktionstechnologiezentrum für großtechnische Fertigung geschaffen werden.

Die im Umfeld des Caterpillar-Standortes vorhandenen fachlichen Fähigkeiten sollen für die Region möglichst erhalten bleiben – indem sie durch neue Arbeitsplätze Früchte tragen. Eine gewisse Bodenständigkeit der ehemaligen Mitarbeiter*Innen wäre da hilfreich.

Olaf Mohr, Betriebsratsvorsitzender bei Caterpillar, kennt – was den Arbeitsplatzwechsel zu anderen Standorten betrifft – „seine Pappenheimer“: Wer sich hier eine Existenz aufgebaut habe, Wohnen, Umfeld: „Die nehmen dann lieber gerne Entfernungen in Kauf.“ Weiß aber auch: „Es ist nicht einfach“ – für alle, die sich durch die Werksschließung nun am Ende des Monats potentiell auf der Straße wiederfinden.

Kommunale Strategie: Analog zum Technologiezentrum an der TU eine Entwicklung anstoßen!

OB Thomas Westphal ist optimistisch, klar, das sollte er wohl: Die speziellen Fähigkeiten, die es in Dorstfeld durch die jahrelange Produktion großer Hydraulik-Bagger gäbe: „das interessiert auch viele andere“. Zumal wegen des bekannten Fachkräftemangels in vielen Branchen. Da drumherum, so der OB, könnte es zu einer neuen Kompetenzentwicklung kommen.

Was ihm vorschwebt, das ist: eine „Keimzelle für neue industrielle Produktion“ in den betreffenden Bereichen zu schaffen. Zusammen mit der TU, mit den Start-ups. Allerdings, das kann er deswegen kaum verhehlen: dort sofort wieder 600 Mitarbeiter*innen unterzubringen – das ist schlecht denkbar. Anfangs würde es eher kleiner werden, bedeutet Westphal. Die gleiche Zahl an Mitarbeiter*innen: „auf einen Schlag, wird das nicht möglich sein.“

Es geht folglich, so der Plan, zunächst darum, eine erwünschte Entwicklung anzustoßen. „In einer technologischen Nische, um die herum man neue Ideen entwickelt.“ Wo sich Neues anbinden könne. Und der Dortmunder OB hat ein gutes Beispiel parat: Das hätte der bestehende Technologiepark (an der Dortmunder TU) ja auch gezeigt. „Wenn ich da was hinstelle, kommen häufig andere drumherum. Das ist genau die Idee.“

„Wichtig ist, dass die Menschen für sich wieder eine gute Perspektive haben“

Neben der Machbarkeitsstudie würden gerade vielversprechende Kontakte geknüpft. Da sie aber noch mitten in der Entwicklung seien, nein, da könne er jetzt noch keinen Zeitplan nennen. „Wichtig ist, dass die Menschen für sich wieder eine gute Perspektive haben, einen Job haben, davon hängt ja ihr Leben ab und das muss funktionieren.“

Damals wurde noch in trauter Eintracht die Straße nach dem Unternehmen benannt. Foto: privat
Damals wurde noch in trauter Eintracht die Straße nach dem Unternehmen benannt. Foto: privat

Die Angebote auf dem „Markt der Möglichkeiten“ an diesem Tag in der Messehalle werden dargestellt von Unternehmen aus Dortmund, Bochum, Enneppe-Ruhr bis Siegen. Sie vertreten einen regionalen Arbeitsmarkt mit guten, teils mit hervorragenden Potentialen. „Spreizung“ in der Fläche, „die Mischung“ andererseits, also eine ausgewogene Angebotsbreite – der OB zeigt sich beeindruckt: „Die Chancen sind da.“

Und die damalige Dorstelder Straßenbenennung nach dem „Caterpillar“-Konzern? Die dürfte zukünftig kaum zu halten sein. Soweit geht die Liebe gegenüber einem Unternehmen, das sich vom Acker macht, nun auch wieder nicht. Westphal – seinerzeit war er dafür – sagt: „Ich glaube nicht, dass es dauerhaft so sein sollte.“ Doch dafür braucht es einen angemessenen Ersatz.

Und vielleicht wäre es besser, sich bei einer neuen Namensgebung nicht wieder an einem Unternehmen zu orientieren. Denn denen fehlt es als Akteuren am Markt strukturell an Konstanz, Bodenständigkeit. Weil das Kapital dorthin fließt, wo es sich durch der Menschen Arbeit am trefflichsten zu mehren erhofft.

Weitere Informationen:

  • Meet and Match, der „Markt der Möglichkeiten“, 2021: Übersicht; hier:

Hintergrund Caterpillar:

  • Seit 1895 werden am Dorstfelder Standort von „Orenstein & Koppel“ (kurz O&K) Großbagger gebaut. Das Werk in Dortmund-Dorstfeld hatte in Spitzenjahren rund 2000 Beschäftigte.
  • Das Schwergewicht der Fertigung lag ab 1949 im Waggonbau und bei Baumaschinen, insbesondere Baggern. 1961 fertigte O&K erstmals in Europa serienmäßig vollhydraulische Bagger.
  • Über 55.000 Hydraulik-Bagger wurden laut Wikipedia bisher gefertigt, davon mehr als 700 Geräte über 100 Tonnen Dienstgewicht, dabei auch der größte Hydraulikbagger der Welt RH 400 (seit 2012 CAT 6090) mit 980 Tonnen Dienstgewicht, einer Motorleistung von 3280 Kilowatt (4400 PS) und einem Schaufelfassungsvermögen von knapp 45 Kubikmetern.
  • Seit 1998 wechselte mehrfach der Besitzer – 2010 übernahm Caterpillar den Standort.
  • Im Frühjahr 2020 überraschte der US-Konzern die Stadt mit der Ankündigung, die Werke in Dortmund, Lünen und Wuppertal schließen zu wollen, um ausschließlich in Indonesien zu produzieren.
  • Seither regt sich Widerstand – umsonst. Der US-Konzern ist wild entschlossen, die Risiken einer Unterbrechung ihrer dann exklusiven Lieferkette auf sich zu nehmen. Währenddessen arbeitet die Dortmunder Wirtschaftsförderung zusammen mit der TU Dortmund an Alternativen, um den Standort Dorstfeld mit seiner Fachkräfteumgebung für die Fertigung industrieller Großprodukte zu halten.

 

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