Scharfe Kritik von ver.di und DGB - Arbeitnehmer:innen demonstrieren

Nach 30 Jahren kippt der Rat die Parität im Aufsichtsrat der Stadt-Tochter EDG

Vor der Ratssitzung hatten Arbeitnehmer:innen ihren Unmut Luft gemacht und den Erhalt der Parität gefordert.
Vor der Ratssitzung hatten Arbeitnehmer:innen ihren Unmut Luft gemacht und den Erhalt der Parität gefordert. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Immer wieder sorgt die Entsorgung Dortmund (EDG) für Schlagzeilen – und das treibt den Ratsfraktionen die Schweißperlen auf die Stirn. Sie wollen daher mehr Einfluss auf die Stadttochter. Künftig wollen sie mehr Ratvertreter:innen in den Aufsichtsrat entsenden. Doch das treibt die Arbeitnehmer:innen auf die Barrikaden. Denn damit geht die seit rund drei Jahrzehnten gelebte Parität verloren. Vor dem Ratssaal demonstrierten Beschäftigte gegen die Veränderung.

Künftig vier statt zwei Ratsfraktionen im Aufsichtsrat vertreten

Bislang hatte das Gremium zwölf Mitglieder, die jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen besetzt wurde. Auf Arbeitgeberseite nahmen neben dem Vertreter des Oberbürgermeisters, zwei Ratsmitglieder sowie drei Vertreter:innen des Minderheitsgesellschafters DSW21 Platz. Ihnen saßen sechs Arbeitnehmer:innen gegenüber.

Die EDG ist eine städtische Tochter.
Die EDG ist eine städtische Tochter. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Gesetzlich vorgeschrieben wäre eine Drittel-Parität (vier von zwölf Sitzen für die Beschäftigten). Doch der Rat hatte in den 90er Jahren der Vertretung der Arbeitnehmer:innen im Zuge der Gründungsgeschichte der EDG zwei Sitze abgetreten. „Geliehen“, wie einzelne Ratsvertreter in der Sitzung des Stadtrates nachdrücklich betonten. 

Doch diese zurückzuholen und den Arbeitnehmer:innen zwei Sitze wieder „wegzunehmen“, dass war nicht mehrheitsfähig, auch wenn dies jederzeit mittels Ratsbeschluss möglich wäre. Daher kam nun auf Vorschlag von Grünen, CDU, FDP-Bürgerliste und Linke+ der Vorschlag auf den Tisch, das Gremium von 12 auf 15 Sitze zu erweitern.

Damit könnten künftig vier statt nur zwei Ratsvertreter:innen im Aufsichtsrat mitwirken. Neben SPD und Grünen wären künftig auch CDU und Linke+ vertreten. Der Seite der Beschäftigten soll der dritte zusätzliche Platz überlassen werden. Sie hätten dann künftig sieben statt sechs Sitze. Aber ihnen gegenüber stünden rechnerisch acht Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitgeber:innen gegenüber.

Scharfe Kritik von ver.di und DGB am Verlust der Parität und an „Komba“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und ver.di in Dortmund kritisieren die Änderung der Zusammensetzung als Rückschritt für die Vertretung von Arbeitnehmer:innen-Interessen. „Das diese Entwicklung, wie aus den Medien zu erfahren ist, auch noch mit den Betriebsräten abgestimmt ist und man sich ,einverstanden erklärt’ hat, macht uns fassungslos“, kritisiert ver.di-Michael Kötzing. 

ver.di-Chef Michael Kötzing

„Mit den ver.di-Betriebsräten bei der EDG und ver.di selbst war das jedenfalls nicht abgestimmt. Und mit einem ver.di geführten Betriebsrat hätte es diese Entwicklung auch nicht gegeben, da können sich alle Beteiligten sicher sein. Verdi hat die paritätische Mitbestimmung bei der EDG umgesetzt und 30 Jahre gesichert“, betont Kötzing.

Er kritisiert damit – ohne sie direkt zu benennen –  die Konkurrenzgewerkschaft „Komba“, die bei den letzten Wahlen erstmals die Nase vorn hatte und mit Fahnen und Plakaten für den Erhalt der Parität vor dem Rat demonstrierte. „Damit ist die paritätische Mitbestimmung nach 30 Jahren EDG nun Geschichte. Aber genau diese paritätische Mitbestimmung war bei der Gründung und Privatisierung der EDG eine der Voraussetzungen für die Arbeitnehmer:innen, diesen Weg seinerzeit mitzugehen“, erinnerte Kötzing. 

„Diese wurde Anfang der 90er Jahre von der ÖTV / ver.di und einer gewerkschaftlich stark organisierten Belegschaft durchgesetzt und war auch damals keine Selbstverständlichkeit. Das dieses gelebte Verständnis bei CDU und Grünen nicht vorhanden ist, kritisieren wir Gewerkschaften in aller Deutlichkeit“, so der ver.di-Chef.

Kritik am „Machtkalkül der CDU“ zum Nachteil der Beschäftigten

DGB-Chefin Jutta Reiter
DGB-Chefin Jutta Reiter Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Statt die seit Jahren bewährte Mitbestimmungs-Struktur und vor allem Kultur in Dortmund beizubehalten, wurde hier aus reinem Machtkalkül vor allem seitens der CDU gehandelt. Dass die Grünen dies inhaltlich mittragen macht es nicht besser. Denn wo der Vorteil für die Beschäftigten liegen soll, ist nicht erkennbar“, kritisiert die Dortmunder DGB-Vorsitzende Jutta Reiter den Umbau.

„Vertrauen in die EDG zurückzugewinnen und die Herausforderungen der Zukunft meistern wäre wichtiger gewesen, als den Aufsichtsrat aufzublähen, um Parteiinteressen zu positionieren und damit Arbeitnehmer:innenrechte zu schleifen“, so die DGB-Vorsitzende. 

„Das ist das falsche Signal an die Öffentlichkeit und vor allem an die Beschäftigten. Wir werden gemeinsam mit dem DGB unseren politischen Einfluss auch in Zukunft nutzen, um weitereichende Sicherheiten für die Beschäftigten bei der EDG nachzuverhandeln und werden uns mit diesem Ergebnis so nicht zufrieden geben“, kündigt Michael Kötzing an.

Grüne, CDU und Linke+ setzen die Neuregelung durch

Die EDG ist eine städtische Tochter.
Die EDG ist eine städtische Tochter. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Zahlreiche Untersuchungen hätten gezeigt, dass mitbestimmte Unternehmen und hier insbesondere mit paritätisch besetzen Aufsichtsräten im Vergleich viele Vorteile für die Beschäftigten haben.

Iihre Ausbildungsquote liege beispielsweise ein Viertel über der Quote nicht mitbestimmter Unternehmen, sie täten mehr für die Frauenförderung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sie seien nachhaltiger ausgerichtet und böten mehr Weiterbildung an infolge dessen die Arbeitszufriedenheit steige.

„Mit dem nun eingeleiteten Ringen um Aufsichtsratsposten und damit Einfluss in der EDG wird es vor allem auf einer Seite Verlierer geben: Bei den Beschäftigten und ihrem Vertrauen in eine beschäftigtenorientierte Unternehmenspolitik und die Dortmunder Lokalpolitik“, so Reiter.

Engere Anbindung der EDG an den Rat als Hauptmotiv

SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven
SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Diese Kritik verhallte jedoch weitgehend: Grüne, CDU und Linke+ setzten die Neuregelung durch. SPD, FDP/Bürgerliste und „Die Partei“ stimmten erfolglos dagegen, die AfD enthielt sich.

Zur vor hatte Carla Neumann-Lieven (SPD) deutlich gemacht, dass Mitbestimmung im Betrieb und Parität im Aufsichtsrat „sozialdemokratische DNA“ seien: „Wir werden dies durchsetzen und verteidigen, wo es geht und wo wir Mehrheiten dafür erringen können. Wir stehen weiter fest an der Seite der EDG-Beschäftigten und der Parität im Aufsichtsrat.“ 

CDU-Fraktionschef Dr. Jendrik Suck
CDU-Fraktionschef Dr. Jendrik Suck Foto: CDU-Fraktion im Rat der Stadt Dortmund

„Die engere Anbindung der EDG an den Rat ist aus unserer Sicht das wesentliche Motiv, die Zusammensetzung des Aufsichtsrates zu verändern“, betonte Dr. Jendrick Suck (CDU). „Er ist einer der wesentlichen Konzerne und es gibt vielfältige Verknüpfungen zur Ratsentscheidungen“, sagte er mit Blick auf Themen wie die Strategie für die Betriebshöfe, die Pflege des Straßenbegleitgrüns oder kostenlose Sperrmülltage.

„Das zeigt, dass es nötig ist, eine engere Verbindung zu schaffen“, so Suck. Daher sei er davon überzeugt, dass der Vorschlag ein guter Kompromiss sei, der den Interessen des Rates und damit der Stadtgesellschaft und den Arbeitnehmer:innen gerecht werde.   

„Die Linke sitzt als Arbeitnehmer-Fraktion auf der Arbeitgeberseite“

Utz Kowalewski (Die Linke+)
Utz Kowalewski (Die Linke+) Archivfoto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Auch Utz Kowalewski führte die zahlreichen Skandale und Probleme bei der EDG ins Feld: „Daraus haben wir Schlussfolgerung gezogen, dass nur zwei Ratsmitglieder zu wenig sind. Warum soll ich zur Wahl gehen, wenn die Mehrheit nichts zu sagen hat und nur zwei Fraktionen von sieben beteiligt sind – und damit von Informationen abgeschnitten.“

 Dennoch kämen die Rechte der Arbeitnehmer:innen nicht unter die Räder: „Die Linke sitzt als Arbeitnehmer-Fraktion auf der Arbeitgeberseite. Die Arbeitnehmer haben so künftig die Mehrheit“, versprach Kowalewski vollmundig. „Da gebe ich den Kollegen der EDG mein Wort.“

Michael Kauch ist Fraktionsvorsitzender von FDP/ Bürgerliste im Rat der Stadt Dortmund Südwall 21-23 44137 Dortmund Tel. 0171-6419728 -- Fraktionsvorsitzender FDP/ Bürgerliste im Rat sowie FDP-Kreisvorsitzender.
Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste) Foto: Sascha Menge für die FDP Dortmund

Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste) pochte auch auf die Notwendigkeit, den Aufsichtsrat stärker an den Rat anzubinden bzw. den Rat im Aufsichtsrat zu stärken. „Das scheint auf der Hand zu liegen. Immer wenn es im Kommunalkonzern Irritationen gab oder Skandale, war die EDG mittendrin. Wenn es ein Problem gibt, dann EDG dabei.“  

Daher sei es verständlich zu sagen, das zu ändern und den Rat stärken. Doch der jetzt vorlegte Vorschlag ändere nichts: „CDU und Linke bekommen einen Sitz, sonst ändert sich nicht viel. Daher nicht zustimmen – ändert nichts, sondern kostet nur mehr Geld“, so Kauch.

„Die Eigentümer wollen sich stärker um die EDG kümmern“

Er kritisierte, dass nicht die drei Sitze der DEW21 auf den Prüfstein gestellt worden seien. „Mit welcher Berechtigung behaart die DSW als 100%-Tochter der Stadt diktatorisch auf drei Sitzen. Sie ist ein Minderheitsgesellschafter, der der Stadt gehört. Und wir geben denen Vorrang vor dem Rat? Daher wäre es gut, den Antrag abzulehnen und neu zu diskutieren, auch unter Einbeziehung der kommunalen Töchter“, so Kauch.

Ingrid Reuter ist Fraktionssprecherin der Grünen-Ratsfraktion in Dortmund.
Ingrid Reuter ist Fraktionssprecherin der Grünen-Ratsfraktion in Dortmund. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Doch diese Forderung verhallte: „Wir haben lange in mehreren Runden über die Zusammensetzung und die Größe des Aufsichtsrats gesprochen. Wir als Grüne haben kein Eigeninteresse, einen weiteren Platz zu bekommen, aber Interesse daran, dass bei EDG Ruhe einkehrt“, pochte Ingrid Reuter (Grüne) darauf, jetzt zu entscheiden. 

„Die Eigentümer wollen sich stärker um die EDG kümmern“, betonte sie. Daher seien die neuen Mehrheitsverhältnisse 8:7, nicht mehr 6:6. „Ich kann die Arbeitnehmer:innen verstehen, dass sie das nicht gut finden. Aber sie müssen nur eine Person aus dem anderen Lager, wenn man von Lager sprechen will, überzeugen“, sagte Reuter mit Blick auf die neuen Mehrheitsverhältnisse.

Der 1. Bürgermeister Norbert Schilff wollte die Vielzahl der (angeblichen) Verfehlungen allerdings nicht unkommentiert im Raum stehen lassen: „Gestatten sie mir einige neutrale Anmerkungen als Aufsichtsrats-Vorsitzender: Ob es um illegales Wohnen, Grundstücksverkäufe, gewährte Darlehen etc. ging – nichts ist davon übrig geblieben. Auch beim Thema Korruption ist extern untersucht worden. Auch da treffen die Organe und handelnden Personen kein Verschulden“, betonte der SPD-Politiker.

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  1. SPD Dortmund: Die Parität im Aufsichtsrat der EDG muss erhalten bleiben! (PM)

    In seiner Sitzung am Montagabend hat der Vorstand der Dortmunder SPD sich mit der aktuell laufenden Diskussion um die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der EDG befasst. Mit einem eindeutigen Ergebnis: Die Parität zwischen Arbeitnehmer- und Gesellschaftervertreter muss unbedingt erhalten bleiben.

    Zum Umgang mit der Mitbestimmung im Aufsichtsrat der Entsorgung Dortmund GmbH (EDG) äußert sich der Dortmunder SPD-Vorsitzende Jens Peick: „Die SPD steht seit jeher an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und hat in Dortmund eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat der städtischen Unternehmen erkämpft. Dies bedeutet die Hälfte der Aufsichtsratsmandate gehen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese Praxis werden wir nicht aufgeben. Mitbestimmung im Betrieb und Parität im Aufsichtsrat sind für uns oberste Maxime. Eine Erweiterung des Aufsichtsrats und damit die Aufgabe der Parität aus reinem Machtkalkül, weil die CDU die Kommunalwahl verloren und damit ihr Aufsichtsratsmandat bei der EDG abgeben musste, machen wir nicht mit. Als SPD Dortmund fordern wir die Beibehaltung der Parität im Aufsichtsrat der EDG. Das bedeutet: 50% der Aufsichtsratsmandate gehen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

    Aus Sicht der SPD ist die beste Lösung, es bei der bisherigen Zusammensatzung des Aufsichtsrates zu belassen. Sollte die CDU an ihrer Forderung festhalten und dafür weiterhin die Unterstützung anderer Fraktionen im Rat erhalten, ist aber eine Vergrößerung des Aufsichtsrates unumgänglich, damit die Arbeitnehmer weiterhin angemessen vertreten sind.

    Die stellvertretende SPD-Unterbezirksvorsitzende Anja Butschkau ergänzt: „Ich kann nur mein Unverständnis über dieses machtpolitische Gehabe der CDU ausdrücken. Die Wählerinnen und Wähler haben die CDU bei der letzten Kommunalwahl nur noch zur drittstärksten Kraft gemacht. Um ihre Mandate nun zu retten, wollen sie den Aufsichtsrat der EDG erweitern und die Parität beenden. Dies ist nicht zu tolerieren, denn damit wird versucht ein demokratisches Ergebnis auszuhebeln. Ich kann den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der EDG bei ihrem Kampf für den Erhalt der Parität nur beipflichten. Dies muss oberste Priorität haben.“

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