Von Claus Stille
Am 31.Oktober 1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Türe der Schlosskirche zu Wittenberg. Der Thesenanschlag gilt als Beginn der Reformation. 500 Jahre später – im Luther-Jahr 2017 – wird auf vielfältige Weise daran erinnert. So auch in Dortmund.
Zwölfstündiger „Luther-Marathon“ in und um die Pauluskirche
Am Reformationstag stemmte die Pauluskirche auf der Schützenstraße zu diesem Anlass gar einen zwölfstündigen, sozusagen, Luther-Marathon. Schon vor 12 Uhr waren die Türen zum Kirchgarten aufgetan worden.
Rund um die evangelische Kirche in der Nordstadt tummelte sich „allerlei Volk“ zum anberaumten mittelalterlichem Fest in entsprechender Kleidung. Einzelne BesucherInnen aus der Jetztzeit wirkten fast mehr und mehr wie Fremdkörper.
Die FestbesucherInnen bestaunten wie hinter einem flackerndem Feuer im Kessel von einem Handwerker Leder verarbeitet wurde. Gleich daneben ein Stand mit anregenden Getränken und Mittelchen – hergestellt nach alten Rezepten.
Mittelalter-Markt: Handwerker, Foltermönch, „Weyssagerin“ und Mäuseroulette
Etwas gruselig ging es bei einem Mönch zu, der Waffen und Folterwerkzeuge ausstellte und ohne seine Begeisterung dabei im Geringsten zu verbergen dessen Wirkungsweise erläuterte. Große Kinderaugen wurden gemacht, als ihnen ein mittelalterlich gewandeter Mann zeigte, wie man mit Feuersteinen Funken schlagen kann, um ein Feuer zu entfachen.
„Da kannst du in der Schule mal ein kleinen Vortrag halten, wie das geht“, gab der Herr einem begeisterten Jungen mit auf dem Weg, dem das gerade gelungen war.
Im Zelt um die Ecke thronte eine „Weyssagerin“ in ihrem von einem Fell belegten Sessel und wartete in ihrem Zelt, aus welchem oben Rauch aus einem Öfchen aufstieg, auf potentielle Kundschaft. Ein Schmied bearbeitete kunstvoll Metall und versetzte eine Besucherin in Erstauen: „Dass es so etwas noch gibt heutzutage!“ Wiederum daneben warteten Schmuckstücke keltischer Art darauf den Besitzer zu wechseln.
An Stand „Mäuseroulette“ verkündete ein Schild vorerst: „Mäusepause“. Gleich gegenüber schminkte eine junge Mittelalterfrau mit feschem grünen Hut Kinder nach deren speziellen Wünschen. „Eine Meerjungfrau? Oder doch etwas anderes?“, fragte sie eine noch schwankende Kleine.
Mittelalterliche Taverne im Kirchgarten lockte mit Speis‘ und Trank
Die Taverne im Kirchgarten füllte sich Stunde um Stunde mehr mit durstigen BesucherInnen. Besonders angetan zeigten sich nicht wenige von ihnen vom süffigen – der Chronist kann es bestätigen – „Herr Käthe“-Bier, das vom Fass ausgeschenkt wurde, aber auch in Flaschen zum Mitnehmen erhältlich war.
Das obergärige Vollbier wird von der Brauerei Thombansen in Lippstadt mit den Zutaten aus den Malzsorten Pilsener, Roggen, Dinkel und Weizen-Eigenrauchmalz hergestellt. Nach einer Rezeptur, welche dem Trunk – die Erklärung der Brauerei – eine für das Mittelalter typische dunkle Bierfarbe und einem Hauch von Raucharoma gibt. „Herr Käthe“, ein für ein Bier ungewöhnlicher Name, ist als kleine Verbeugung vor Luthers Frau Katharina „Käthe“ von Bora gedacht.
Sie soll ja den Überlieferungen nach im Hause Luther die Hosen angehabt und die Wirtschaft geschmissen haben, weshalb sie von ihrem Mann respektvoll „Herr Käthe“ genannt wurde. Andere Gäste bevorzugten Kräuterlikör, Apfel- oder roten Glühwein.
Gleich vis-á-vis neben dem Seiteneingang zur Pauluskirche ward mit deftiger Suppe und leckeren Bratwürsten für eine gute Grundlage für den Besuch in der Taverne gesorgt.
Die Mittelalter-Folk-Band bestach durch enorme Professionalität
Um 15 Uhr herum spielte das Ensemble „Triskilian“ zunächst im Freien auf, um dann hernach ein Konzert im Inneren der Kirche zu spielen, das für große Begeisterung sorgte. Die professionellen Instrumentalisten waren eigens aus den fernen Städten Aschaffenburg und Heidelberg ins Ruhrgebiet gereist. Und das Publikum war fasziniert von der enormen Professionalität ihres Spiels.
Die drei: Dirk Kilian (Gesang, Sackpfeife, Nyckelharpa, Drehleier, Cister, Harfe, Nay), Jule „Sonnenklang“ Bauer ( Gesang, Schalmei, Flöte, Nyckelharpa, Tzouras, Rahmentrommel) und „Herzblutmusikerin“ Christine Hübner (Percussion, Gesang, Rahmentrommel, Darbuka, Riqq, Davul, Daf, Tamburello, Cister) stimmten sich während ihres virtuosen Musizierens fabelhaft und mittels winzig kleiner Gesten bis aufs Feinste aufeinander ab.
Die ZuhörerInnen wurden von „Triskilian“ mit auf eine musikalische Reise in das klangreiche Mittelalter genommen. Die musikalische Zeitreise der Musiker durch verschiedenste Kulturwelten führt von Irland, Schweden, England, Deutschland über Italien und Frankreich bis nach Galizien, Kastilien, Portugal und den vorderen Orient. Auch die Ud oder auch Oud (eine Laute), die Jule Bauer liebevoll als „die Urgroßmutter unserer Gitarren“ bezeichnete, wurde gespielt.
Über die Kreuzzüge und den Gewürzhandel, erfuhren die ZuschauerInnen, sei neben anderen auch dieses Instrument wie u.a. auch die Mathematik aus dem Orient in unsere Gefilde gelangt. Besonders unter die Haut ging den BesucherInnen gewiss ein von „Triskilian“ dargebotenes Lied der Mystikerin Hildegard von Bingen (1098 – 1179).
Nächtlicher Traum mit dem Blick 500 Jahre nach vorn: „Käthes Reformation heute“
Die Triskilians wirkten als Spielleute auch im sich etwas anderen Gottesdienst „Talk to Heaven“ mit. In dessen Rahmen diesmal das Schauspiel „Käthes Reformation heute“ gegeben wurde. In dessen Mittelpunkt Luthers Frau Katharina von Bora (Käthe) steht.
Der plötzlich im Kirchenschiff auftrumpfende Ablassmönch Johann Tetzel wird von Martinus Luther und den Kirchenbesuchern postwendend des Gotteshauses verwiesen.
Zum Stück: Im nächtlichem Traum hat „Herr Käthe“ erfahren, wie es um die Welt und die Kirche 500 Jahre nach der Reformation steht: Immense Ausbeutung der Natur durch den Menschen, welche zu schlimmen Naturkatastrophen führt, Kriege, die Flüchtlinge zur Folge haben und unermessliches Tierleid, verursacht durch Massentierhaltung. Unterstützt wurde die Erzählung der Käthe durch Videoeinblendungen.
Thesenanschlag-Mitmachaktion vor dem Hauptportal der Pauluskirche
Käthe (Sandra Laker) spricht sich gegenüber ihrem zunächst skeptischen Doktor Martinus Luther (Friedrich Laker) im Stück dafür aus, Menschen aus allen Kreisen der Bevölkerung in die Reformation einzubeziehen, um diese so zu erweitern und mit allen Kräften zu verteidigen.
Im weiteren Verlauf des Dortmunder Luther-Marathons hatten die Festbesucher nach Luther, Käthe und Melanchthon Gelegenheit vorbereitete Thesen an die Kirchentüre zu schlagen.
Viele BesucherInnen nahmen sie wahr und hatten auch im weiteren Verlauf des Abends noch die Möglichkeit das zu tun.
Projektion auf dem Kirchturm: Glauben bewahren und verändern“
Aber schon wartete das nächste Highlight auf die FestbesucherInnen: Von einem gegenüberliegendem Haus auf der Kirchenstraße projizierte ein Beamer ab 18.30 Uhr in großen Lettern (die sicher auch von weiter weg zu sehen waren) den Reformationsspruch „Glauben bewahren und verändern“. Auch andere Dortmunder Kirchengemeinden beteiligten sich an dieser Aktion.
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