Psychische Erkrankungen sind unter wohnungslosen Menschen keine Seltenheit. Mit der Pension Plus bietet die Diakonie in Dortmund seit dem vergangenen Jahr eine Unterkunft für Betroffene und damit eine Perspektive auf ein möglichst selbständiges Leben.
Psychische Krisen können oft unbemerkt fatale Abwärtsspiralen auslösen
Wohnungslos zu sein hinterlässt häufig gesundheitliche Spuren. Zahlreiche Menschen, die in der Zentralen Beratungsstelle für wohnungslose Menschen der Diakonie (ZBS) in der Rolandstraße betreut werden, erhalten vor Ort auch medizinische Versorgung: Offene Wunden, Suchterkrankungen oder Infektionen sind die häufigsten Fälle, mit denen es die Krankenschwestern der ZBS täglich zu tun haben. ___STEADY_PAYWALL___
Doch gibt es auch Erkrankungen, die keine Folge sind, sondern Mitauslöser für die Wohnungslosigkeit: So ist die Zahl der wohnungslosen Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, in den vergangenen Jahren stark angestiegen. „Häufig löst eine psychische Krise eine Abwärtsspirale aus, die sich in manchen Fällen erst wieder stoppen lässt, wenn das gewohnte Leben schon völlig aus der Bahn geraten ist“, schildert ZBS-Leiter Thomas Bohne die Situation.
„Menschen, die fest und sicher im Leben stehen, gehen plötzlich nicht mehr zur Arbeit oder werden aufgrund von Aussetzern entlassen. Sie sind nicht mehr in der Lage, Rechnungen nachzukommen oder lassen ihre Wohnung verwahrlosen. Angehörige ziehen sich hilflos zurück oder sind nicht greifbar, viele werden schließlich zwangsgeräumt. Das Leben auf der Straße beginnt“, schildert ZBS-Leiter Thomas Bohne die Situation.
Nicht selten erkennen die Betroffenen ihre eigene Krankheit nicht oder gehen einer nahegelegten Therapie bewusst aus dem Weg: „Und so gehören plötzlich mehr und mehr Menschen zum Wohnungslosenspektrum, die da eigentlich nicht reingehören.“
Sechs Plätze für Frauen in der Nortkirchenstraße, neun für Männer im Bodelschwingh-Haus
Mit der Pension Plus schließt die Diakonie hier eine wichtige Versorgungslücke in unserer Stadt. Seit April 2020 bietet die Diakonie an zwei Standorten eine Unterkunft für wohnungslose Menschen mit einer psychischen Erkrankung: In der Frauenübernachtungsstelle, Nortkirchenstraße 15, in Dortmund-Hörde stehen sechs Plätze für Frauen zur Verfügung.
Neun Plätze für männliche Betroffene gibt es im Bodelschwingh-Haus der Diakonie in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße 5. Ziel ist es, diese durch ihre Erkrankung besonders gefährdete Gruppe zu schützen und sie langsam und vertrauensvoll an das weiterführende Hilfesystem anzubinden.
Ein Team aus Sozialarbeiter*innen, Hauswirtschafter*innen und Fachkräften der Krankenpflege unterstützen und begleiten die Bewohner*innen auf dem Weg zur Wiedererlangung und Stärkung der eigenen Ressourcen. Stets in enger Kooperation mit dem sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt Dortmund und angeschlossenen Praxen. Die Hilfen sind dabei so vielfältig, wie die Geschichten der Menschen, die auf dieses Angebot angewiesen sind:
Mitarbeiter*innen werden oft mit unerwarteten und krassen Schicksalen konfrontiert
Als Frau K. im Sommer 2020 am Dortmunder Hauptbahnhof angesprochen wurde, waren ihr die Spuren langjähriger Obdachlosigkeit deutlich anzusehen. In der Frauenübernachtungsstelle der Diakonie angekommen, berichtete sie viel über ein Leben, das eigentlich so gar nicht zu ihrer heutigen Erscheinung passt und referierte häufig und eloquent über wissenschaftliche Fachthemen. Von ihrer Erkrankung will sie nichts wissen.
Erst mit viel Geduld, behördlicher Hilfe und in wenigen lichten Momenten fanden die Mitarbeitenden vor Ort heraus: Frau K. war langjährige Professorin an einer renommierten Hochschule in Bayern. Auf ihrem Konto türmt sich eine hohe Rente auf, seit Monaten unberührt.
„Frau K. wurde durch eine psychische Erkrankung aus ihrem Alltag gerissen, hat jeglichen Wohlstand hinter sich gelassen und bemerkt aufgrund ihrer Krankheit gar nicht, wie sich ihr Leben verschlechtert hat“, sagt Ilda Kolenda, Leiterin der Frauenübernachtungsstelle und der angeschlossenen „Pension Plus“.
Schon vor Monaten wurde Frau K. durch einen Betreuer eine Wohnung, ihres bisherigen Lebensstandards angemessen, besorgt, doch auch diese ließ sie hinter sich, stieg irgendwann in einen Zug und landete schließlich in Dortmund, als eine von vielen wohnungslosen Menschen dieser Stadt.
Aufenthalt von bis zu drei Jahren möglich – Diakonie unterstützt auf dem Weg zurück ins Leben
Herr P. hat eine andere Geschichte: Nach vielen Jahren auf der Straße haben ihm Drogenmissbrauch und Alkoholsucht schwer zugesetzt. Durch den täglichen Konsum hat er schwere Psychosen entwickelt, akzeptiert aber seine Erkrankung nicht und lehnt jegliche medizinische Therapie ab.
Den Großteil des Tages berichtet er klar und sachlich von Attentaten, die Angela Merkel auf ihn geplant hat, häufig ist er tagelang still, nimmt nichts zu sich, kümmert sich nicht um sich.
In der Pension Plus haben beide eine geeignete Unterkunft gefunden. Die Menschen aus dem Wohnungslosenspektrum begeben sich freiwillig in die Hände der Diakonie, die meisten haben Persönlichkeits- oder Verhaltensstörungen, eine Schizophrenie oder andere psychotische Belastungsstörungen.
Die Kontaktaufnahme setzt viel Vertrauen voraus, eine selbständige Verbesserung der Lebensumstände – und so geht es allen Nutzer*innen der Pension Plus – ist unmöglich geworden. Hier ist die Diakonie den Betroffenen ein wichtiger Partner auf dem Weg zurück in eine geordnetere und sichere Zukunft.
In beiden Einrichtungen der Diakonie bewohnen die Betroffenen möblierte Einzelzimmer. Aufenthaltsräume und Küchen stehen ebenfalls zur Verfügung, beide Häuser sind rund um die Uhr besetzt. Der Bedarf ist groß: Aktuell sind die Plätze der Pension Plus fast voll belegt, einzig in der Männerunterkunft gibt es noch zwei Aufnahmemöglichkeiten.
Bis zu drei Jahre dürfen die Menschen dort bleiben, in der Zeit wird daran gearbeitet, sie für ein weitgehend selbständiges Leben in einer Folgeeinrichtung oder gar in der eigenen Wohnung vorzubereiten. Finanziert wird die Unterbringung und Betreuung der Bewohner*innen durch die jeweiligen Sozialhilfeträger sowie den Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
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