Von Rainer Roeser
Fünfmal begehrte der Dortmunder AfD-Abgeordnete Matthias Helferich Einlass in die Bundestagsfraktion seiner Partei. Fünfmal vergebens. Jetzt, knapp eineinhalb Jahre nach der vorigen Wahl, bei der er sein Mandat in Berlin errang, weiß er zwar eine Mehrheit der Fraktion hinter sich. In ihren Reihen mitmachen darf er aber immer noch nicht.
Der Dortmunder hat selbst fürs AfD-Empfinden einen schlechten Ruf
35 Parlamentarier:innen der AfD votierten am Dienstagnachmittag für seine Aufnahme in die Fraktion. Nur 31 stimmten dagegen, drei enthielten sich. Eine Mehrheit – doch keine, die ausreichte. Denn vor der Abstimmung über Helferichs Antrag, so twitterte es ein Journalist der ARD, hatte sich die Fraktion darauf verständigt, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich sein sollte.
Die freilich ist (noch) nicht erreichbar für den AfD-Politiker aus dem Ruhrgebiet mit dem selbst für AfD-Empfinden schlechten Ruf. „Es gab einige Kollegen, die eine Aufnahme nicht mit ihrem Gewissen hätten vereinbaren können. Deshalb gehe ich davon aus, dass viele Kollegen bei der Abwägung zwischen Nutzen und Schaden einer Aufnahme die Risiken höher bewertet haben als die Chancen“, erklärte der rheinland-pfälzische Abgeordnete Andreas Bleck.
Man könnte auch deutlicher formulieren: Eine nur sehr knappe endgültige Entscheidung pro Helferich wäre Dynamit für den Zusammenhalt der AfD-Fraktion gewesen.
Fraktionsmitglieder erwarten unangenehme Zwischenrufe
Dass er sich selbst als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte, dass er einst einmal den „demokratischen Freisler“ geben wollte, vor allem aber dass seine entsprechenden Chat-Einträge öffentlich bekannt geworden waren – das hatte Helferich viel Gegnerschaft in der Partei eingetragen. Und auch wenn er sich bemühte, seine Äußerungen als „ironisch“ gemeint darzustellen – verbessern ließ sich seine Lage nicht wesentlich.
Seine internen Gegner kommen aus unterschiedlichen Gruppen und Lagern der Partei. Teilweise überschneiden sich ihre Motive. Da sind jene, die in den letzten Jahren zwar jeden Schritt der Radikalisierung in der AfD mitgemacht oder zumindest nachvollzogen haben, die aber zugleich jeden positiven NS-Bezug ablehnen.
Da sind jene, die gegen Helferich im Prinzip wenig einzuwenden haben, die aber ahnen, dass es mit ihm im Bundestag für die AfD noch unangenehmer würde. Sie erahnen schon die Zwischenrufe im Plenum, wenn Helferich für die Fraktion ans Redepult träte und prompt die Frage laut würde, ob nun ein „freundliches Gesicht des NS“ oder ein „demokratischer Freisler“ für die AfD sprechen wolle.
Der nachtragende „Flügel“ verhindert eine Aufnahme
Nicht zuletzt waren es auch langjährige Vertreter des „Flügels“ aus Nordrhein-Westfalen, die seine Aufnahme in die Bundestagsfraktion stets verhindern wollten. Auf den ersten Blick könnte das überraschen, denn kaum ein anderer in der NRW-AfD steht so sehr für einen radikalisierten Kurs der Partei und für eine Orientierung an der demokratiefeindlichen „Neuen Rechten“ wie Helferich.
Doch die Ablehnung hat eine Vorgeschichte. „Flügel“-Leute tragen es Helferich nach, dass er sich zumindest zeitweise mit angeblich „Gemäßigteren“ in der Partei verbündete. Zumindest in einigen Kreisen der AfD ist Hass – auch der auf „Parteifreunde“ – eine Grundkonstante ihres Wirkens.
Bislang haben seine Gegner dafür gesorgt, dass Helferich ganz hinten im Plenarsaal, neben den anderen Fraktionslosen, Platz nehmen musste.
Sein erster Versuch, in die Fraktion aufgenommen zu werden scheiterte, weil bereits in ihrer konstituierenden Sitzung der Widerstand zu deutlich war und Helferich schließlich selbst verzichtete. Einen zweiten Vorstoß stoppte er nach eigenem Bekunden „auf Wunsch der niedersächsischen Parteifreunde aus Rücksicht auf den dortigen Wahlerfolg“.
Versuch drei kam im vorigen Dezember – nach seinen Worten – „auf Wunsch des Fraktions- und Parteivorsitzenden Tino Chrupalla“ nicht zustande. Vorstoß vier kam Anfang des Jahres erst gar nicht zur Abstimmung, weil die Fraktion auf Antrag des Berliner Abgeordneten Gottfried Curio, den heiklen Antrag von der Tagesordnung nahm. Nun, im fünften Anlauf, hatte Helferich eine knappe Mehrheit hinter sich – und kann damit doch wenig anfangen.
Unterstützung von rechtsaußen für Helferich
Seine Fans vom Rechtsaußenflügel der AfD zürnen: „Hier schließt man also einen Kollegen, der von AfD-Mitgliedern als Kandidat aufgestellt wurde, Mitglied der Partei ist, sich zu ihren Inhalten & Programm bekennt & sich nichts (mehr) vorzuwerfen hat, von einer Zusammenarbeit in der Fraktion aus, weil … ja, warum eigentlich?“, meint Torben Braga, Björn-Höcke-Adlatus aus Thüringen.
„Die Jugend muss es mit der Einheit in den nächsten Jahren richten. Und sie wird es, versprochen“, droht Hannes Gnauck, Vorsitzender der „Jungen Alternative“ (JA) und vom Militärischen Abschirmdienst als Extremist eingestuft, den Gegnern Helferichs.
Und seine JA erklärt: „Wir als Junge Alternative stehen zu Matthias Helferich und unterstützen seine Aufnahme in die Bundestagsfraktion weiterhin.“ Fortsetzung folgt.
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