Mit dem Strukturwandel in Dortmund gewinnen technologisches Wissen und Hightech-Wissenschaften an Bedeutung. Ein 2013 vom Stadtrat beschlossener, siebenjähriger Masterplan soll die Zukunft der Stadt als Wissenschaftsstandort sichern. Seine Evaluation durch ein Gremium von ExpertInnen fiel insgesamt sehr positiv aus. Diskutiert wurde darüber auf der 3. Dortmunder Wissenschaftskonferenz, die Verabschiedung einer Version 2.0 vor den Kommunalwahlen im Herbst 2020 ist vorgesehen. – Zweites großes Thema an diesem Tag unter den Akteuren im Rathaus: das Kompetenzfeld „Schul- und Bildungsforschung“. Denn um die WissenschaftlerInnen von morgen sollten wir uns sinnvollerweise bereits heute kümmern. – Eher stiefkindlich dagegen werden in dem auf die Wirtschaftsinteressen der Stadt hin ausgerichteten Mega-Projekt humanistische Bildungsperspektiven behandelt.
Durch den Strukturwandel in der Stadt: Wissen und Wissenschaft gewinnen rasant an Bedeutung
Von klassischen Wirtschaftsgeneratoren des Ruhrgebiets wie Kohle, Bier, Stahl zur postindustriellen Stadt: das tut weh, war aber bei Strafe des Niedergangs alternativlos.
Die Veränderungen in Dortmund und anderswo seit Anfang der 80er Jahre in ihrer Entwicklungstiefe bedeuten nichts anderes als den Vollzug eines ausgewachsenen Strukturwandels. Besonders augenfällig wird er am Schrumpfen des Produktionssektors: der stand seinerzeit noch für knapp die Hälfte der kommunalen Wirtschaftskraft.
Heute sind in Dortmund bereits über 80 Prozent aller Erwerbstätigen im tertiären Sektor, dem Dienstleistungsbereich beschäftigt: Handel, Verkehr, Information, Kommunikation, Gesundheit, Verwaltung usf. Die Standortschwerpunkte verlagern sich in Richtung technologische Produktivität, mit innovativen Zukunftsbranchen, Vernetzung, digitaler Planung, Kompetenz- und Bildungsangeboten.
Dabei werden Wissensbestände, ihr systematisches Generieren wie deren Vermittlung immer wichtiger. Die Wirtschaftsförderung der Stadt schätzt, dass der Anteil rein wissensbasierter Tätigkeiten wie Forschung, Lehre, Erziehung, Beraten, Ausbilden etc. an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen von noch 17,5 Prozent zur Jahrtausendwende auf 23,2 Prozent im Jahre 2030 anwachsen wird.
„Masterplan Wissenschaft Dortmund“: Programm für eine Zukunft als Technologie- und Kompetenzstandort
Dieser Entwicklung musste die Stadt Rechnung tragen; programmatisch tat sie dies 2013 – durch den auf sieben Jahre angelegten „Masterplan Wissenschaft“.
Er enthält eigens gewichtete Kompetenz- und Handlungsfelder, um Hightech-Wirtschaftssektoren durch den Ausbau Dortmunds als Wissenschaftsstandort zu fördern – für die KonzeptentwicklerInnen eine Schlüsselinvestition in die Zukunft.
Jetzt stand die 3. Dortmunder Wissenschaftskonferenz an. Nachdem im Evaluationsbericht zum Masterplan vor einigen Monaten vom Gutachtergremium gute, überwiegend sogar sehr gute Noten für dessen Umsetzung nach zwei Dritteln Laufzeit verteilt wurden, war natürlich klar, dass sich die involvierten Akteure bei dieser Gelegenheit darin ein wenig sonnen würden.
Was keineswegs verwerflich ist: sich also mal gegenseitig ein wenig auf die Schultern zu klopfen, wenn hinter dem Erfolg harte Arbeit steht, gemeinsame Anstrengungen. Doch bei allem Stolz auf das Erreichte, es bleibt wenig Zeit zum Ausruhen: die innovative Kraft technologischer Implementation lebt vor allem von Schnelligkeit.
Die seit 2016 im Zweijahresrhythmus stattfindende Wissenschaftskonferenz selbst ist Bestandteil des Masterplans und soll dazu dienen, regelmäßig zu resümieren, sich weiter zu vernetzen, aber ebenso, um zu debattieren und offene Probleme zur Sprache zu bringen.
Ullrich Sierau: Kooperation mit der Wissenschaft ist für die Stadt Dortmund unabdingbar
Dortmund hat sich in den vergangenen Jahren auch zu einer Wissenschaftsstadt gewandelt, mit einem deutlichen Zugewinn an Strahlkraft.
Als er hier angefangen habe, zu studieren, betont OB Ullrich Sierau in seinem Grußwort, seien viele der damaligen KommilitonInnen in die Stadt gekommen, um hinterher wieder zu gehen; das sei heute anders: die Arbeit käme durch verstärkte Ansiedlung etwa von Technologieunternehmen und den damit verbundenen Struktureffekten quasi zu den Menschen in die Stadt.
Das drückt sich auch im Umfang des Studienangebots wie in der Zahl der Studierenden aus: an die 55.000 sind es gegenwärtig, die an acht (vier staatlichen und vier privaten) Dortmunder Hochschulen studieren, davon etwa zwei Drittel an der Technischen Universität mit ihren über 1.700 MitarbeiterInnen in der Lehre und 80 Studiengängen – ob Raumplanung, Rehabilitationswissenschaften, Bioingenieurwesen oder Musikjournalismus.
Die stärker praxisorientierten Studienmöglichkeiten an der Fachhochschule nutzen mittlerweile 13.500 Studierende in Fächern wie Architektur und Design, Informations- und Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau, Sozialwissenschaften oder Wirtschaft. Hinzu kommen 19 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.
100 Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern sollen Zukunft als Wissenschaftsstandort sichern
Bei einer solchen Ansammlung an Wissensbeständen, Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen und vor dem Hintergrund von Megatrends wie „Globalisierung“ oder „Digitalisierung“ ist für Ullrich Sierau klar: die Stadt ist darauf angewiesen, mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten. Umgekehrt: ohne Hochschulen und Innovationskraft „wäre es um unsere Zukunft schlecht bestellt“, so Sierau.
Bestes Beispiel für die Kooperation mit der Wissenschaft ist gleichnamiger Masterplan. In ihm sind sechs Handlungsfelder ausgezeichnet, in denen 100 Einzelmaßnahmen verortet werden. Grundlegende Aufgabe ist die städtebauliche Entwicklung, verkehrliche Erschließung und Versorgung des Campus.
Darauf aufbauend, geht es unter anderem um die Schaffung fördernder Rahmenbedingungen wie etwa die Verbesserung der Lebenssituation Studierender; um die Verbesserung von Bildungschancen, eine Stärkung von Brückeneinrichtungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, um eine deutlichere Wahrnehmung Dortmunds als Wissenschaftsstandort in der Öffentlichkeit – und abschließend um eine Gruppe von Meta-Maßnahmen, mit denen die Umsetzung aller anderen gesichert werden soll.
Gesamturteil der GutachterInnen zum Masterplan: sehr gut – vorbehaltlich kleinerer Korrekturen
Ullrich Sierau kann stolz verkünden: etwa zwei Drittel der 2013 beschlossenen Maßnahmen seien mittlerweile abgeschlossen oder hätten sich etabliert. Gleichwohl: es handele sich bei der Umsetzung um einen dynamischen Prozess, in dem Neues hinzukäme, auch angepasst und korrigiert werden müsse. Aber, bemüht er einen Ausspruch von J.F Kennedy: Veränderung sei das Gesetz des Lebens.
Deswegen dürften die Beteiligten an dem Großprojekt für den ein oder anderen fachkundigen Hinweis dankbar sein, an welchen Stellen es noch Verbesserungsbedarf gibt.
Prof. Manfred Prenzel, Vorsitzender der Gutachterkommission, bestätigt in seinem Vortrag zu den Evaluationsergebnissen des Masterplans zwar den insgesamt sehr positiven Eindruck, den die ExpertInnen gewonnen hätten: der Plan sei in vielerlei Hinsicht vorbildlich und einzigartig, lobt Prenzel.
Gleichwohl sieht er im Einzelnen Handlungsbedarf für einige Korrekturen. Wünschenswert, so der Chefgutachter beispielsweise, sei eine Ausweitung des Betreuungsangebotes für Eltern ebenso wie ein ganzheitliches Radwegekonzept. Ebenfalls könne die Außendarstellung des Standortes verbessert werden, indem sie zielgruppenspezifischer ausgerichtet würde. Auch der Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft müsse verstetigt werden.
„Kompetenzfelder“: vorwiegend zur wissenschaftlichen Stützung erfolgreichen wirtschaftlichen Handelns
Eingeteilt war das diesjährige Tagungsprogramm in zwei Großblöcke: neben der Debatte um den Masterplan ging es um den Komplex „Bildung und Schule“, Schwerpunktthema: Bildungsgerechtigkeit – ein imminent wichtiges gesellschaftliches Problem. Denn individuelle Chancen auf Bildung verhalten sich der Tendenz nach umgekehrt proportional zur sozialen Herkunft. Ein Faktum, das mit guten, ethisch gerechtfertigten Gründen nicht legitimierbar ist, d.h.: ohne dass unhaltbare Zusatzannahmen sozialdarwinistischer Provenienz bemüht würden.
Deswegen ist es mitnichten Zufall, dass „Schul- und Bildungsforschung“ als eines von fünf „Wissenschaftlichen Kompetenzfeldern“ (WKF) im Masterplan, gleichsam als lokale Spezialität explizit aufgeführt wird; daneben sind das die WKF: Logistik, Produktionstechnik, Energie sowie Biomedizin- und Wirkstoffforschung. Mit dieser normativen Priorisierung wird deutlich, was in Dortmund als praxisrelevanter Kern von „Wissenschaft“ verstanden werden soll.
Es ist jenes Segment, dem ein Maximum an wirtschaftlicher Relevanz für die Stadt zukommt. Das sind technologieaffine Disziplinen aus dem Umfeld von Natur-, Ingenieur-, Betriebswissenschaften.
Das letzte WKF, die Schul- und Bildungsforschung, kann in diesem Sinne auch als eine Art Zubringer- oder Zuliefereinrichtung verstanden: indem dort systematisch erforscht wird, auf welche Weise möglichst viele Kinder und Jugendliche möglichst schnell möglichst viel instrumentelles Wissen erlangen, um später als Fachkräfte und Spezialisten in Zukunftsbranchen tätig werden zu können.
Nicht nachgefragt: Kompetenzen zur Überwindung von Blindstellen instrumentellen Denkens
Die Frage nach dem „Warum“ dessen, jenseits von Kausalzusammenhängen und Zweckrationalität, Fragen und Reflexionen etwa zum Sinn definierter Ziele, zur Legitimität oder Begründung normativer Faktizität, statt wirtschaftlichen Vorgaben unhinterfragt zu folgen – das Erlangen solcher kritischer Hintergrundkompetenzen steht in einem dergestalt operationalisierten Bildungsbegriff freilich weitgehend hintenan.
Trösten können sich die vernachlässigten Geistes-, Kultur-, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften mit ihrem humanistischen Bildungsideal immerhin damit, dass in einem dergestalt funktionalistischen, auf Wirtschaftswachstum fixierten Masterprogramm das Problem der Bildungsgerechtigkeit – aus Gründen der Sicherung menschlicher Produktivkraft – nicht ausblendbar ist.
Eine zentrale Rolle in diesem Zusammenhang nimmt das Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) ein. In ihrem Vortrag erläutert Prof. Nele McElvany Forschungsspektrum und -methoden der Einrichtung: sie operiere interdisziplinär, grundlagenbezogen, aber mit Anwendungsorientierung, so die Geschäftsführende Direktorin des an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie an der TU Dortmund ansässigen Instituts.
Gefangen in einem fatalen Zirkel von familiärer Bildungsarmut und reduzierten Bildungschancen?
In den näheren Ausführungen der Schulforscherin geht es immer wieder um herkunftsbedingte Ungleichverteilung von Bildungschancen. Verschiedene Forschungsergebnisse können als Varianten eines fatalen Mechanismus interpretiert werden: über „Sich-selbst-erfüllende-Prophezeiungen“, sowohl was Selbst-, Fremd- wie Selbstfremdeinschätzungen betrifft, perpetuiert sich Deprivilegierung – ein Teufelskreis.
Landes- oder Bundespolitik kann in Dortmund zwar nicht gemacht werden, aber: Wo liegen vielleicht im kommunalen Handlungshorizont mögliche Durchbruchsstellen? In einem der drei Blitzlichter-Vorträge von NachwuchswissenschaftlerInnen erklärt Tanja Webs, dass Kontextbedingungen von Schulorganisation neben externen Faktoren – sprich: wie’s so zuhause eigentlich is‘ – für solche „herausfordernde Lagen“ gleichermaßen eine Rolle spielten.
Eine besondere Kopplung zwischen Lesekompetenz und sozialer Lage in der Bundesrepublik stellt ihre Kollegin Dr. Franziska Schwabe fest; Ungleichheiten aus einer Lebensspannperspektive untersucht Paul Fabian. – Nur einige Beispiele für eine Vielzahl von Projekten, in denen zu Faktoren und Variablen für Chancenungleichheit im Bildungssektor geforscht wird.
Es geht zur Sache: mehr Veränderungs- gegenüber dem üblichen Beschreibungswissen gefordert
Immer mit dem Erkenntnisinteresse, Handlungswissen darüber zu generieren, wie Bildungschancen gleichmäßiger verteilt werden könnten, oder etwa, um Begabungen frühzeitig zu erkennen.
Daran orientiert sich auch Prof. Isabell van Ackeren von der Universität Duisburg-Essen. In impliziter Abgrenzung zu empiristisch-positivistischen Wissenschaftstheorien in den Humanwissenschaften und mit einem guten Schuss normativer Pragmatik im Gepäck fordert sie – in ihrem Kommentar zur regionalen Lage – im Kern mehr Erklärungs- und Veränderungswissen relativ zum dort traditionell angereicherten Beschreibungswissen.
Abschließend ein Block mit drei vorgestellten Projekten zu einem Übersetzungsproblem: von der Theorie in die Praxis der Schule. Zur Leseförderung an Grundschulen über Detektivgeschichten spricht Margit Dreischer; Thema von Gabriele Krieling ist die spielerische Sprachförderung durch freundschaftliche Begegnungen; Dr. Dirk Bennhardt erklärt abschließend, wie Studierende als Brückenbauer zwischen Schule und Hochschule fungieren können.
Ein beeindruckender Ideenreichtum in Forschung und Praxis, der sich auf der 3. Dortmunder Wissenschaftskonferenz insgesamt manifestierte. Es durfte mit Berechtigung festgehalten werden: es tut sich was in der Stadt.
Besonders mit einem viel gelobten Masterplan Wissenschaft, den auch die ExpertInnenkommission im Evaluationsbericht als beispielhaft auszeichnet und einreiht: „in eine überschaubare Zahl bemerkenswerter Initiativen, die seit einiger Zeit in Deutschland komplementär zu[r] internationalen Ausrichtung das regionale Umfeld entdeckt haben, dieses nutzen und gleichermaßen fördern“. (S. 117)
Frage der Bildungsgerechtigkeit wird in Dortmund auf unabsehbare Zeit ein Dauerthema bleiben
Erstellt worden war das Expertengutachten auf der Basis von Selbstberichten, die aus den Arbeitsgruppen der einzelnen Kompetenzfelder heraus angefertigt wurden. Die dort zusammengetragenen Hinweise und späteren Verbesserungsvorschläge in der Evaluation sollen in der nächsten Zeit von den Beteiligten ausgewertet und auf dieser Basis ein Masterplan 2.0 erarbeitet werden.
Den möchte Ullrich Sierau laut eigenem Bekunden noch vor den nächsten Kommunalwahlen in trockenen Tüchern sehen. Manfred Prenzel hat dafür bereits einen weiteren gewichtigen Punkt auf der Agenda: es müsse die Durchlässigkeit der TU und FH erhöht werden.
Dieses Motiv geht auf mehr Bildungsgerechtigkeit; dort hapert es bekanntermaßen gewaltig – nicht nur in Dortmund, sondern insgesamt in der Bundesrepublik, und hier wie in kaum einem anderen Land Europas.
Es ist evident, dass die Forderung rein bildungspolitisch und allein auf kommunaler Ebene kaum einlösbar ist. Erst recht wäre es aber wenig hilfreich, den Kopf in den Sand zu stecken. So zielen im aktuellen Masterplan die Konzeptionen der Maßnahmen 57 bis 71 aus dem Handlungsfeld „Wissenschaft und Stadtgesellschaft“ konkret darauf, jungen Menschen aus deprivilegierten Milieus bessere Bildungschancen zu verschaffen und Begabungen zu fördern.
Mehr Gerechtigkeit für bildungsferne Milieus durch erfolgreich etablierte Einzelmaßnahmen?
Von den dort aufgeführten 15 Maßnahmen sind laut vorliegendem Evaluationsbericht (S. 27) elf (=73 Prozent) bereits etabliert. Darunter fallen Ziele wie: „Studierende im urbanen Kulturleben“, „Kurse für Kinder und Jugendliche“, „Wissenschaft für Kinder/Jugendliche in den Medien“ oder „Wissenschaft in alle Stadtteile“.
Jeweils zwei Maßnahmen sind bisher nicht erfolgreich bzw. in Arbeit; bei letzteren handelt es sich um die Zielvorgaben „Angebote für das gesellschaftliche Engagement der Studierenden“ und „Lehraufträge“. Inwieweit aber das Insgesamt dieser Einzelmaßnahmen – auch, wenn sie für sich erfolgreich sein mögen – eine soziale Wirkstärke entfaltet, die ein signifikantes Mehr an kommunaler Bildungsgerechtigkeit generiert, wird sich auch mit Beendigung des Masterplans 1.0 im Jahr 2020 nur schwer abschätzen lassen.
Speziell in der Nachwuchsförderung gibt es für die ExpertInnen ebenfalls noch Luft nach oben: hier fehlten spezifische Maßnahmen, heißt es. Auch das Nichtvorhandensein einer ausgeprägten „Post-Doc-Kultur“ wird von Manfred Prenzel bemängelt.
Bei sog. „Post-Docs“ handelt es sich um zeitlich befristete Stellen für junge WissenschaftlerInnen nach der Promotion, um etwa in Vorbereitung auf eine Habilitation durch Forschungstätigkeit – und neben möglichen Lehrverpflichtungen – die eigene Veröffentlichungsliste karrierefördernd zu verlängern.
Kein Konkurrieren mit Oxford oder Tübingen – Dortmund setzt auf wissensbasierte Infrastrukturentwicklung
Dortmund als ein sich weiterentwickelnder Wissenschaftsstandort – bei allen Ambitionen gibt es offenkundig Nachholbedarf gegenüber anderen Städten, die auf eine weitaus längere universitäre Tradition zurückgreifen können.
Ob die Lücke überhaupt geschlossen werden könne, will Prof. Michael Steinbrecher, Moderator des Wissenschaftstages vom Institut für Journalistik der TU Dortmund, bei einem kleinen Podiumsgespräch zwischen verschiedenen Schlüsselakteuren des Unterfangens wissen?
Die Antworten sind verhalten bis skeptisch. Prof. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, relativiert: In großen Städten oder Metropolen sei Wissenschaft sowieso nur ein Teilausschnitt des Ganzen, so die Vorsitzende des Vereins Wissenschaft in Dortmund. Es kommt also gewissermaßen auf das Gesamtpaket an.
Deutlicher wird FH-Rektor Prof. Wilhelm Schwick: es wäre kein guter Plan, mit Oxford oder Tübingen konkurrieren zu wollen. Wichtig sei, dass an den Unis Zukunftsthemen behandelt würden, man sich dort um die jungen Leute kümmere. Andere Städte hätten eben 200 Jahre Vorsprung, stellt Prof. Detlef Müller-Böling, Beauftragter für den Masterplan Wissenschaft, fest. Was es neben den Institutionen bräuchte, sei eine Weiterentwicklung der Infrastruktur.
Von Bürgerängsten gegenüber den 68ern, deren vorsorglicher Ausquartierung und fehlenden Beschilderungen
Apropos Stadt: Ob es denn kein Nachteil sei, dass in Dortmund die Uni nicht im Stadtkern angesiedelt worden wäre?, will Steinbrecher von Müller-Böling wissen.
Der legt mit einem bübischen Lächeln den Finger auf die Wunde einer Stadtgesellschaft, die dem Motiv hinter der Ausquartierung wohl nicht viel abgewinnen kann: das habe man 1968, bei der Gründung der TU, so gemacht, weil die Bürger damals Angst vor den Studenten gehabt hätten, so der ehemalige Rektor der in Dorstfeld angesiedelten Hochschule.
Denn allem Anschein nach interessiert sich heutzutage das Gros der Studierenden für wenig mehr als die Zielgerichtetheit ihrer Studienorganisation und befindet sich, was öffentliche Angelegenheiten betrifft, eher in einem engagementfreien Zustand passivistischer Depolitisierung, der wenig befürchten lässt.
Und, ja, beantwortet Müller-Böling die Eingangsfrage: natürlich sei die innenstadtferne Lage ein Nachteil, aber ebenso von Vorteil, nämlich für die Raumentwicklung.
Und, wenn’s schon täglich brav zur Uni geht, dann soll’s für die Studierenden, damit sie nicht auf Abwege geraten, wenigstens ordentlich ausgeschildert sein: da sind sich alle einig, da müsse was passieren. Auch wenn es mit dem Aufstellen von – gefühlt – einigen Schildern nicht so leicht ist, wie auf den ersten Blick anzunehmen.
Vermutlich weiß der Oberbürgermeister davon ein Liedchen zu singen, wenn er gewisse Schwierigkeiten mit den hier ebenfalls zuständigen Landesbetrieben andeutet. Viel wichtiger sei dagegen der öffentliche Personennahverkehr, bevorzugt Sierau sowieso ökologischere Alternativen zum motorisierten Individualverkehr.
Wir sollen nicht nur nicht tun, was wir können, sondern dürfen es ungeprüft gar nicht zulassen
Ob neue Kompetenzfelder in einem zukünftigen Masterplan 2.0 denkbar wären? Die Begeisterung in der Runde für eine solche Idee hält sich sichtlich in Grenzen. Schließlich wird noch das ein oder andere Thema angerissen: von „Klebeeffekten“ bei Studierenden ist die Rede, die darauf hindeuteten, was alles erreicht wurde, oder von „Querschnittsaufgaben“, um die flächendeckende Aktivität in der Stadt anzuzeigen.
Wenig erstaunlich: Keine Frage war die zunehmende Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft bei aufweichender Trennschärfe ökonomischer Interessen zur Freiheit von Forschung und Lehre; die Gefahr blinder Technologieergebenheit und das Fehlen einer ethisch gestützten, systematischen Technikfolgenbeurteilung – alles offenbar no problemo.
Denn es geht letzten Endes um optimale, wissenschaftlich gestützte Ressourcennutzung. Dies beinhaltet zwangsläufig, durch kommunale Sonderinvestitionen niederschwelligere Zugänge in die Bildungsinstitutionen für ansonsten „bildungsferne Milieus“ zu schaffen. In der Hoffnung, dass sich begabtes Humankapital einer effizienten Verwertung nicht entzieht. Damit der Wissenschaftsstandort im Interesse aller gegenüber der Konkurrenz langfristig bestehen kann.
Hier darf dem „technologischen Fortschritt“ nichts entgegenstehen; klotzen, nicht kleckern ist angesagt – und reflexives Innehalten wäre nur störend. Ebenso wie der mahnende Gedanke, dass wir nicht nur nicht alles tun sollen, was wir können, sondern es aus Verantwortung auch nicht ungeprüft tun dürfen.
Weitere Informationen:
- Zusammenfassung Masterplan Wissenschaft Dortmund, hier:
- Masterplan Wissenschaft Dortmund, Bd. 1, hier:
- Masterplan Wissenschaft Dortmund, Bd. 2 (Zahlen und Fakten), hier:
- Links zum Masterplan, dem Zwischenbericht, der Evaluation etc., hier:
- Evaluation des Masterplans, Zusammenfassung, hier:
- Evaluation, vollständig, hier:
- Broschüre zum Wissenschaftsstandort Dortmund, hier:
- Wirtschaftsförderung: Strukturwandel in Dortmund, hier:
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Werbung für Wissenschaftsstandort Dortmund: 300 Informationsangebote bei den achten Hochschultagen
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Stadt Dortmund (Pressemitteilung)
Masterplan Wissenschaft geht in die zweite Runde
Dortmund ist Wissenschaftsstadt. Sieben Hochschulen und 19 außeruniversitäre Forschungsinstitute bilden die Dortmunder Hochschul- und Forschungslandschaft, hinzukommen wissenschaftsorientierte Unternehmen, Museen, Archive und Kultureinrichtungen. Aktuell gibt es in Dortmund über 53.000 Studierende.
Im Juni 2013 hatte der Rat der Stadt Dortmund den Masterplan Wissenschaft und seine Umsetzung beschlossen. Der Prozess zum Masterplan Wissenschaft ist vorbildlich und wohl auch in dieser Art einzigartig in Deutschland. Von Mai 2011 bis Januar 2013 wurde in einem von Wissenschaft, Wirtschaft, Stadt und Stadtgesellschaft getragenen Prozess der Masterplan Wissenschaft für die Wissenschaftsstadt Dortmund erarbeitet. Die gemeinsame Umsetzung mit den Partnern des Masterplans verfolgt das Ziel, Dortmund noch stärker als Wissenschaftsstadt zu positionieren. In den sechs Handlungsfeldern konnten gut drei Viertel der 100 formulierten Maßnahmen als abgeschlossenen, etabliert oder beschlossen eingestuft werden. Mit fast allen Maßnahmen wurde begonnen. Die Umsetzung wird durch den Lenkungskreis und den Wissenschaftsdialog mit den beteiligten Akteuren, den Beauftragten des Masterplans Wissenschaft (Prof. Dr. Detlef Müller-Böling) und durch ein gemeinsames Controlling begleitet. Eine ausführliche Bewertung der Handlungsfelder erfolgte im Zuge einer unabhängigen Evaluation des Masterplans und der darin benannten wissenschaftlichen Kompetenzfelder (2018). Der Vorsitzende der Gutachterkommission, Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Prenzel, fasste das Gesamturteil mit der Schulnote „sehr gut“ zusammen.
Rat beschließt Entwicklung des Masterplans Wissenschaft 2.0
Mit großer Mehrheit hat der Rat der Stadt Dortmund am 14. November 2019 die Weiterentwicklung des Masterplans beschlossen. Dortmund hat mit dem Masterplan Wissenschaft eine sehr gute Grundlage für weitere Entwicklungen geschaffen. Die beteiligten Akteure, der Lenkungskreis und der Wissenschaftsdialog, empfehlen ebenso wie die externe Gutachterkommission eine systematische Weiterentwicklung des Masterplans Wissenschaft. Die in dieser Ratsvorlage vorgestellte neue Grundstruktur des Masterplans Wissenschaft 2.0 markiert den Rahmen für eine kongruente (Weiter)Entwicklung von neuen Zielen, Themen, Strukturen und Arbeitsweisen. Aufbauend auf dem Masterplan Wissenschaft verfolgt der Masterplan Wissenschaft 2.0 folgende übergeordnete Ziele:
– Weiterentwicklung Dortmunds als Wissenschaftsstadt
– Ausbau der wissenschaftlichen Exzellenz und Vernetzung
– Stärkung der Wissenswirtschaft
– Experimentelle Stadt
Die im Masterplan Wissenschaft etablierten Strukturen von Lenkungskreis/Kuratorium und Wissenschaftsdialog (Steuergruppe) sollen weitergeführt werden. Auch der neue Masterplan Wissenschaft 2.0 soll von einem unabhängigen Masterplan-Beauftragten moderiert werden, der den Prozess konsensorientiert und zielführend begleitet. Dazu haben sich die Mitglieder des Wissenschaftsdialogs auf Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Waldmann, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, verständigt. Die verantwortliche Federführung des Masterplans im Sinne einer Geschäftsstelle liegt seit Beginn des Masterplanprozesses 2011 im Amt für Angelegenheiten des Oberbürgermeisters und des Rates im Bereich Hochschule und Wissenschaft und wird auch in der Fortführung dort verankert sein.
Inhaltlich sind vier Themengruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorgesehen, die sich von den oben genannten Zielen ableiten und die miteinander verzahnt sind. Der Masterplan Wissenschaft 2.0 wird als agiler Prozess gestaltet, der es ermöglicht, auf neue Entwicklungen und Dynamiken flexibel zu reagieren. Vertreterinnen der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Stadtgesellschaft sowie der städtischen Fachbereiche wirken in den Themengruppen mit und erarbeiten gemeinschaftlich ein Konzept für die inhaltliche Ausgestaltung des Masterplans Wissenschaft 2.0. Der Masterplan Wissenschaft (1.0) behält bis Ende 2020 seine Gültigkeit. Der Prozess der dialogorientierten Entwicklung des Masterplans Wissenschaft 2.0 soll zu Beginn des Jahres 2020 starten und zum Jahresende abgeschlossen sein.