Die Stadt Dortmund hat die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) für Flüchtlinge in Dortmund-Hacheney hat am Mittwoch um 13 Uhr wieder geöffnet. Seit Montagmorgen um 8 Uhr war die für das Land betriebene Einrichtung „planmäßig“ wegen Überfüllung geschlossen worden. 1270 Flüchtlinge wurden am Montag abgewiesen, fast 1000 am Dienstag – ganz abgesehen von den Menschen, die über ihre Netzwerke gar nicht erst nach Dortmund gekommen waren.
Mehr als 1000 Neuzugänge am Tag kann die Erstaufnahme in Hacheney nicht schultern
Diane Jägers, Rechtsdezernentin der Stadt Dortmund, sieht sich in der Entscheidung, die Einrichtung planmäßig montags und dienstags zu schließen, bestätigt. „Die Zahlen haben bewiesen, dass unsere Einrichtung hoffnungslos überfordert gewesen wäre.“
Trotz der Schließung wurden allein am Montag 110 Personen aufgenommen. Dabei handelt es sich um besonders schutzbedürftige Menschen – darunter waren Hochschwangere und Kranke – jeweils mit ihren Familien – sowie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Die Stadt Dortmund erneuerte ihre massive Kritik an der Arbeit und der Untätigkeit des NRW-Innenministers und der Landesregierung insgesamt.
Stadt erneuert ihre massive Kritik an der Untätigkeit des NRW-Innenministers
Jägers und OB Ullrich Sierau werfen den Entscheidern Versagen vor. Nach wievor weigere sich das Land, auf Krisenmodus umzustellen.
Die Stadt Dortmund arbeitet seit Herbst letzten Jahres in Krisenstabsstrukturen. Der Vorteil: Dadurch werden entscheiden binnen von Stunden möglich, die ansonsten erst nach monatelangen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren möglich wären.
Auch die Einstellung von Beschäftigten wird dadurch deutlich schneller möglich: Seit Monaten bekommt die Stadt vom Land beispielsweise keine Antwort, ob sie einen zusätzlichen Arzt und eine zusätzliche Krankenschwester für die EAE einstellen kann. Im Krisenmodus wäre das binnen von Stunden möglich, machte Jägers deutlich.
Land verweigert sich Krisenstabsstrukturen und damit schnellen Lösungen
Die Schließung der EAE hätte die Stadt gerne vermieden, doch die Entscheidung sei ohne Alternative gewesen. Das Land gebe keine Hilfestellungen und Antworten auf drängende Fragen. Das Prinzip sei „Management by Chaos“, so Jägers.
Viele Städte hätten mittlerweile auch Krisenstäbe eingerichtet. „Die Bezirksregierung faktisch auch, darf es aber so nicht nennen“, so Jägers. „Diese Strukturen schaffen schnelle Entscheidungen im Durchgriff – dann kann ich ganz anderes reagieren.“
Durch seine Verweigerungshaltung blockiere das Land die Möglichkeit, auf Landesebene mit dem Wohlfahrtsverbänden über eine Bewirtschaftung zu sprechen, was diese seit Monaten anmahnten. So muss jede Stadt auf lokaler Ebene mit DRK, Johannitern, Diakonie, AWO etc sprechen.
Dortmunder Stadtspitze spricht von „Inkompetenz und Arbeitsverweigerung“
Aussagen der Landesregierung, „jeder Flüchtling müsse am Abend ein Dach über dem Kopf und ein Essen im Bauch“ haben, seien nicht hilfreich, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Der Innenminister sei endlich gefordert, Strukturen zu schaffen. Aussagen von Sprechern der Bezirksregierung,„Wir müssen jeden Tag neu warten, was sich tut“ – grenzten an „Inkompetenz und Arbeitsverweigerung“ spricht die Dortmunder Stadtspitze Klartext.
„Es stellt sich die Frage, ob es dem größten Bundesland würdig ist, mit einer solchen Frage so umzugehen“ ergänzt OB Ullrich Sierau. „Der Innnenminister will weit über den Königssteiner Schlüssel hinaus gehen, aber er bleibt die Antwort schuldig, was dafür getan wird. Das ist als Strategie etwas dürftig.“
Untätigkeit von Bund und Land provoziert Ausschreitungen und Brandanschläge
Die Bundesebene sei aufgrund der Ereignisse im Osten nicht nur sensibilisiert, sondern auch alarmiert.
„Das passiert, wenn man nichts tut. Und ich möchte diese Eskalation bei uns nicht haben“, sagte Sierau mit Blick auf pogromartige Ausschreitungen und Brandanschläge.
„Wenn etwas passiert, ist ziemlich klar, wer dafür zuständig ist“, sagte der OB, ohne Innenminister Jäger nochmals namentlich zu benennen.
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Stadt Dortmund – Pressestelle
8. Aufnahmestopp in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Dortmund Hacheney – Ordnungsamt rechnet heute mit über 1.400 Menschen
Seit dem heutigen Montagmorgen, 8:00 Uhr, gilt für die Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund-Hacheney bis auf weiteres ein systematischer Aufnahmestopp, da heute neben der Regelbelegung von 350 Plätzen weit mehr als 700 Flüchtlinge erwartet werden.
Die in Dortmund ankommenden Flüchtlinge erhalten an der Straßensperre einen Hinweiszettel mit den Adressen der weiteren vier Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes (Bielefeld, Bad Berleburg, Burbach oder Unna) und werden zur Weiterreise aufgefordert. Sobald durch das Land NRW Kapazitäten zur Unterbringung von Flüchtlingen in dem erforderlichen Umfang bereit gestellt werden, wird der Aufnahmestopp sukzessive zurückgefahren.
Eine Akutversorgung besonders schutzbedürftiger Menschen wird sichergestellt, jedoch ebenfalls verbunden mit der Aufforderung zur Weiterreise in andere Einrichtungen.
Während der Schließungszeit werden weitere Rückholaktionen aus Notunterkünften außerhalb Dortmunds geplant, um so erneut Flüchtlinge zu registrieren, damit ihr geordnetes Asylverfahren beginnen kann. Nach Abschluss der Registrierungsarbeiten werden sie in die entsprechenden Notunterkünfte zurückgefahren.
Im gesamten Land Nordrhein-Westfalen befinden sich derzeit geschätzt rund 6 000 bis 7 000 Flüchtlinge die noch auf ihre Registrierung warten.
Stadt Dortmund – Pressestelle
Sperrung der Dortmunder EAE am 31. August – Ein kurzer Rückblick
Am ersten Tag des erneuten Aufnahmestopps in der Dortmunder Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) haben insgesamt 903 Personen an den zwei Sperrstellen vorgesprochen. Hiervon wurden 724 Personen abgewiesen. 144 Personen hatten eine Zuweisung und durften die Einrichtung ebenso betreten, wie 21 unbegleitete minderjährige alleinreisende Flüchtlinge sowie fünf schwangere und neun kranke Personen.
Die an der Sperrstelle arbeitenden Ordnungspartner haben darüber hinaus noch 254 Anwohner/innen, 97 Passantinnen und Passanten und vereinzelte Bewohner der EAE durchgelassen.
Der Tag ist insgesamt ruhig verlaufen. Wegen beginnender Vermüllung im Kreuzungsbereich Rügecke / Glückaufsegenstraße / Hacheneyer Straße ist in den Abendstunden noch die Entsorgung Dortmund GmbH mit einem kleinen Reinigungsfahrzeug angerückt. Ab dem heutigen Dienstag wurden dort Mülltonnen aufgestellt.
Auf einem nahe gelegenen Kinderspielplatz wurden nach Anwohnerbeschwerden von der Polizei elf campierende Personen angetroffen, die alle über eine Zuweisung verfügten und daher von den Ordnungspartnern in die Einrichtung verbracht wurden.
Stadt Dortmund – Pressestelle
Ordnungsamt hebt Aufnahmestopp in Dortmunder Erstaufnahmeeinrichtung auf
Der Aufnahmestopp in der EAE Hacheney wurde am Mittwochmorgen aufgehoben.
Am gestrigen Dienstag hatten die Ordnungspartner in der Zeit von 6 bis 24 Uhr Kontakt zu 617 Asylsuchenden. Eingelassen wurden 170 Personen, davon 160 Zuweisungen und zehn kranke Personen. 447 Personen wurden abgewiesen.
Besondere Vorkommnisse waren nicht zu verzeichnen.