Von Anna Lena Samborski
Der Aufstieg einer neuen und der Zerfall einer alten Weltmacht ging in der Geschichte oft mit kriegerischen Auseinandersetzungen einher. Der Machtkampf des 21. Jahrhundert zwischen dem aufstrebenden China und den USA wurde bis dato hingegen vielmehr als Handelskrieg ausgetragen. Jedoch warnte der Friedensaktivist Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) bei einer Veranstaltung von DGB Dortmund und attac Dortmund vor einer militärischen Eskalation im Indo-Pazifik.
US-Truppenpräsenz seit Obama im Indo-Pazifik massiv verstärkt
„Indo-Pazifik“ ist ein relativ neuer geopolitischer Begriff aus dem US-Amerikanischen, der im Zuge des chinesischen Aufstiegs der letzten zwei Jahrzehnte entstand, erklärt Wagner. Er bezeichnet die Großregion vom indischen Ozean bis zum westlichen Zentralpazifik einschließlich der Nebenmeere und Inselgruppen.___STEADY_PAYWALL___
Die Region spielt für den Seehandel, der 90 Prozent des gesamten Welthandels ausmacht, eine zentrale Rolle. Gerade für China als Handelsnation mit seinen wichtigsten Häfen an seiner Ostküste ist der uneingeschränkte Zugang zu den Seewegen der Region somit von fundamentaler Bedeutung, so Wagner weiter.
Vor allem die Obama-Regierung begann China mit seinem exorbitanten Wirtschaftswachstum und somit zunehmender geopolitischer Macht auf der Weltbühne als ernstzunehmende Konkurrenz wahrzunehmen – und verstärkte die US-Militärpräsenz im Indo-Pazifik erheblich. 2012 hatte sich das US-Truppenverhältnis zwischen Atlantik und Pazifik von 50:50 zu 40:60 verschoben. Trump setzte diese militärische Linie fort, ebenso wie aktuell Präsident Biden.
Auch Deutschland entsendete im August 2021 das erste Kriegsschiff in die Region
Außerdem haben Großbritannien und Frankreich ihre militärische Präsenz im Indo-Pazifik ebenfalls verstärkt. Auch Deutschland kündigte 2020 in seiner „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ eine militärische Existenz in der Region an – und entsendete im August 2021 erstmals ein Kriegsschiff, die Fregatte Bayern, in die Region. Die EU strebt zudem eine gemeinsame indo-pazifische Militärstrategie an.
Chinas Befürchtung ist eine militärische Blockade seiner Häfen und somit ein erheblicher Schaden seiner Wirtschaft, so Wagners Analyse. Und damit rüstete auch China in den letzten Jahren massiv auf. Dabei stand 2020 der chinesische Militäretat von 252 Mrd. Dollar einem US-Etat von 778 Mrd. Dollar gegenüber.
Außerdem erhebt China mit der U-förmigen sogenannten „9-Strich-Linie“ erhebliche Gebietsansprüche im südchinesischen Meer. Nach Klage der Philippinen befand der Ständige Schiedshof in Den Haag die chinesischen Ansprüche jedoch als illegitim, da sie gegen das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen verstießen.
US-Manöver: Hohe Gefahr für militärische Auseinandersetzung und Eskalationsspirale
Wagner wirft den Westlichen Staaten in diesem Zusammenhang allerdings einen doppelten Standard vor. Denn die USA hätten das Seerechtsübereinkommen selber nie ratifiziert – stehe es ihnen in anderen Regionen doch selbst im Wege. Trotzdem nutzten die USA das Urteil aus Den Haag um Manöver in den von China beanspruchten Gebieten zu fahren.
In diesem Zusammenhang sieht Wagner auch die größte Gefahr für eine Eskalationsspirale. Bei vergangenen Manövern seien US-Zerstörer und chinesische Kriegsschiffe sich bereits gefährlich nahgekommen. Ein – wenn auch unbeabsichtigter – Zusammenstoß könnte der Start für weitreichende militärische Auseinandersetzungen sein, so Wagners Befürchtung.
Für ihn ist der Indo-Pazifik somit eine der Regionen mit dem weltweit höchsten Risiko für militärische Auseinandersetzung mit dem Potential für eine gewaltsame Eskalation. Eine konkrete Lösung für deeskalative Maßnahmen hat er nicht parat, vielmehr ginge es ihm zunächst um Aufklärungsarbeit.
Politik und Öffentlichkeit für die kritische Lage sensibilisieren
Gerade von der EU fordert er jedoch eine vermittelnde Position anstatt selbst militärisch in der Region aufzurüsten. Außerdem sieht er die Bewertung mit doppelten Standards wie zum Beispiel bezüglich des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen besonders kritisch.
Aus friedensaktivistischer Sicht könne zudem über klassische Ansätze wie vertrauensbildende Maßnahmen für die Region nachgedacht werden. Doch zunächst stehen für Wagner die umfassende Sensibilisierung von Politik und Öffentlichkeit für die kritische Lage im Indo-Pazifik im Fokus.
Weitere Informationen:
- Hompage der Informationsstelle Militarisierung (IMI); hier: