184 Millionen Euro sollen (wie berichtet) in den kommenden Jahren in die Schulinfrastruktur der Nordstadt investiert werden. Das stößt – wenig überraschend – auf Zustimmung in der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt-Nord. Doch der Zeitplan kann dort nicht wirklich überzeugen: Erst im Jahr 2036 (!) wären die letzten der jetzt angedachten Arbeiten fertig. Und ob diese Planungen überhaupt zeitlich zu halten sein werden, mag die BV zudem nicht glauben. Sie hofft daher auf eine Beschleunigung des Verfahrens. Im Schulausschuss des Stadtrates sind ähnliche Worte zu hören.
Neue vierzügige Grundschule und eine sechszügige Interimsschule als Priorität
Norbert Sack (Fachbereich Schule) sowie Rainer Peper und Sandra Franke (Fachbereich Liegenschaften) stellten in der Bezirksvertretung das „Realisierungskonzept zur Erweiterung der Schulraumressourcen im Stadtbezirk Innenstadt-Nord“ – erarbeitet gemeinsam mit der Projektgruppe Assmann – vor.
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Die Herausforderung: Wie können die Schulen möglichst schnell und störungsarm im laufenden Betrieb saniert und erweitert werden, obwohl Neubau- und Ersatzflächen fehlen? Denn Ausweichgebäude gibt es nicht – im Gegenteil: Die Nordstadt braucht zwei weitere Grundschulen.
An der Burgholzsschule – unter anderem auf dem Areal, wo noch der Altbau der Anne-Frank-Gesamtschule steht – soll bis zum Jahr 2022 eine neue vierzügige Grundschule, eine sechszügige Interimsschule sowie optional noch Sporthallen errichtet werden, erklärt Rainer Peper. Mit dem Abriss des Altbaus soll noch in diesem Jahr begonnen werden.
In das Interimsgebäude sollen dann nacheinander andere Nordstadt-Grundschulen ausgelagert werden. Auf ihrem bisherigen Gelände könnte dann abgerissen und neu gebaut werden oder – je nach Bedarf – verdichtet.
Obwohl der Bedarf – baulich, technisch und räumlich – an allen Grundschulen hoch ist, müssen mangels Alternativen Prioritäten gesetzt werden. Zwischen 56 und 124 Prozent zusätzliche Flächen und Räume werden in den bisher sechs Grundschulen benötigt.
Nordmarkt-Grundschule hat die höchste Priorität aller sechs Primarschulen
Am dringlichsten wird die Umsetzung der Planvorhaben für die Nordmarkt-Grundschule eingestuft. „Der Nordmarkt ist ein ganz schlechter Standort“, sagte Sandra Franke mit Blick auf die (nicht) zur Verfügung stehenden Freiflächen. Daher soll die Schule nach dem Neubau in die Burgholzstraße komplett umziehen.
Bis auf den neu gebauten Teil für den Offenen Ganzstagsbetrieb (OGS) soll das bisherige Schulgebäude abgerissen und dann am neuen Standort wieder errichtet werden. Der OGS-Bereich mit der neuen Mensa soll wegen der relativen Nähe zum Standort der Interimsschule weiter genutzt werden.
Nach der Fertigstellung des Neubaus am Nordmarkt (bis 2024) könnte die nächst priorisierte Grundschule umziehen. Den 2. Platz teilen sich allerdings die Diesterweg- und die Oesterholz-Grundschule. Doch für letztere würde kein Interimsgebäude benötigt.
Neubau der Diesterwegschule auf Sportplatz – Libellenschule wird aufgestockt
Denn bei der Diesterwegschule besteht die Möglichkeit, auf dem Gelände des bisherigen Sportplatzes ein neues Schulgebäude zu errichten. Nach dem Umzug in den Neubau würden die alten Schulgebäude abgerissen, die Sporthalle erweitert und die Außenanlagen hergerichtet. Dies könnte 2021-2022 stattfinden.
In das Ausweichquartier auf dem Burgholz-Areal könnte daher die Oesterholzschule umziehen. Danach würden die Bestandsgebäude und die Pavillons abgerissen und dort ein Neubau errichtet (2024-2025). Der Mensa- und OGS-Bereich sowie die Sporthalle blieben erhalten.
Einzig die Libellen-Grundschule – das Schulgebäude ist das jüngste der sechs Nordstadt-Grundschulen – müsste nicht umziehen. Hier ist geplant, das Schulgebäude aufzustocken. Statisch geht das. Doch ob dies im laufenden Schulbetrieb möglich ist, muss noch geprüft werden. Möglich wären die Arbeiten in den Jahren 2021 und 2022.
Umzug der Grundschule Kleine Kielstraße wird besonders aufwändig
Schwierig sind Verbesserungen und räumliche Weiterungen auf dem extrem kleinen Grundstück der Grundschule Kleine Kielstraße zu erzielen. Hier müsste man warten, bis die Interimsschule wieder frei wäre. Der komplette Schulbetrieb inklusive des gesamten Netzwerks – von der OGS bis zum Elterncafé – zöge dann um.
Dann würde die Sporthalle abgebrochen, das bisherige Schulgebäude saniert und ergänzt. Zudem soll ein Erweiterungsneubau mit integrierter Sporthalle errichtet werden. Das Vorhaben könnte von 2025 bis 207 realisiert werden.
Wenn der Neubau in der Kleinen Kielstraße bezogen ist, wäre die Albrecht-Brinkmann-Grundschule an der Reihe und könnte in den Interimsbau an der Burgholzstraße umziehen. Die Altbau würde dann saniert und erweitert. Angepeilt sind dafür die Jahre 2027 bis 2029.
Nachdem die Grundschulen im Rahmen des Realisierungskonzeptes zur Erweiterung der Schulraumressourcen im Stadtbezirk Innenstadt-Nord „abgearbeitet“ sind, sollen die zahlreichen weiterführenden Schulen der Nordstadt angegangen werden.
Die Anne-Frank-Gesamtschule soll ebenfalls neue Räume bekommen
Die Planungen sehen vor, die Interimsschule dann für die benachbarte Anne-Frank-Gesamtschule zu nutzen. Sie stünde in diesem Fall auf dem Gelände, wo jetzt noch der Altbau der Schule steht.
Um diesen freiziehen zu können und eine Sanierung des Hauptgebäudes möglich zu machen, nutzt die Gesamtschule schon seit Jahren die Räume der ehemaligen Vincke-Grundschule an der Carl-Holtschneider-Straße.
Diese sollen dann abgerissen und neu gebaut werden – denn weder baulich noch räumlich erfüllen diese bisher die Anforderungen. Als Planungshorizont sind hier die Jahre 2028 bis 2031 anvisiert.
Anschließend soll die Kielhornschule in die Interimschule umziehen. Die bisherige Schule wird währenddessen abgerissen und dort ein Schulneubau mit einer Gymnastikhalle realisiert. Angepeilt sind hierfür die Jahre 2030 bis 2032.
Die Gertrud-Bäumer-Realschule soll perspektivisch an die Burgholzstraße umziehen
Nachdem diese letzte Interimslösung beendet sein wird, müsste das „Schulhotel“ noch mal renoviert werden, damit letztlich die Gertrud-Bäumer-Realschule dort einziehen kann, um dort dauerhaft zu bleiben. Das wäre bisher das Jahr 2033.
Ihr bisheriger Standort an der Uhland- und Goethestraße wäre dadurch für das benachbarte Helmholtz-Gymnasium frei, das seit Jahren aus allen Nähten platzt. Zugleich würde Bauteil 2 der ehemaligen Realschule saniert werden.
Schließlich könnte das Gymnasium in beide Bauteile der ehemaligen Jungen- und Mädchen-Realschulen umziehen. Es entstünde die Möglichkeit, das Gymnasium selbst zu sanieren und raumstrukturell anzupassen. Nach einem Rückzug an den alten Standort würde Bauteil 2 zur Deckung des gymnasialen Mehrbedarfs weiter genutzt. Der dafür vorgesehene Zeitraum wird sich ab 2033 bis zum Jahr 2036 erstrecken.
Einhellige Kritik am extrem langen Planungshorizont der Maßnahmen
Wenig begeistert waren alle Fraktionen vom langen Planungshorizont. Bis 2036 würden die Sanierungen und Umzüge dauern. „Das ist ein Zeitraum, der schwer überschaubar ist. Meistens gibt es ja noch zusätzliche Verzögerungen“, betont Brigitte Jülich (SPD).
„Das bedeutet ja den St. Nimmerleins-Tag für die weitergehenden Schulen. Dabei haben sie jetzt schon keinen Platz in den Grundschulen und künftig auch in den weiterführenden Schulen“, fürchtet die SPD-Politikerin.
„Das zeitliche Problem ist in der Tat ein Problem. Wir haben seit 2014 Beschlüsse der Bezirksvertretung offen, die auch nicht abgearbeitet sind, obwohl die deutlich kleiner sind. Da wird das Jahr 2036 nicht reichen“, bedauert Dorian-Marius Vornweg (CDU).
Er kritisiert, dass bei den gesamten Betrachtungen die Schulstandorte der Hauptschule nicht berücksichtigt worden seien, weil dies baulich nicht nötig war. „Aber Schulpolitik ist hoch dynamisch. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass sich bis 2036 die Hauptschule verflüchtigt hat. Das ist nicht berücksichtigt und das finde ich suboptimal“, so Vornweg.
Neubau einer weiteren Grundschule an der Stahlwerkstraße ist im Blick, aber: Aussichten sind ungewiss
„Wir wissen, dass es eine sehr lange Zeit ist“, bedauert Rainer Peper. „Wenn wir zwei Ausweichflächen hätten, dann könnten zwei Schulen gleichzeitig saniert werden“, macht der Planer des Fachbereichs Liegenschaften deutlich. Doch diese Fläche ist nicht in Sicht.
Es gebe doch die Planung, an der Stahlwerkstraße eine neue Grundschule zu errichten. Außerdem könnten sich die BV-Vertreter einen Neubau auf dem Areal des „Horrorhauses“ an der Kielstraße vorstellen. Hier soll bisher eine Kita errichtet werden.
„Wir können nur Varianten prüfen, wo wir jetzt Zugriff auf die Flächen haben“, betont Sandra Franke. „Wir haben auch über die Stahlwerkstraße nachgedacht. Aber sie ist nicht in unserem Besitz und wir wissen auch nicht, wann es sein wird.“
Schulausschuss des Dortmunder Stadtrates diskutiert ebenfalls über das geplante Vorhaben
Einen Tag vor der BV Innenstadt-Nord hatte sich bereits der Schulausschuss beim Stadtrat mit dem Mega-Projekt befasst. Auch hier: die lange Realisierungszeit des Vorhabens und Möglichkeiten einer Optimierung des Baukonzepts werden Diskussionsgegenstand. Stimmen sind zu hören, die darauf verweisen, dass Bedarf in der Nordstadt sowieso schon lange Thema sei.
Schul- und Jugenddezernentin Daniela Schneckenburger will einen größeren Problemzusammenhang anerkannt wissen: „Solche Baumaßnahmen sind nicht nur in der Nordstadt vonnöten, sondern ein Thema, das ganz Dortmund betrifft. Die Nordstadt ist lediglich der Aufschlag.“ Und in der augenblicklichen Lage scheint dort tatsächlich kein Weg an der anvisierten Dauer des Verfahrens vorbei zu gehen.
Tim Schiebold hat gegenüber den Ausschussmitgliedern jenen einen hypothetischen Ausweg in der Tasche: „Eine Zeiteinsparung von 5 Jahren ist möglich, wenn wir den Standort Stahlwerkstraße ebenfalls nutzen können“, erklärt der Bereichsleiter der städtischen Immobilienprojektentwicklung. Stand heute, mögen sich die Planungen zwar suboptimal ausnehmen; sie sind aber angesichts der Bedarfe und, solange niemand eine bessere Idee hat, alternativlos.
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Cornelia Wimmer
Neue Schulen werden gebaut, so weit, so erst einmal gut. – Nur muss man nicht ohne Bitterkeit feststellen, dass diese Rundumerneuerung fast aller Schulen der Nordstadt auch das Ergebnis einer jahrzehntelangen Vernachlässigung der Bausubstanz ist. Für nichts war angeblich Geld da, und der schon optisch oft unerträgliche Zustand vieler Schulimmobilien wurde da, wo es möglich war, im Innenbereich, kosmetisch ein wenig verbessert, von Lehrern und Eltern am Wochenende, von Lehrern mit Schülern im Rahmen von Projektwochen. Selbst die Beschaffung einigermaßen qualitätvoller Wandfarbe bedurfte zähen Ringens. Geputzt wurde nur das Allernötigste. – In der Substanz der Gebäude geschah nichts oder fast nichts. Das Ergebnbis sind abbruchreife Schulen.
Die „Kollateralschäden“ sind erheblich: Schüler*innen müssen weit durch die Stadt transportiert werden. Die Identifikation mit dem Ort, mit der eigenen Schule, wird lange nicht wirklich gelingen. Schulen, die große soziale und Unterstützer-Netzwerke im Stadtteil aufgebaut haben wie beispielhaft die Kleine Kielstraße, sehen sich vor schwer lösbare Aufgaben gestellt.