Aus den Denkmustern des lückenlosen Lebenslaufs kommend, gründeten Romy Schneider (43) und Tobias Christian Franke (47) im vergangenen Jahr nach einer Weltreise mit ihrer damals sechsjährigen Tochter, den Kopfreisen Verlag. Nun gibt der unabhängige und junge Verlag aus dem Dortmunder Kreuzviertel im Gespräch mit den Nordstadtbloggern Einblicke in das Verlagswesen und bringt „mutige Geschichten der Selbstfindung“ in die Unterhaltungsliteratur.
Manchmal fehlt nur der Mut für Veränderung
Die Entscheidung, auf Weltreise zu gehen, brauchte viel Planung, aber vor allem Mut. Für das Paar hatte sich der Lebenstraum, auf Weltreise zu gehen, lange angebahnt, bis es 2018 endlich zur Umsetzung und so auch zur Kündigung von Romy Schneiders Festanstellung kam.
Tobias Christian Franke konnte währenddessen ein Sabbatical, eine viermonatige unbezahlte Pause, einlegen, wovon er berichtet, es sei überhaupt das erste in seiner damaligen Firma gewesen. „Am Ende fehlt meist nur noch der Mut, den Chef dann auch zu fragen”, verrät er auf dem Balkon der schönen Altbauwohnung der beiden.
Die viermonatige Weltreise, die sich über fast alle Kontinente und nicht nur örtlich und zeitlich weit entfernte Orte zog, öffnete den beiden die Augen für ein Leben der Einfachheit, statt der Ansammlung von Besitz. So verkauften sie etwa nach der Weltreise ihr Auto, um sich umweltbewusster durch die Stadt zu bewegen.
„Wenn man über Monate aus einem Koffer leben kann, wird einem hinterher bewusst, man muss sich dem Luxus entgegenstellen“, erzählt Tobias Franke über die Veränderung, die die Weltreise bei den beiden hinterlassen hat.
So erlangten sie auf Reisen ein neues Bewusstsein für die Vielzahl an Lebensentwürfen, die es teils unfreiwillig in der Welt gibt und nahmen ein Stück „Kopfreise“ mit nach Hause. Daraus entstand, so erklärt das Paar, „immer klarer die Idee, einen eigenständigen Verlag zu gründen und Menschen einen Anteil ihres Vertrauens in die Veränderung und Mut mitgeben zu wollen“.
Die Personen hinter den Kopfreisen
Romy Schneider wollte schon immer ein Buch schreiben, doch ihr fehlte bis zur Weltreise immer die Inspiration. Sie las schon damals in ihrem Job in der Werbebranche viele Texte und beschäftigte sich mit den Auswirkungen, die Sprache im kommerzialisierten Raum haben kann. „Mein damaliger Job raubte mir alle Zeit und Kraft, kreativ zu sein und meinem Wunsch, Autorin zu werden, nachzukommen“, erklärt sie zuversichtlich. Heute schreibt und lektoriert sie eigenständig für den Kopfreisen Verlag.
Tobias Christian Franke verließ nach 21 Jahren Festanstellung seinen Beruf als Immobilienkaufmann, nachdem ihm klar wurde, er würde dort auf Dauer nicht seine Berufung finden. Seither unterstützt er mit Kommunikation, Grafik, Buchsatz und endlosem Organisatorischen, seine Lebenspartnerin Romy Schneider und andere Autor:innen in ihrem Kopfreisen-Verlag.
Dass es für die beiden ein Privileg ist, eine Weltreise zu machen und sich somit eigenen Lebensträumen zu widmen, ist ein maßgeblicher Bestandteil ihrer Geschichte. Doch man kann sich durch Privilegien einen Weg ebnen, um sich danach für andere stark zu machen.
Ihre Wohnung im Kreuzviertel dient heute als Hauptquartier des Kopfreisen Verlags. Ebenso gibt es Nachteile der selbstständigen Arbeit: „Man hat selten Freizeit, und auch im Urlaub nehmen wir die Arbeit mit. Aber so ist das, wenn man sich verselbstständigt“, halten sie sachlich fest.
Vorher haben sie lange für ihren Traum gearbeitet und gespart, um heute Menschen zu inspirieren, mit ihrem eigenen Kopf auf Reisen zu gehen. „Wenn man in seinen äußeren Umständen keine Veränderung anregen kann, dann geht das auf jeden Fall in den inneren“ – das ist ihr Credo. In diesem Sinne hat Romy Schneider 2022 ein Journal geschrieben, das die kleinen Entscheidungen im Alltag zu Nutzen macht, große Veränderungen im Lebensgefühl anzuregen.
Viele Gelegenheiten zu Kopfreisen
Doch der Verlag entstand erst nach einem mutigen, großen Schritt. Denn nach der Weltreise wagte sich Romy an ihr erstes Sachbuch, eine teils autobiografische Geschichte namens „Herz schlägt Kopf“ handelnd von dem Kampf zwischen Herz und Kopf, eine innere Reise in Richtung Selbstverwirklichung zu starten. Der Roman erschien bei einem anderen Verlag, dennoch konnte sie eine Idee vom Verlagswesen kriegen. Schlussendlich gab ihr Partner Tobias Christian Franke den Startschuss, selber einen Verlag zu gründen, und anderen Kreativen auch die Möglichkeit zu geben, Manuskripte einzusenden und Autor:innen zu werden.
Romy machte eine Weiterbildung zur Lektorin und verfasste ein weiteres Buch, das erste verlegt vom Kopfreisen Verlag: Gelegenheiten. In „Gelegenheiten“ packt die Hauptfigur ihr scheinbar perfektes Leben zusammen und zieht in die Provence. Mühevoll stellt der Kopfreisen Verlag hierfür auch eine Playlist zum Buch zur Verfügung, die in das Flair der Provence reinhören lässt.
Ebenso handelt auch das Buch „Caminocation – wie ich auf Umwegen mein Glück wiederfand“ von Dorina Vondersee, welches Anfang November erscheint, von der Suche nach dem erfüllten Leben. Camino (Spanisch: der Weg) und Communication (Englisch: Kommunikation) handelt von einer Wanderung auf dem Jakobsweg, die aus einer Lebenskrise schlussendlich einen Sinn ziehen lässt und die Autorin dazu bringt, ein Buch darüber zu schreiben.
Was macht ein Independent-Verlag?
Ihr Verlag funktioniert nach dem simplen Prinzip des Einsendens eigener Geschichten, die bei passender thematischer Einordnung von der Lektorin Romy Schneider gelesen und überarbeitet werden. Tobias Christian Franke kümmert sich hingegen um den notwendigen Rest für die Veröffentlichung. Dazu zählt viel Organisatorisches, und vor allem Telefonieren, erklärt der 47-Jährige.
Autor:innen bleibt somit selber überlassen, worüber sie schreiben, wie sie ihr Buch gestaltet haben möchten, und wie oft sie Lesungen halten können. Wer also eine fertige, mutige Geschichte verfasst hat, kann sie über die Website des Kopfreisen Verlags einsenden, und sich auf eine Rückmeldung der beiden freuen.
Termine für Lesungen organisieren die beiden in Dortmund und der Umgebung für Romys Bücher, und so konnte man unter anderem schon im Literaturhaus in Romy Schneiders Buch „Gelegenheiten“ reinhören. Die nächste Lesung findet voraussichtlich am 2. Mai 2024 um 19 Uhr im „Haus Wenge“ in Lanstrop statt. Zu erwarten sei auch noch eine Kooperation mit der Dortmunder Weinbar „good wine only“.
Zuletzt bleibt die Frage, ob die Geschichten tatsächlich Mut machen und Komfortzonen ausweiten, natürlich beim Leser. Dennoch merkt man wie mühevoll der eingespielte, eigenständige Verlag seine Bücher gestaltet und Kontakte pflegt, was bei einem großen Verlag vielleicht eher zweitrangig ist.