Von Sandra Danneil
Wer offen für geschmackliche Vielfalt ist und dazu etwas mehr über Dortmunds Migrationsgeschichte erfahren will, ist bei den beiden An(n)ettes von „Borsigplatz VerFührungen“ an der richtigen Adresse. Bei ihrer kulinarischen Thementour „Lecker is Datt!“ nehmen die beiden Museumspädadoginnen ihre Gäste auf eine Reise durch die Zeit der Zuwanderung und erklären, welche Geschmäcker Menschen aus aller Welt mit nach Dortmund brachten. Nordstadtblogger war dabei.
Drei Gänge und Brainfood ,To Go‘
Insgesamt neun wissbegierige Genießer stehen am spätsommerlichen Freitagabend vor der Taberna Andaluza in der Danewerkstraße. Inmitten von Häuserschluchten ist das über die Nordstadtgrenzen hinaus beliebte spanische Ecklokal der Treffpunkt für die Gastrosafari „Lecker is Datt!“, zu der Anette Plümpe ihre Gäste herzlich in Empfang nimmt.
Die Teilnehmer:innen haben sich die Tour gegenseitig geschenkt, als Pärchenevent geplant oder wollen einfach etwas Sinnvolles mit ihrer Freizeit anstellen: Essen (und) gehen, zum Beispiel. Denn neben verschiedenen Köstlichkeiten, die an drei Orten auf uns warten, gibt es auch einiges an Brainfood, sozusagen „To Go“.
Dafür geht die Museumspädagogin Anette Plümpe noch vor der ersten Ajoli bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück, um Dortmunds Zuwanderung bis zu seinen Anfängen aufzurollen.
Wir nehmen Platz an der gedeckten Tafel des familiengeführten Restaurants mit hispanisch-andalusischer Küche und während die ersten Tapas aufgetischt werden, erfahren wir, dass das Land unter unseren Stühlen ursprünglich weites Marsch- und Sumpfgebiet war. Hier wurde Flachs angebaut und Leinen gewoben. Die Bleichmärsch habe ihren Namen zum Beispiel daher, dass hier um 1845 die fertigen Tücher gebleicht und aufgehängt wurden.
Gekommen, um zu gehen – Gastarbeiter in Dortmund
Durch Kohle, Stahl und Eisen wurde die Nordstadt schnell zum Motor der Industrialisierung. Weil es mehr Arbeit als Arbeiter gab, kamen die ersten Gastarbeiter mit der Ausweitung des Eisenbahnnetzes schon 1955 aus Italien nach Dortmund. Der bis heute nicht unproblematische Begriff des Gastarbeiters meinte dabei aber nicht nur billige und gesunde Arbeitskräfte aus dem Ausland. „Als Gast war der Gastarbeiter auch damals nur so lange willkommen, bis man ihn nicht mehr brauchte“, erklärt uns die Kulturvermittlerin Plümpe.
Aber egal, ob Italiener, Spanier oder Portugiesen – Sie alle hatten ein Problem mit der deutschen Küche. Statt mediterrane Tomate und fangfrischen Fisch gab es hier blähendes Kreuzblütlergemüse und deftige Fleischabfälle.
Krieg machte eben erfinderisch. So entstanden die ersten Lokale, in denen Gastarbeiter ein Stück Heimat abseits von politischen Gesinnungen genießen konnten. Denn letztere standen in deutschen Gaststätten gerne in Geheimschrift auf der Speisekarte, erfahren wir weiter.
Tourenprogramm mit Persönlichkeit für Vielfalt
Die Inhalte der Tour wurden von Anette Plümpe selbst erarbeitet, recherchiert und mit Bildmaterial unterfüttert. Routiniert unterhält sie ihre Publikum mit den Geschichten, die das gastronomische Angebot der Nordstadt mit Dortmunds langer Zuwanderungsgeschichte verbindet.
Seit über zehn Jahren stehen Anette Plümpe und Annette Kritzler mit ihren Borsigplatz-VerFührungen für hautnahe Geschichte(n) zur Glaubensvielfalt, Kunst oder auch zu versteckten Orten, Parks und Hinterhöfen.
„Wir wurden damals gefragt, ob wir Touren in einem Stadtteil mit sozialer Schieflage anbieten können“, erinnert sich die ambitionierte Museumspädagogin Plümpe. „Noch heute ist für uns am wichtigsten mit Vorurteilen aufzuräumen.“
Nach Currywurst Pommes in der BVB-Gründerwirtschaft auf der Oesterholzstraße und einem verdauungsanregenden türkischen Mokka am Borsigplatz nimmt unser kulinarisches Abenteuer schließlich sein Ende.
„Ich bin nicht nur sitt und satt – ich habe auch noch einiges gelernt“, resümiert Teilnehmerin Marie, die eigentlich aus Lünen kommt.
Die Dortmunder Nordstadt erzählt eintausendundeine Geschichte bei sicher doppelt so vielen Kalorien, die wir heute in Kopf und Hüfte einspeisen durften. Lecker ‚is datt auf alle Fälle gewesen!
Mehr Informationen zur nächsten Tour:
- Zur zweiten verführerischen „Lecker is datt“-Tour – die „Gastrosafari 2 über die Münsterstraße“, sind noch Plätze frei.
- Die kulinarische „VerFührung“ findet statt am kommenden Freitag, 11.Oktober 2024, statt. Start ist um 18 Uhr an der Pizzeria Bella Napoli, Münsterstr. 48.
- Die lukullische Entdeckungsreise führt entsprechend von Italien, dem Land des 1. Anwerbeabkommens (Vorspeise), in den Libanon (Hauptgang) und endet in der Türkei (Dessert).
- Serviert werden Informationen über kulturelle Vielfalt, Zuwanderungsgeschichte(n) und andere Essgewohnheiten in kleinen Häppchen.
- Die tour dauert drei Stunden.
- Kosten: 50 €/ Pers. (3-Gängemenü inkl. einem Freigetränk je Ort)
- Anmeldung: bis zum 9. Oktober 2024 unter 0231 – 98 18 860 oder via Mail an info@borsigplatz-verfuehrungen.de
- Infos und Fotos zur Tour: www.borsigplatz-verfuehrungen.de
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!