Masterplan Plätze und Kunst im öffentlichen Raum

Kunst, Denkmal, Parkbank – wer gestaltet den Stadtraum? Und räumt hier auch mal jemand auf?

Dr. Jacques Heinrich Toussaint, Leiter des Ressorts Kunst im öffentlichen Raum und Mitarbeiter André Kölsch vor dem Kunstwerk „Chip“ des Künstlers Stefan Sous auf dem Platz von Amiens. Für Toussaint ein „Werk mit überregionaler Bedeutung“. Klaus Hartmann für nordstasdtadtblogger.de

Plätze, Parks, Straßen – der öffentliche Raum gehört allen und wird von allen genutzt. Brunnen, Laternen, Bepflanzung und auch Kunstwerke tragen zum Gesamtbild bei. Wer entscheidet, was wohin kommt und wer entscheidet, ob es auch wieder weg kann? Muss Kunst immer ewig sein? Ein Besuch im Museum für Kunst und Kulturgeschichte bei Dr. Jacques Heinrich Toussaint und seinem Team vom Ressort „Kunst im öffentlichen Raum“.

1000 Objekte im Stadtraum: Wie lässt sich das effizient managen?

„Schlafender Löwe“ ist das älteste Krieger-Denkmal der Stadt. Es wurde 1869 eingeweiht, stand zuerst am Königswall und wanderte dann übers Westentor in den Westpark, wo es seit 1952 steht. Die ständigen Verunreinigungen durch Graffitis zu entfernen ist teuer – vielleicht sollte der Löwe besser in den Zoo umziehen?

Dr. Jacques Heinrich Toussaint, André Kölsch und Franziska Kraut bilden das Ressort „Kunst im öffentlichen Raum“. 1000 Objekte im Stadtraum gehören – laut Bestandsliste – zu ihrem Bereich. 1000 Objekte – klingt viel, aber ist das überhaupt alles? Und ist das alles Kunst?

Toussaint kann das nicht mit Sicherheit beantworten und das sieht er als Herausforderung. Die Aufstellung sei alt und nicht kategorisiert. Technische Geräte, Gedenksteine, Denkmäler, Brunnen und ja, auch viele Kunstwerke finden sich darin, aber die Datenlage sei unbefriedigend.___STEADY_PAYWALL___

Eine Anfrage zur Standsicherheit eines Kunstwerks brachte gleich zu Beginn seiner Amtszeit vor 1,5 Jahren eine kleine Lawine ins rollen. Toussaint recherchierte und vermittelte zwischen den Verwaltungseinheiten. Wem gehört das Objekt eigentlich? Wo sind die zugehörigen Verträge? Welcher Bereich in der Stadt ist zuständig und trägt die Verantwortung für die Verkehrssicherheit oder Reparatur des Objekts. Sein Ressort? Das Grünflächenamt oder vielleicht die Denkmalbehörde?

Das U – längst auch ein Denkmal. Die Wand davor steht eher für temporäre, zeitgenössische Kunst. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Ob Kunstwerk oder Denkmal oder Brunnen – mit den jeweiligen Objekten verbinden sich besondere Herausforderungen, verschiedene Budgets und unterschiedliche Ansprüche. „Mit Kunsttheorie kommen Sie da nicht weiter“, weiß Toussaint. Es galt Kompetenzen zu ermitteln und Ressourcen zu schaffen, um das Themenfeld effizienter managen zu können.

„Wir haben uns auch umgeschaut, wie andere Städte das lösen, beispielsweise Hamburg oder Berlin“, berichtet er. Sein Wunsch: ein Team aus Wissenschaft, Technik und Verwaltung, das sich abstimmt und in dem das jeweilige Wissen gebündelt wäre. Kurze Wege, professionelle Struktur und vor allem auch Rechtssicherheit. Ein entsprechendes Konzept hat er nun ausgearbeitet und es soll Anfang 2024 im Kulturausschuss diskutiert werden.

„Wie sieht sich Dortmund und wie will Dortmund gesehen werden?“

Elsie Yu Chen Chee Hoch fliegen, 1998
Elsie Yu Chen Chee, Hoch fliegen, war eine Schenkung zum 20-jährigen Bestehen der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Aber wer hat denn das alles aufgestellt? Wer trägt zur Gestaltung der Stadt bei und entscheidet über Parkbank hier, Kunstwerk da? Auch dieser Prozess ist offenbar so vielfältig wie die alte Bestandsliste.

Es gibt Schenkungen wie zum Beispiel das Kunstwerk „Hoch fliegen“, das die chinesische Künstlerin Elsie Yu Chen Chee der Stadt Dortmund anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft überließ. Auch der „Himmelsgucker“ von Bernd Moenikes ist ein Geschenk: der Freundeskreis Fredenbaumpark sorgte im August 2022 für die Aufstellung der Skulptur im Park.

Schöne Gesten, mitunter Geschmacksache – in jedem Fall aber mit Folgekosten verbunden, die am Ende aus öffentlichen Mitteln bestritten werden müssen.

BVB-Nashorn „Hoppy“ am Borsigplatz – nur einer von vielen geflügelten City-Boten. Foto: Wolf-Dieter Blank

Und unabhängig von den Kosten: „Die Frage ist ja auch, was prägt das Bild der Stadt? Wie sieht sich Dortmund und wie will Dortmund gesehen werden?“, findet Toussaint. Da sind Arbeiterfiguren mit Bezug zur Vergangenheit der Stadt; da sind Aktionen des City-Marketings mit geflügelten Nashörnern und da sind private Initiativen wie beispielsweise „Kunst im Kaiserstraßenviertel“, die ein Denkmal für Henriette Davidis aufstellen wollen.

Alle diese Aktionen sind „raumdefinierend“, so Toussaint. Und auch wenn die Zuständigkeiten für die unterschiedlichen Flächen bei verschiedenen Ämtern liegen, ist es am Ende eine Frage des Mix. Ganz zu schweigen von bemalten Stromkästen, futuristischen Laternen oder moderner Bestuhlung, die auch noch hinzu kommen: „Im Masterplan Plätze der Stadt, wird daher auch gefragt, wie wir wieder Raum schaffen können und – salopp gesagt – entrümpeln.“

„Junge Künstler:innen haben heute gar keine Lust mehr auf ewig“

Kunst entrümpeln? Das soll ja versehentlich in Museen schon vorgekommen sein – aber eigentlich ist es doch eher ein Tabu, oder? Toussaint ist sich dessen bewusst, aber eine Stadt sei in Bewegung und „jede Generation hat ihre Gestaltungskraft. Es braucht auch Raum für Neues.“

Neue Broschüre zur Kunst im öffentlichen Raum. Michael Schwarze Lebensrhythmus, 1988
Surreales Ensemble vor der Hauptpost: Lebensrhythmus von Michael Schwarze entstand 1988. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Viel Platz ist nicht mehr in Dortmund, daher müsse auch ein Abbau von Werken möglich sein. Er selbst sei ein Fan temporärer Gestaltung und glaubt, „junge Künstler:innen haben heute gar keine Lust mehr auf ewig.“ Konzerte, Lichtkunst oder Augmented Reality – das wären Formate, für die er gerne junge Studierende einladen würde. Dazu braucht es Gestaltungsspielraum. Und Unterstützer:innen.

Toussaints Ziel ist die Gründung eines Fachbeirats, der unabhängig über solche Gestaltungsfragen diskutiert. Ein Gremium, das mit unterschiedlichen Expert:innen besetzt ist, für das Thema sensibilisiert und stets das Ganze im Blick hat. „Die Entscheidungen wären dann transparent, innovativ und professionell.“ Und der Tatsache, das es sich um öffentliche Mittel handelt, sicher mehr als angemessen.

Hat er eigentlich ein Lieblingskunstwerk in der Stadt? „Der Chip von Stefan Sous, direkt am Museum“, denn das sei eine Arbeit, die auch überregionale Bedeutung habe. Kollege André Kölsch mag besonders das Skulpturen-Ensemble „Lebensrhtyhmus“ vor der Post, am Nordausgang des Hauptbahnhofs. „Das war damals sehr innovativ und bezieht den Vorplatz mit ein.“ Franziska Kraut hat sich nicht festgelegt – sie kümmert sich um die Kunstspaziergänge. Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, kann so einen Rundgang durch die Stadt buchen und dabei selbst überlegen: Das ist Kunst, aber kann das vielleicht trotzdem weg?

Weitere Informationen

  • Internetseite „Kunst im öffentlichen Raum“,
  • Der nächste Kunstspaziergang ist am Sonntag, 25.02.2024, 14:00 – 15:30 Uhr zum Thema: „Ein Dortmunder Künstler? – Bernhard Hoetger“. Treffpunkt: Hoetger-Park, vor der Plastik „Stehender Mann“ von Bernhard Hoetger, 44263 Dortmund
  • Erkundungen auf eigene Faust mit der APP Artventure,

Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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