SERIE Kunst im öffentlichen Raum: Ressort der Stadt lud nach Dortmund ein

Kunst auf der „Haut der Gesellschaft“ – Symposium diskutierte Kunst im öffentlichen Raum

Gute Resonanz beim Kunst-Symposium: Rund 100 Gäste nahmen an den beiden Veranstaltungstagen teil. Der erste Teil fand im Museum für Kunst und Kulturgeschichte statt, der zweite im Baukunstarchiv. JUERGEN SPILER

Fachleute und interessierte Bürger:innen aus Stadt, Land und der ganzen Republik kamen für zwei Tage in Dortmund zusammen, um über „Kunst im öffentlichen Raum“ zu sprechen. Dabei warfen die Vortragenden und Teilnehmenden Fragen auf, die die Stadtgesellschaft als Ganzes betreffen: Was für eine Stadt wollt ihr sein? Welche Erinnerungen wollt ihr weitergeben? Was macht Dortmund einzigartig? Und: Welche Aufgaben hat die Kunst und welche nicht? ___STEADY_PAYWALL___

 „Signifikante Beteiligung der Bürger:innen und der Fachöffentlichkeit“

Jacques Heinrich Toussaint, Leiter des Ressort Kunst im öffentlichen Raum bei der Stadt Dortmund JUERGEN SPILER

Das Ressort „Kunst im öffentlichen Raum“ richtete das Symposium in Kooperation mit dem Baukunstarchiv aus. „Es kann als großer Erfolg verbucht werden“, stellte Ressortleiter Dr. Jacques Heinrich Toussaint fest.

„Die signifikante Beteiligung sowohl der überregionalen Fachöffentlichkeit als auch der Dortmunder Bürgerschaft belegt das erhebliche Interesse an der Kunst im öffentlichen Raum. Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung wurde ersichtlich, dass zahlreiche Städte mit ähnlichen Problematiken konfrontiert sind“, so Toussaint.

Zwei Tage lang gab es Vorträge von Expert:innen aus Museen, der Verwaltung und der Kunstszene. Zum Abschluss zogen vier Teilnehmer:innen in einer Podiumsdiskussion ihr Fazit: Initiator Jacques Heinrich Toussaint, Rebekka Seubert (Künstlerische Leiterin, Kunstverein Dortmund), Denise Ritter (Dortmunder Künstlerin) und Kay von Keitz (Kurator und Autor).

Vier Punkte-Programm für einen zeitgemäßen Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum

Einen Konsens schien es darüber zu geben, dass die Blütezeit der Kunst im öffentlichen Raum seit den 1980er Jahren vorbei sei. „In Köln ist es regelrecht ausgestorben“, berichtete Kay von Keitz. Nur wenige Tage später trat der Kunstbeirat der Stadt Köln, den von Keitz leitete, als Ausdruck des Protests über die Kölner Verhältnisse zurück.

Podiumsdiskussion zum Abschluss des Symposiums im Baukunstarchiv: Kay von Keitz berichtete über seine Erfahrungen im Kunstbeirat der Stadt Köln, der wenige Tage später zurücktrat. So sollte es in Dortmund natürlich nicht sein. JUERGEN SPILER

Im Panel wurden vier Punkte formuliert, die die Grundlage für einen zeitgemäßen Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum bilden sollten:

  1. Eine Verbesserung der Pflege des Bestandes an Kunstwerken und Denkmälern soll durch eine Klärung der Zuständigkeiten und gegebenenfalls durch die Aufstockung der Kapazitäten erreicht werden. Derzeit erfolgt die Wahrnehmung der Aufgaben durch verschiedene Fachbereiche, was sich negativ auf die Pflege der Objekte auswirkt.
  2. Ein Fachbeirat, der sich aus Verwaltungsmitarbeitern, Kulturschaffenden,Wissenschaftlern und sachkundigen Bürger:innen zusammensetzt, soll Politik und Verwaltung beraten, die Bürgerschaft einbeziehen, aber auch ein repräsentatives und aktuelles Bild dessen etablieren, was Kunstschaffende aktuell am Stadtraum interessiert.
  3. Die Entscheidung über Kunst im öffentlichen Raum muss mit den an der architektonischen und städtebaulichen Entwicklung der Stadt beteiligten Ämtern und Gremien verknüpft bzw. verzahnt werden, um eine kohärente und konsistente Herangehensweise zu gewährleisten.
  4. Es müssen die Rahmenbedingungen für eine „Kultur des Ermöglichens“ geschaffen werden, zu der auch eine kompetente Fachberatung und gezielte Fördermöglichkeiten für Kunstschaffende gehören.

Ein Fachbeirat trotz der schlechten Erfahrungen in Köln? Wie könnte es denn in Dortmund besser laufen? Notwendig für eine kohärente und konsistente Herangehensweise sei, den fundierten Sachverstand der Verwaltung sowie der verschiedenen Akteure der Kunstwelt frühzeitig in die maßgeblichen Prozesse zu integrieren, so Toussaint auf Nachfrage von Nordstadtblogger. Er ist überzeugt, dass es funktioniert, wenn „fortschrittlichere oder progressivere Beiräte bzw. Kommissionen über ein auf Handlungsfähigkeit ausgerichtetes Statut mit Entscheidungskompetenzen sowie finanziellen Ressourcen verfügen.“

Der öffentliche Raum: „immer ein bisschen riskant“

Denise Ritter, Künstlerin aus Dortmund. JUERGEN SPILER

Auch auf Seiten der Kunstschaffenden gab es Wünsche und Herausforderungen. Künstlerin Denise Ritter nannte es „hilfreich“ für die eigene Arbeit, wenn der Auftraggeber als Schnittstelle agieren kann zu den Menschen und Initiativen.

Kunst im öffentlichen Raum zu schaffen sei für sie auch „immer ein bisschen riskant“ und erfordere eine besondere Haltung: „Ich sehe mich als Gast“, so Ritter. Zum öffentlichen Raum gehörten immer auch die Menschen, die dort leben. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, das eigene Ego zu minimieren.

Vorab ein Gespür für diesen Raum zu entwickeln, stelle ein ganz andere Herangehensweise dar als bei einer Ausstellung im Museum. Ritter bezeichnete den öffentlichen Raum als „die Haut unserer Gesellschaft“, Stadtgesellschaft manifestiere sich hier – und dazu gehören auch Probleme, die durch Kunst nicht gelöst werden können.

Denkmäler, Kunstwerke, Brunnen, Fassadengestaltung, Gedenktafeln – die Gestaltung des öffentlichen Raums ist vielfältig. Wer bestimmt eigentlich, was angeschafft wird? Was kostet der Unterhalt? Wer kümmert sich darum? Und ist überhaupt noch Platz für Neues? Nordstadtblogger fragt nach. 

Was kann Kunst leisten? Wird sie jetzt als Allheilmittel gesehen?

Publikum und Podium diskutierten kontrovers welche Aufgabe die Kunst überhaupt erfüllen könne. Wird die Bedeutung der Kunst aktuell zu sehr politisch oder gesellschaftlich aufgeladen? Wird sie sogar als Allheilmittel gesehen?

Andre Kölsch vom MKK bei seinem Vortrag. JUERGEN SPILER

Ein Künstler sah die „Aufträge“, die an Kunst weitergegeben würden, sehr kritisch. Kunst müsse sich Autonomie und Eigenständigkeit bewahren und Öffentlichkeit und Politik könne nicht erwarten, dass sie Lösungen biete. Rebekka Seubert widersprach: „Wir haben eine Aufgabe in der Gesellschaft“. Kunstschaffende seien Impulsgeber. Und: „Jede Kunst ist politisch. Das heißt aber nicht, dass sie die Aufgabe hat, Lösungen zu finden.“

Kay von Keitz betonte, dass „Kunst und Kultur nicht das Schweizer Messer“ seien, aber gerade im öffentlichen Raum stelle sich die Frage nach der Abbildung von Demokratie. Hier könne Kunst einen Beitrag leisten und „Kulturpolitik hat die Aufgabe, Themen zu setzen“, ergänzte Kunstvereinsleiterin Seubert.

Am Ende kamen die Anwesenden noch auf das Thema Kulturförderung zu sprechen und die Schwierigkeit, überhaupt Förderung zu erhalten. Sinnvoll wurde die Aufteilung von Fördergeldern gesehen, wie sie beispielsweise durch die Kulturstiftung des Bundes erfolgt: über einen Topf für „allgemeine Projektförderung“ und „Programmförderung“.

Wer mehr wissen will:

 


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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