Was haben „Pulp Fiction“, „Das Leben des Brian“, „Four Rooms“ und „Leiche zum Dessert“ gemeinsam? Alles sind Kultfilme, die Dortmunder Studierende schon auf Theaterbühnen gebracht haben.
Start an der Uni Dortmund
2007 ging es damit an der Dortmunder Uni los. Gespielt wurde unter anderem in der Kaktus-Farm. Doch die drangvolle Enge auf und hinter der Bühne und das im Uni-Leben bekannte Kommen und Gehen von Mitwirkenden sollte ein Ende haben. Mehrere Mitwirkende gründeten daher einen Verein: Daraus ist das Nordstadt-Theater entstanden.
Nordstadt-Theatergruppe mit festem Ensemble und vielen Statisten
„Viele von uns wohnten in der Nordstadt und hatten damals auch mit der Uni nichts mehr zu tun“, berichtet Jenny Koch. Sie wollten eine größere Bühne und vor allem ein festes Ensemble. Gemeinsam mit Jennifer Sloane gehört Jenny daher zu den Gründerinnen des Vereins.
Jetzt fläzt sie sich in einem der Kinosessel des Roxy-Kino in der Münsterstraße und beobachtet das Treiben der Zombies. Wohl gemerkt nicht auf der Leinwand, sondern im Kinosaal. Denn der Kultfilm „Shaun of the Dead“ steht als nächstes auf dem Spielplan des Nordstadt-Theaters. Am 22. Mai ist Premiere – an drei weiteren Abenden ist das Stück in der Nordstadt zu sehen.
Skepsis und Begeisterung wegen des Zombiefilm-Projekts
Noch so ein absurder wie unterhaltsamer Film auf der Wunschliste von vielen Vereinsmitgliedern. „Er stand seit 2007 drauf. Aber es gab auch Skepsis“, räumt sie ein. Daher sollte 2014 auch der Barbra-Streisand-Streifen „Is‘ was Doc“ inszeniert werden. „Die beiden Hauptdarstellerinnen waren gegen den Zombiefilm“, erklärt Jenny. Da allerdings beide schwanger wurden und für das Stück ausfielen, gab es eine Programmänderung.
Daher proben jetzt die 16 Vereinsmitglieder – unterstützt von Statisten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis – nun das Zombie-Spektakel. Der Vorteil: Abgesehen vom Filmblut ist das Stück nicht besonders „kostümintensiv“. Anders als noch bei das Leben des Brian: 60 Rollen, 30 Personen – die Kostüme mussten sie sich während des Stücks sogar teilen, weil nicht genügend Platz in der Kaktus-Farm war. „Kostüm-Sharing“ – eine besondere logistische Herausforderung.
Bessere Logistik im Roxy-Kino – Garage dient als Kulissenlager
Im Roxy klappt das mit der Logistik wesentlich besser. Vor allem, weil der kleine Verein mittlerweile eine Garage neben dem Notausgang anmieten konnte, um Bühnenbilder dort zu lagern. Allerdings haben die Theatermacher hier mit anderen Problemen zu kämpfen. Denn die Proben und Aufführungen müssen vor beziehungsweise nach den Filmvorführungen stattfinden.
Daher ist erst um 21.15 Uhr Einlass. Für den Aufbau des Bühnenbilds bleiben nur fünf bis zehn Minuten. Zu wenig Zeit für Maske und Schminken: „Wir kommen kostümiert zum Kino“, berichtet Jenny. In der Münsterstraße sind ja häufig schräge Vögel unterwegs – dann sind es eben ein paar Tage lang noch Zombies…
Die werden dann nicht nur auf der Bühne, sondern auch wieder mitten im Saal unterwegs sein. Das gehört zum Konzept der Inszenierungen. Daher wurden bei Das Leben des Brian auch Otternasen und andere Leckereien an die Besucher verkauft und während des Stücks Bärte und Steine für die Steinigungsszene verteilt…
Aufwändige Szenen wurden gedreht und werden eingespielt
Wenn etwas zu aufwändig für die Bühne ist, zum Beispiel die Autoszenen bei Pulp Fiction, dann drehen die Theaterlaien dies als Einspielfilme. „Wir waren von Anfang an multimedial“, betont die Theatercrew. Ganz abgesehen davon sind das prima Pausenfüller für Umbaupausen, Schminken und Kostümwechsel.
Apropos Inszenierung: Drehbücher haben sie ja nicht: „Wir schreiben die Filme komplett ab und versuchen sie 1:1 umzusetzen“, erklärt Jenny Koch.
Nicht-kommerzielles Projekt – daher freier Eintritt
Die Laienschauspieler nehmen keinen Eintritt. „Wir sind ein nicht-kommerzielles Projekt“, betonen die Vereinsmitglieder. Doch der freie Eintritt hat auch einen anderen Grund: Niemand soll vom Besuch ausgeschlossen werden, nur weil er oder sie sich den Eintritt nicht leisten kann. Anschließend geht ein Hut rum – Spenden sind gerne gesehen. Schließlich müssen die Kosten refinanziert werden.
Ohne Eintritt keine Tickets und damit auch keine Vorbestellung. Nicht selten müssen Gäste an einem anderen Abend wiederkommen. „Die Chancen sind bei der dritten Vorstellung am besten“, plaudern die Akteure aus dem Nähkästchen. Mit rund 600 Zuschauerinnen und Zuschauer rechnen sie insgesamt an den vier Abenden.
Vorstellungen kommen gut an – außer bei der katholischen Kirche
Die kommen immer gut beim Publikum an. Nur ein Mal hatten sie keine so gute Resonanz. Sie waren 2012 von der Katholischen Dreifaltigkeitsgemeinde eingeladen, dass schwarz-gelbe St.Martins-Fest zu inszenieren. Ihre realistische Bettlerdarstellung – ebenfalls aus den Reihen der Besucher heraus – sorgte wohl für einen Aufschrei der Empörung im Kirchenvorstand. „Daher wurden wir beim nächsten Mal nicht mehr eingeladen“, berichtet Jenny. Macht aber nichts: Mehr Zeit für andere eigene Projekte. Ob mit oder ohne Zombies…
Die Darstellerinnen und Darsteller und ihre Rollen:
Jesus Meyendriesch- Shaun
Gesa Schölgens – Liz
Nils Fonteyne – Ed
Jutta Dietrich – Barbara Miller
Anna Lange – Diana
Jens Koller – David
Jenny Koch – Yvonne
Jennifer Sloane – Blumenverkäufer
Gerard Englender – Vater Philipp
Felix Hofmann – Noodle
TERMINE: 22.5., 23.5., 24.5. und 25.5.2014, jeweils ab 21.15 Uhr im Roxy Kino Dortmund, Münsterstraße 95
44145 Dortmund. Der Eintritt ist wie immer frei!
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Frank Brandstätter
„Shaun of the Dead“ – ein gelungenes Wagnis des Nordstadt-Theaters. Die Truppe beweist, daß auch in der Dortmunder Nordstadt Kultur auf hohem NIveau geboten werden kann. Die inszenierung eines „Films“ als Theaterstück auf der Bühne eines „Kinos“ zu präsentieren ist natürlich besonders elegant und stylish. Glücklicherweise gibt es mit dem Roxy noch ein Kino im alten Stil mit einer Leinwand auf einer echten Bühne.
Besonders gelungen das Intro mit einer zombievollen Bühne, die sich auch alsbald ein Opfer „schnappen“, welches gleich der Suor Angelica in Puccinis gleichnamiger Mini-Oper ein langes Sterben zelebriert. Die Hauptinszenierung ist kurzweilig und der Multimedia-Effekt durch Einsatz eingespielter Filmszenen bereichert das Schauerlebnis.
Für den geneigten Fan von Zombiefilmen ist „Shaun of the Dead“ als Theaterstück ein besonderes Erlebnis. Einzig am Schlüsselsatz muß die Truppe noch arbeiten, um die echten Zombiefans vollends zu begeistern. Shauns Mutter heißt nicht umsonst Barbara wie die Heldin des ersten „wahren“ Zombiefilms „Night of the Living Dead“ (USA, 1968). Und nicht umsonst gibt es eine Szene, in der Shaun und Ed aufbrechen, um Mutter Barbara zu retten mit dem Ausruf „Barbara, wir kommen und holen dich.“ Dieser Satz verdient eine markantere Präsentation (im o.g. Film ist „They’re coming to get you, Barbara“ einer der wichtigsten Sätze der Filmgeschichte und setzt die Handlung in Gang).
Dem Nordstadt-Theater bleibt zu wünschen, daß auch die weiteren Vorstellungen „ausverkauft“ sind und das Theatererlebnis mit reichlich Spenden belohnt wird.