Künstlerische Recherche-Residenz: Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz zu Schwarzen Bewegungen im Ruhrgebiet

Fasia Jansen – viele Jahre engagiert für Rechte von Arbeiter*innen, Frauen und Frieden. Foto: Familienfilmarchiv

Nach einem Juryentscheid am vergangenen Donnerstag sind Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz vom Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund | Köln und Interkultur Ruhr zu einer zweimonatigen Recherche-Residenz eingeladen worden. Die Ergebnisse ihrer Beschäftigung mit der verstorbenen Aktivistin und Liedermacherin Fasia Jansen aus Oberhausen werden im Frühjahr 2021 im Rahmen des Internationalen Frauenfilmfestivals in Dortmund präsentiert.

Jury wählt Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz für zweimonatige Recherche-Residenz aus

Die Kunst- und Kulturproduzentinnen Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz werden mit einer Schwarzpositionierten künstlerisch-kulturhistorischen Recherche Fasia Jansens Leben und Wirken in Zusammenhängen der regionalen, aber auch der globalen Schwarzen Bewegung untersuchen. ___STEADY_PAYWALL___

Die Jury (v.l.:) Eva Busch (atelier automatique), Ella Steinmann (Theater Oberhausen), Betty Schiel (IFFF Dortmund | Köln), Johanna Yasirra Kluhs (Interkultur Ruhr) und Maxa Zoller (IFFF Dortmund | Köln). Foto: IFFF

„Der Großteil der bereits entstandenen Recherchen, Bücher, Filme und Archive zu Fasia Jansen wurde von weißen Autor*innen verfasst und gesammelt. Dies spiegelt sich in dem Diskurs um Fasia Jansen wider: So wird beispielsweise nur beiläufig auf das bis jetzt wenig recherchierte Netzwerk Schwarzer Akteur*innen, das sie im Ruhrgebiet aber auch international umgab, eingegangen“, heißt es in ihrem Bewerbungsschreiben.

„Als Schwarze deutsche Kunstschaffende und Aktivistin nimmt Fasia Jansen, die sich weltweit insbesondere für Frauenrechte und Frieden eingesetzt hat, eine einzigartige Position in der Geschichte des Ruhrgebiets und Deutschlands ein.“

„Wir sind froh, mit Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz Residentinnen gefunden zu haben, die sich als kritische Erbinnengemeinschaft verstehen. Sie wollen bisher unsichtbare soziopolitische Einbindungen von Fasia Jansen untersuchen und ihre Geschichte auf selbststärkende Potentiale für Schwarze Bewegungen des heutigen Ruhrgebiets hin untersuchen“, so die fünfköpfige Jury, bestehend aus Betty Schiel, Ella Steinmann, Eva Busch, Maxa Zoller und Johanna-Yasirra Kluhs.

Engagement für Anerkennung postmigrantischer Perspektiven und (Mehrfach-)Zugehörigkeiten

Princela Biyaa. Foto: privat

Princela Biyaa lebt seit über acht Jahren im Ruhrgebiet. Wichtige Schritte zur Unterstützung der Sichtbarmachung Schwarzer Perspektiven, dem Diskurs deutscher kolonialer Vergangenheit und postkolonialer Gegenwart im Ruhrgebiet waren für sie die Mitbegründung der PoC Gruppe Bochum/Dortmund und des Postkolonialen Lesekreises der PoC AG an der TU Dortmund.

Neben ihrem Engagement und Forschungen im akademischen Kontext ist sie seit mehreren Jahren im aktuellen Diskurs um die Anerkennung postmigrantischer Perspektiven und (Mehrfach-)Zugehörigkeiten aktiv. Diesbezüglich ist sie in verschiedenen sozialen Projekten tätig, wie z.B. Projekt Ankommen e.V. und Familienzukunft.

Derzeit konzipiert sie eine Workshopreihe zum Thema „Self Care and Community Care” für den vkii und arbeitet als Kuratorin an dem Projekt “Du denkst, du kennst Dortmund” (Arbeitstitel), welches lokalen Kunst- und Kulturschaffenden Akteur*innen der Nordstadt Gehör und Sichtbarkeit geben wird. Ab Juli 2020 arbeitet sie als Bildungsreferentin des Kompetenzzentrums Anti-Schwarzer Rassismus bei Each One Teach One e.V.

Einsatz für positive Selbstrepräsentation von und für Schwarze im Stadtbild

Marny Garcia Mommertz hat 2018 in Den Haag den Verein Afro Student Association mitgegründet, um mit internationalen Schwarzen Studierenden eine geschütztere Plattform des Austausches zu bilden und sich für positive Selbstrepräsentation von und für Schwarze im Stadtbild einzusetzen.

Marny Garcia Mommertz. Foto: Florian Boccia

Durch längere Aufenthalte in der Karibik, Südamerika, Nordamerika, Europa und Westafrika hat sie ein sich ständig erweiterndes globales Verständnis von Schwarzsein.

So absolvierte sie zum Beispiel ein Praktikum bei der Bürger*innenrechtsbewegung Y’En A Marre in Dakar (Senegal) mit den Zielen, Strategien der Mobilisierung Schwarzer Menschen kennenzulernen und ihr Netzwerk zu erweitern. Als freie Mitarbeiterin am Goethe-Institut Salvador-Bahia betreute und unterstütze sie u.a. internationale Kunstschaffende der Künstler*innenresidenz Vila Sul.

Durch die Arbeit mit internationalen Schwarzen Kunstschaffenden im Kontext der Stadt Salvador hat sie tiefe Einblicke in verschiedene Praktiken erworben, bei denen Selbstrepräsentation oder Aktivismus mit Kunst verwoben sind. Seit Januar 2020 arbeitet sie als kuratorische Assistenz beim Hartware MedienKunstVerein e.V. in Dortmund.

Beide Residentinnen sind Mitbegründerinnen der Association of Black Arti_ists, die die Selbstrepräsentation von Schwarzer Kunst und Künstler*innen in Europa stärken möchte.

Interkultur Ruhr und das Archiv für Familien- und Amateurfilm des Ruhrgebiets

Den Anstoß für die Residenz-Ausschreibung gab das 2018 von Interkultur Ruhr initiierte Archiv für Familien- und Amateurfilm des Ruhrgebiets, in dem sich Spuren der Aktivistin und ihrer Bewegungsarbeit in Dortmund finden. Von diesen Amateur*innenfilmen und den erzählten Erinnerungen ihrer Archivar*innen ausgehend bietet die Residenz Möglichkeit, in die zahlreichen Archive des Ruhrgebiets und dessen reiche Bewegungsgeschichte einzutauchen.

Seit 2016 arbeitet und forscht Interkultur Ruhr als mobile Organisation an Formen einer diversen Gemeinschaft – zusammen mit Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen, von Migrant*innen-Selbstorganisationen und freien Initiativen über Kulturinstitutionen bis hin zu Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung. Der Fonds Interkultur Ruhr fördert Projekte, die eine Gesellschaft der Vielfalt und das solidarische Miteinander stärken. Das Netzwerk Interkultur Ruhr dient dem Austausch zwischen interkulturellen Initiativen und Organisationen im Ruhrgebiet. Daneben werden künstlerische Projekte und Koproduktionen in verschiedenen Städten der Region realisiert.

Interkultur Ruhr ist ein Projekt des Regionalverbands Ruhr (RVR). Es ist Teil der Nachhaltigkeitsvereinbarung zur Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr. 2010 und wird gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Archiv für Familien- und Amateurfilm des Ruhrgebiets entstand im Rahmen des Projektes Interkultur Ruhr (RVR) mit Unterstützung des Forums für Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e.V. Archivträger ist die Stiftung Ruhr Museum. www.interkultur.ruhr

Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln: Archivarbeit eines der Kernthemen

Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund.Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund | Köln – Deutschlands größtes Forum für Frauen in der Filmbranche – steht für ein internationales und anspruchsvolles Filmprogramm, das herausragende Filme von Frauen in allen Genres und Stilrichtungen präsentiert.

Das seit über 30 Jahren bestehende Festival hat aktiv dazu beigetragen, dass Filme von Regisseurinnen mehr gesehen, geschätzt und kanonisiert werden. Neben dem Spielfilmwettbewerb und mehreren Nachwuchspreisen vergibt das Festival den weltweit einmaligen Preis an Bildgestalterinnen für besondere Kameraarbeit.

Archivarbeit ist eines der Kernthemen des Festivals, denn die Geschichte des Frauen*films bedarf konstanter Aufarbeitung. 2018 präsentierte das Festival in dem Programm „Café Kosmos“ Filme aus dem Archiv für Familien- und Amateurfilm des Ruhrgebiets. Dies führte zu einer langfristigen Zusammenarbeit mit Interkultur Ruhr.

Weitere Informationen:

Über die Gastgeber*innen: Kultur im Turm e.V. – kitev | Oberhausen und das Künstlerhaus Dortmund

  • Kitev wurde 2006 von Künstler*innen und Architekt*innen aus dem Ruhrgebiet und Berlin begründet. 2011 bis 2013 erfolgte unter eigener Leitung der Umbau des Bahnhofsturms im Oberhausener Hbf zum Konzeptions- und Arbeitsraum sowie zum Residenzort für temporäre künstlerische Arbeiten in der Region Ruhrgebiet. Kitev arbeitet lokal, regional und international vernetzt in künstlerischen, architektonischen, sozial-kulturellen, dialogisch forschenden und experimentellen partizipativen Projekten. www.kitev.de
  • Das Künstlerhaus Dortmund wird seit 1983 von Künstler*innen als Atelierhaus und Ausstellungsort für zeitgenössische und experimentelle Kunst in Selbstorganisation geführt. Es führt neben Ausstellungen auch Residenzprogramme und Kooperationsprojekte sowie Projekte der kulturellen Bildung durch. www.kuenstlerhaus-dortmund.de
  • Interkultur Ruhr; Homepage; hier:
  • Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln; hier:

 

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