Die Jugendmesse YOU kehrt vom 28. bis 30. November in die Dortmunder Westfalenhallen zurück. Mit der Bundeswehr zählt ein sehr umstrittener Aussteller zu den Gästen der Veranstalter. Das Bündnis „Krieg ist kein Funsport“, dem sich zahlreiche Jugendverbände und Organisationen angeschlossen haben, lehnt die Teilnahme von Militär auf einer Jugendmesse grundsätzlich ab.
Kritik: Bundeswehr-Werbung ist unvereinbar mit der Kinderrechtskonvention
In Dortmund haben sich u.a. Falken, DGB-Jugend, Jusos, Junge Grüne, Solid, das Bündnis gegen Rechts und die VVN mit den Naturfreuden zum Bündnis „Krieg ist kein Funsport“ zusammengeschlossen.
„Das Werben von Militär unter Minderjährigen widerspricht massiv den Grundsätzen der UN-Kinderrechtskonvention“, erläutert Jan Tacke von der Naturfreundejugend als Sprecher des Bündnisses die Kritik.
„Wenn in Afrika Kindersoldaten rekrutiert werden, sorgt das hier in der bürgerlichen Gesellschaft für breite Empörung. Wenn allerdings die Bundeswehr in der BRAVO für ihre so genannten Funsport-Camps wirbt oder eben Propaganda auf der Jugendmese YOU betreibt, dann soll das völlig in Ordnung sein?“
In der Tat liegt die Kernzielgruppe der YOU bei 14 bis 16 Jahren. Ein Alter, in dem viele Jugendliche noch sehr leicht zu beeinflussen sind. Von Tod und vom Töten, von Verletzungen, Traumata und anderen negativen Auswirkungen, die der Beruf als Soldat mit sich bringen kann, wird seitens der Jugendoffiziere auf der Messe natürlich nichts erzählt.
Stattdessen wird für Abenteuer, Kameradschaft und Karrierechancen geworben. Hochglanzbroschüren sollen die Minderjährigen ebenso für den Dienst an der Waffe begeistern, wie Flugsimulatoren. Auch Panzer sind von der Bundeswehr bereits zu solchen Anlässen zur Schau gestellt worden, als sei Kriegsgerät das Normalste auf der Welt.
Einen solchen Auftritt will das Bündnis nicht unkommentiert lassen und hat sich deshalb seit mehreren Wochen auf die Jugendmesse vorbereitet. Mit zahlreichen Protestaktionen wollen sie auf ihren Standpunkt aufmerksam machen.
Seifenblasen-Flashmob, Kundgebung und Überraschungsbesuche
Für Freitag, 28. November, rufen die Kriegsgegner die Messebesucher zu einem Flashmob auf. Um Punkt 12 Uhr soll in Halle 5 ein Signal ertönen, auf welches hin bis zu 1.000 Jugendliche vor dem Stand der Bundeswehr aus vollen Rohren Seifenblasen pusten sollen.
Für Samstag, 29. November, hat das Bündnis eine Kundgebung am Ausgang der U-Bahn Station „Westfalenhallen“ angemeldet. Von 11 bis 12 Uhr werden sie auf die Präsenz der Bundeswehr hiweisen und mit zahlreichen Transparenten und Fahnen ihre Kritik daran üben.
Außerdem hat sich eine Anzahl von Gruppen darauf vorbereitet, den Stand der Bundeswehr am Samstag nachmittags sowie am Sonntag ganztägig zu besuchen und das Thema mit kreativen Überraschungsaktionen vielfältig zu beleuchten.
Friedlich, bunt und kreativ – ein Fall für Polizei und Geheimdienst?
Der Aktionskonsens des Bündnisses „Krieg ist kein Funsport“ lautet „friedlich, bunt und kreativ“ und ist auf „gewaltfreie Kommunikation“ ausgerichtet, versichert Jan Tacke. „Unser Ziel ist es, eine gesellschaftliche Diskussion um das Thema anzustoßen und die Jugendlichen zu sensibilisieren.“
Dabei nimmt er den Westfalenhallen-Sprecher Andreas Weber beim Wort. Dieser hatte in der Lokalpresse (20.11.14, WAZ) empfohlen, „die YOU als Kommunikationsplattform zu nutzen und die eigenen Standpunkte deutlich zu machen“.
Deshalb wundert es ihn, mit welchen Geschützen er und das Bündnis konfrontiert werden. So hatte der Prokurist der Westfalenhallen, Phillip Lischke im Rahmen eines Treffens beim Jugendring Dortmund vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass die Bundeswehr mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) über „Mittel und Wege“ der Informationsbeschaffung verfüge. Dies konnte durchaus als Versuch der Einschüchterung verstanden werden.
In die gleiche Kerbe schlagen auch die regelmäßigen Anrufe der Polizei, die vor der Verbreitung des Aufrufs zur Durchführung des Seifenblasen-Flashmobs warnen. Ohne Anmeldung verstoße dies – aufgrund der politischen Botschaft – gegen das Versammlungsgesetz und man würde sich strafbar machen.
Insgesamt hat Bündnissprecher Jan Tacke den Eindruck, man versuche hier „mit Kanonen auf Spatzen“ zu schießen. Seiner Ansicht nach sollten Westfalenhallen, Messeleitung der YOU und die Polizei „fünf Minuten kreativen, bunten und friedlich gesinnten Protest ertragen können.“ Alles andere könne doch nur zum medialen Eigentor werden, rät Tacke.
Mehr zum Bündnis:
EMAIL: krieg-ist-kein-funsport@email.de
FACEBOOK: Krieg ist kein Funsport (Gemeinschaft)
TWITTER: @YOU_Dortmund
Reader Comments
martin
Generell ist die Aussage korrekt. „Krieg ist kein Funsport!“ Jedoch bevor das Bündnis, das diese Initiative gegründet hat , eine Protestaktion ins Leben ruft, sollten sie sich komplett über das breite Tätigkeitsfeld der Bundeswehr informieren.
Seit wann werden Soldaten entsandt um Krieg zu führen, diese Zeit ist Gott sei Dank Vergangenheit! Im Gegenzug leistet sie eine Aufklärungsarbeit und sorgt dafür, dass wir alle sicher in Deutschland leben können.
Ob das junge Publikum bei der YOU nun die richtige Zielgruppe ist, ist fraglich.
Jedoch sollte man bedenken, dass sich nach der Abschaffung der Wehrpflicht, kaum noch jemand mit der Bundeswehr (kristsch) auseinander setzt.
Aus diesem Grund finde ich es nicht verkehrt, dass sich Menschen bereits im jungen Alter darüber Gedanken machen.
Claus
Ach, ja. Stimmt:
Kriege heißen ja mittlerweile `Friedensmissionen`… 😉
Aber davon hat die Bundeswehr ganz schön viele am laufen! 😮
Marco Bülow
Marco Bülow: DISKUSSION UM BUNDESWEHR BEI DER YOU WIEDER BERUHIGEN
Seit einigen Tagen engagiert sich ein breites Dortmunder Bündnis, unter anderem die Naturfreunde Deutschlands und der Landesjugendring, gegen die Teilnahme der Bundeswehr an der Jugendmesse YOU in der Dortmunder Westfalenhalle.
Dazu erklärt der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow: „Die Bundeswehr will sich vom 28. bis 30. November auf der YOU als Arbeitgeber präsentieren und versuchen junge Menschen für eine Karriere beim Militär zu gewinnen.
Grundsätzlich ist Kritik gegen einen Aussteller demokratisch und ich kann die Proteste gegen die Anwerbepraktiken der Bundeswehr teilweise nachvollziehen. Allerdings halte ich es nicht für zielführend, dass als Hauptadressat dieser Kritik die Westfalenhalle auserkoren wird. Die Bundeswehr ist eine Einrichtung des Bundes und Kunde der Dortmunder Westfalenhalle, wie auch vieler weiterer Messen. Seitdem die Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee geworden ist, nutzt sie vielfältige Möglichkeiten, um für sich zu werben – was erst einmal legitim ist. Einrichtungen des Bundes die Selbstdarstellung zu verbieten, kann kaum das Ziel sein.
Der richtige Ansprechpartner für Kritik wäre deshalb aus meiner Sicht das Verteidigungsministerium und die Bundesregierung. Dem Ministerium sollte deutlich gemacht werden, dass die Anwerbepraktiken der Bundeswehr zweifelhaft sind. Der „Dienst an der Waffe“ sollte nicht als großes Abenteuer dargestellt werden. Es muss auch deutlich auf die Risiken hingewiesen werden. Ich würde die Kritikpunkte der Protestierenden gerne an die verantwortlichen Stellen weitervermitteln und sie in geeigneter Form auch unterstützen.
Bedenklich finde ich, dass der Militärische Abschirmdienst bei den friedlichen Protesten eingeschaltet wird. Diese Diskussion wird dadurch unnötig verschärft und könnte schnell auch eskalieren.
Ich bitte alle Betroffenen (Demonstrierende, Bundeswehr, Westfalenhalle) an einen Tisch, um diese Probleme sachlich zu diskutieren. Auch dort stehe ich für eine Vermittlung und Diskussion gerne zur Verfügung.“
Ulla Jelpke
Ulla Jelpke: Töten ist kein Jugendevent, und die Bundeswehr ist kein guter Umgang
„Die Bundeswehr ist auf der Jugendmesse YOU eine absolute Fehlbesetzung“, erklärt die Dortmunder Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE, Ulla Jelpke zur Diskussion um die Beteiligung der Truppe an der am Wochenende stattfindenden Messe.
Jelpke weiter: „Die Bundeswehr tritt im Segment ‚Bildung, Karriere, Zukunft‘ auf. Das ist grober Etikettenschwindel. Wer zum Militär geht, hat sich seine Zukunft oft genug schon verbaut, und die erhoffte Karriere endet auf dem Friedhof oder in der Psychiatrie. Dass das schon im Frieden passieren kann, hat sich ja beim tragischen Unglück 1996 gezeigt.
Mir fehlt jedes Verständnis dafür, die Bundeswehr zu einer sogenannten ‚Leitmesse für Jugendkultur‘ einzuladen. Was sollen die Jugendlichen denn dort lernen? Wie man Konflikte mit Gewalt angeht? Wie man sogenannte Kollateralschäden in Kauf nimmt, um die eigenen Interessen durchzusetzen?
Töten ist kein Jugendevent, und die Bundeswehr ist kein guter Umgang, weder für Jugendliche noch für Erwachsene. Ich begrüße deswegen den Beschluss des Landesjugendrings, gegen die Militärreklame auf der Ausstellung zu protestieren, und fordere die Messeleitung auf, künftig auf die Einladung solcher gewaltbereiter Organisationen zu verzichten und die angekündigten Proteste nicht zu behindern.“
Utz Kowalewski
Fraktion DIE LINKE & PIRATEN unterstützt das Bündnis „Krieg ist kein
Funsport“:
Bundeswehr hat auf Jugendmesse YOU nichts zu suchen
„Das geht gar nicht. Auf einer Messe, auf der vor allem 14- bis 16-Jährige unterwegs sind, kann und darf die Bundeswehr auf keinen Fall ihren Nachwuchs rekrutieren“, kritisiert Utz Kowalewski, Sprecher der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN.
Er teilt die Empörung des Bündnisses „Krieg ist kein Funsport“, in dem die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN Mitglied ist, und das die Teilnahme des Militärs auf der Jugendmesse YOU (28. bis 30. November) strikt ablehnt.
Die Kritik der Linken & Piraten richtet sich dabei direkt an die Bundeswehr, sagt Kowalewski. Es sei einfach unmoralisch, bei bereits 14- bis 16-Jährigen für den Dienst an der Waffe zu werben. „Leider deckt sich diese Aktion auf der Jugendmesse YOU mit der allgemein gültigen Praxis der Bundeswehr, die schon 16-Jährige zu Tauglichkeitsuntersuchungen schickt und diese Altersgruppe offensiv zu Bewerbungen ermuntert.“
„Auf Anfrage unserer Linken-Fraktion im Bundestag hat sich herausgestellt, dass die Bundeswehr alleine im Jahr 2012 über 1200 Minderjährige an der Waffe ausgebildet hat“, berichtet Kowalewski. Das stehe im krassen Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention. Und es sei auch wirklich nur ein schwacher Trost, dass die jungen Soldatinnen und Soldaten erst im Alter ab 18 Jahren zu Auslandseinsätzen geschickt werden dürfen. „Ob die Bundeswehr auf der Messe auch erwähnt, dass bereits über hundert deutsche Soldaten in Afghanistan und anderen Ländern ums Leben gekommen sind?“, fragt Kowalewski.
Deshalb kommen auch die Westfalenhallen bei der Kritik der Linken & Piraten nicht ungeschoren davon. „Wir verstehen, dass die Westfalenhallen wirtschaftlich arbeiten und deshalb möglichst viele Standplatze vermieten müssen. Aber es ist ethisch nicht zu vertreten, der Bundeswehr den Zugang zu einem so jungen Publikum zu ermöglichen“, kritisiert Kowalewski. „Man könnte böse unterstellen, dass hier die Jugendlichen regelrecht aus wirtschaftlichen Erwägungen verkauft werden.“ Und dass man mit einer solchen Kritik offenbar einen Nerv treffe, sei ja an der Reaktion des Prokuristen der Westfalenhallen abzulesen. Wie nervös müsse dieser Mann sein, wenn er auf derartige Kritik gleich mit dem MAD (Militärischer Abschirmdienst) drohe. „Da kann man nur ein gutes Seminar im Bereich Öffentlichkeitsarbeit empfehlen“, sagt Kowalewski. Deshalb rate man der Westfalenhallen-Leitung, professionell mit den angekündigten Protesten umzugehen.
Die Linken & Piraten jedenfalls begrüßen die gewaltfreien und fröhlichen Protestaktionen, die gegen die Anwesenheit der Bundeswehr auf der YOU angekündigt wurden. Unter anderem soll es einen Seifenblasen-Flashmob geben.