Die kriminelle Energie eines einzelnen Mitarbeiters bringt die Dortmunder Bürgerdienste erneut in Verruf: Einem Beschäftigten der Zulassungsstelle wird Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall vorgeworfen. Er soll in über 200 Fällen gegen Geldzahlung Fahrzeuge zugelassen haben, denen die entsprechenden Voraussetzungen für den deutschen Straßenverkehr fehlten.
Der Beschäftigte ist geständig und soll nun entlassen werden
Der Mann wurde bereits in der vergangenen Woche festgenommen. Er wurde mittlerweile aus der Haft entlassen, nachdem er die Taten eingeräumt hat. Flucht- und Verdunkelungsgefahr besteht nicht mehr. Aktuell ist er krank geschrieben – die Stadt Dortmund betreibt derzeit seine Entlassung.
„Derzeit wird der adäquate Weg definiert, damit es keine Weiterbeschäftigung bei der Stadt mehr gibt. Die Zeit tickt und die Fristen laufen. Gehen sie von aus, dass es vor Weihnachten zu einer Bescherung kommen wird“, sagte ein sichtlich angefressener Oberbürgermeister den JournalistInnen auf Nachfrage.
Da der Beschäftigte mittlerweile seine Taten gestanden habe, nahm Ullrich Sierau Stellung, ohne jedoch in die Details des komplexen Falles zu gehen. Er berichtete, dass die Stadtspitze nicht erst seit der Verhaftung am Dienstag vor einer Woche gewusst habe, sondern schon länger mit der Staatsanwaltschaft kooperiert habe.
Über 200 Import-Fahrzeuge hätten so nicht zugelassen werden dürfen
Zudem räumte Sierau ein, dass auch die nach den Skandalen der vergangenen Monate und Jahre neu eingesetzte Führung der Bürgerdienste Verdachtsmomente gegen den Beschäftigten gehegt habe – doch diese seien noch nicht so weitgehend gewesen wie die der Ermittlungsbehörden.
Diese haben noch viel Arbeit vor sich. Seit August 2014 habe der Beschuldigte importierte Motorräder und Autos – darunter auch Oldtimer – gelassen, die mit ihren jeweiligen Spezifikationen so nicht hätten zugelassen werden dürfen, bestätigte Staatsanwalt Elmar Pleus auf Nachfrage.
Die Ermittlungen richten sich auch gegen den Dortmunder Autohändler, der die Bestechungsgelder gezahlt hat. Die Arbeit der Ermittler ist noch längst nicht abgeschlossen. Daher mochte Pleus auch keine Details nennen. Die spannende Frage: Hat der Händler seine KundInnen beim Verkauf der Import-Fahrzeuge bewusst getäuscht oder waren diese in den Betrug verstrickt.
Viel Prüfarbeit: Erlischt die Betriebserlaubnis für die betroffenen Fahrzeuge?
Auch für die Stadt wirft der Fall noch viele Fragen auf: Denn in jeder der über 200 gekauften Zulassungen muss nun geprüft werden, ob diese erlischt oder ob da noch etwas „zu heilen ist“, machte die zuständige Dezernentin Diane Jägers deutlich.
Die Stadt hat schon Arbeitsgruppen eingesetzt, um die Fälle zu prüfen. Auch sie stellt sich die Frage nach dem Bewusstsein und dem Mitverschulden der jeweiligen HalterInnen.
„Mich persönlich empört es, dass durch die Taten eines Einzelnen die gute Arbeit diskreditiert wird und medialen Widerhall findet“, ärgert sich Sierau. Die kriminellen Taten eines Einzelnen werfen nun die Frage auf, ob und wie man noch stärker kontrollieren könne und müsse. „Gegen kriminelle Energie ist noch nicht das Kontrollkraut gewachsen, welches wir uns wünschen würden“, so der OB.
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Reader Comments
Thomas
Die Stadtverwaltung Dortmund hat bereits mehrfach erklärt, das Verwaltungsvorgänge kontrolliert werden. Für mich ist es unerklärlich das es vereinzelt Mitarbeiter gibt, die diese Kontrollen umgehen können. Eine Zulassung von 200 Import-Autos ist doch bereits seit Jahren von dem Mitarbeiter genehmigt worden. Bin nicht in der Verwaltung beschäftigt. Kann somit nur vermuten, das die Genehmigungen von Importautos einen hohen Aufwand bedeuten, somit ein Zubrot verdient wurde. Die Kommunalbediensteten erhalten stets neue Aufgabengebiete, Stellen werden nicht besetzt. Ausgequetscht wie eine Zitrone. Menschlich kann ich es nachvollziehen, rechtlich aber nicht.
Letztendlich fehlt mir eine bessere, finanzielle Ausstattung der Kommune, so das diese Fehlgriffe nicht passieren.
Die Mitarbeiter sind für Ihre Leistung angemessen entlohnt, die Stadtverwaltung in den Führungsgremien entlastet.
Hoffe das dieser Wunsch, angesicht des nahen Weihnachtsfestes, baldmöglichst in Erfüllung geht.
Linke & Piraten
Korruptionsfall: Linke & Piraten fordern kulturellen Wandel
Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN fordert angesichts des neusten Korruptionsfalles bei der Stadtverwaltung Dortmund einen kulturellen Wandel bei der politischen Führung der Stadt Dortmund. Einem geständigen Beschäftigten der Kfz- Zulassungsstelle bei den Bürgerdiensten wird Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall vorgeworfen.
Dazu erklärt Ratsmitglied Carsten Klink (DIE LINKE), Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschuss:
„Es reicht nicht, dass der Oberbürgermeister mal wieder ‚erschüttert, betrübt und empört‘ ist. Der aktuelle Korruptionsfall ist leider kein Einzelfall. Er reiht sich ein in eine schier endlose Reihe von Fällen, die sich durch fast alle Dezernate zieht und letztlich auf fehlende politische Führung in dieser Stadt zurückgeht: Im Fundbüro fehlten Kleinstbeträge, in einer Bezirksverwaltungsstelle über 650.000 Euro, bei den Bürgerdiensten fehlen Blankoausweise, im Kulturbereich hunderte Kunstwerke, im Tiefbauamt wurde auf eigene Rechnung mit Altmetallen, beim Theater mit Requisiten gehandelt, das Jugendamt ging ungetrübt mit Millionenbeträgen um.“
Regelmäßig werden Amtsleiter und Dezernenten vorgeführt, stellt Carsten Klink fest. „Das nun endlich beschlossene eigenständige Personaldezernat reicht bei weitem nicht aus. Es bedarf vielmehr eines tiefgreifenden, kulturellen Wandels. Die Verwaltungsspitze muss umgehend bei der Personalführung ihrer Verantwortung gerecht werden, damit diese strukturellen Probleme endlich der Vergangenheit angehören.“
Wolfgang Richter
Auf die Gefahr zu langweilen noch einmal:
Fehlt Personal oder Führung?
Keine Frage: Es fehlt Personal UND Führung. Schon dass Personal fehlt (nicht nur bei den Bürgerdiensten), zeigt die fehlende Führung. Führung heißt hier nur, mit möglichst wenig Personal steigende Anforderungen erfüllen zu wollen – in vielen Bereichen sind die Dienstpläne bereits die Notdienstpläne. Wiederholt durchgesetzte Kürzungen, Umorganisationen und Umsetzungen weisen keine Führungskompetenz nach, sondern Boxerqualitäten.
Eine große Koalition (ohne Koalitionsvereinbarung) besetzt die Führungsebenen bis ganz nach oben – da wird sich doch wohl – in jedem Einzelfall – ein persönliches Verfehlen ganz unten ermitteln lassen.
Wolfgang Richter