Klinikum Dortmund bittet zum „DOC Slam“: Über Fußball, den menschlichen Stuhlabdruck und aggressive Angehörige

Beim ersten DOC-Slam des Klinikums Dortmund hat Jaqueline Naudszus den Preis abgeräumt. Fotos: Lisa König

Von Lisa König

Erstmals „DOC-Slam“ des Klinikums Dortmund: Im Theater Fletch Bizzel ließen sich vier MitarbeiterInnen über Themen wie aggressive Angehörige und den menschlichen Stuhlabdruck aus. Gewinnerin des Abends ist die Krankenpflegerin Jaqueline Naudszus. „Mediziner tauschen Spritze gegen Mikrofon“ war das Motto des Abends und das fasst es eigentlich ganz gut zusammen.

„Ich weiß ja, dass wir ein paar Rampensäue dabei haben“ – Marc Raschke

Marc Raschke, Leiter der Unternehmenskommunikation am Klinikum Dortmund, moderierte den Abend.

Die vier KonkurrentInnen erzählten auf der Bühne über ihre Erfahrungen im Beruf, die Geschichte der Medizin und ähnliches und am Ende entschied das Publikum, wer den Preis am meisten verdient hat.

Hinter der Idee, diese Kunstform am Klinikum Dortmund auszuprobieren, steckt Marc Raschke, Leiter der Unternehmenskommunikation und Moderator des Abends. „Vorträge über Medizin haben wir schon genug gehört. Wir wollen in die neue Kultur einsteigen.“

Das Klinikum Dortmund probiere sich gern in neuen Sphären, wie etwa eine Imitation des Jean Claude Van Damme Stunts Epic Split auf zwei Krankenbetten zeigt.

Für den DOC Slam hat Raschke bei seinen MitarbeiterInnen angefragt, wer sich vorstellen könnte, anzutreten. „Ich weiß ja, dass wir ein paar Rampensäue dabei haben, aber am Anfang hatte ich trotzdem Schiss, dass sich keiner meldet.“ Aber vier mutige MitarbeiterInnen haben sich gemeldet, die allesamt noch keine Slam Erfahrung hatten. „Wir haben uns einfach mal gemeldet … mal schauen, ob das eine gute Idee war“, erzählen sie kurz vor dem Auftritt.

Klar ist auf jeden Fall: Man hat durchaus einen Ruf zu verlieren, denn der Raum war mit über 150 BesucherInnen rappelvoll. „Wir haben etwa mit der Hälfte an Zuschauern gerechnet“, erzählt Raschke. „Es ist toll, wie viele Leute gekommen sind. Und das, obwohl der BVB spielt.“

Geschichte der Medizin: Vom alten Ägypten übers Mittelalter in die Neuzeit

Die SlamerInnen v.l. Thomas Wehrmann, Frank Fieber, Dominik Schneider und Jaqueline Naudszus.

Um für ganz faire Verhältnisse zu sorgen, wurde die Reihenfolge ausgelost. Als erstes startete der Anästhesist Frank Fieber mit einem Rückblick auf die Geschichte der Medizin. Ganz bescheiden nennt er den Vortrag: „Die Evolution des Arztes: Von den Anfängen der Menschheit bis zur Krone der Medizin – dem Anästhesisten“.

Dabei führte der Weg von den Hütern des Anus aus dem alten Ägypten über Aberglaube im Mittelalter bis in die Neuzeit. Anekdoten über Hildegard von Bingen und den Sonnenkönig dürfen nicht fehlen, der laut Fieber erstaunlicherweise 79 Jahre alt wurde – trotz seiner Leibärzte. „Die haben aus heutiger Sicht nicht besonders viel zu seiner Gesundheit beigetragen. Einer war zum Beispiel der Meinung, dass Zähne die größte Infektionsgefahr im Körper darstellen und hat dem König vorsorglich alle Zähne entfernt.“

Am Ende gab es eine Lernkontrolle mit Fragen wie: “Warum kann ein Assistenzarzt höchstens fünf Mal bei einer Operation assistieren?“ Die Frage spielte auf einen Arzt an, der in einer Rekordzeit von 28 Sekunden einen menschlichen Oberschenkel entfernt hat – dabei allerdings auch zwei Finger seines Assistenten.

Eine Befragung zum Intelligenzquotienten von FußballspielerInnen, TrainerInnen und KommentatorInnen

Auch für die TeilnehmerInnen ein aufregender Abend, denn keiner von ihnen hatte vorher Slamerfahrung.

Der zweite Kandidat hat sich mit einem Dortmund-typischen Thema beschäftigt: Fußball. Um genauer zu sein mit der Frage: „Macht Fußball schlau?“ Der Kinderarzt Prof. Dr. Dominik Schneider hat sich schon länger mit dem Zusammenhang zwischen IQ und der Trendsportart auseinander gesetzt. Bei einer Befragung sollten die TeilnehmerInnen angeben, wie sie den IQ von SpielerInnen, TrainerInnen und KommentatorInnen einschätzen würden.

Schneider: „Wir bewegen uns hier an der Schnittmenge zwischen Naturwissenschaft, Sport und Philosophie. Das wird deutlich bei Zitaten wie: In der Kabine ist man erst, wenn man in ihr ist.“ Mit ein paar Erklärungen zur statistischen Erhebung stellt er die Ergebnisse vor. Die Befragten sollten zunächst den IQ einer Person schätzen, die mit Fußball zu tun hat. Danach wurden ihnen einige Zitate dieser Person vorgelegt und sie konnten ihre Antwort gegebenenfalls korrigieren.

Die Ergebnisse: „Spieler werden nicht besonders klug eingeschätzt. Lag der durchschnittliche Wert zunächst noch bei etwa 90 IQ Punkten, bewegen wir uns nach den Zitaten auf Werte zu, die der Intelligenz einer Sonnenblume nahe kommen.“ Anders bei den TrainerInnen, da seien die Werte relativ konstant geblieben. „Eigentlich erstaunlich bei den Zitaten. Aber da gilt dann wohl: Der kann sagen was er will, er ist immer noch Bundestrainer.“ Insgesamt wurden TrainerInnen klüger als SpielerInnen und KommentatorInnen klüger als TrainerInnen eingeschätzt. Das Resultat: Fußball gucken schadet nicht, manchmal fühlt man sich danach sogar etwas klüger.

Mehr Mikroorganismen im menschlichen Darm als Nervenzellen im Gehirn

Thomas Wehrmann freut sich auch über einen der drei zweiten Plätze samt Blumenstrauß als Gewinn.

Das nächste Thema klingt auf den ersten Blick etwas unappetitlich: Mikrobiom oder der menschliche Stuhlabdruck. Der Anästhesist Dr. Thomas Wehrmann sagt es selbst mit den Worten: „Ich erzähle hier eigentlich nur Scheiße.“

Denn es soll speziell um die Mikroorganismen im menschlichen Darm gehen. Deshalb hat er sich selbst eine Versicherung geschaffen, nicht zu viele Kraftausdrücke zu verwenden: Eine Dame im Publikum sollte bei jedem Schimpfwort ein quietschendes Spielzeug drücken, quasi als Zensurmöglichkeit.

„In unserem Darm leben 10 hoch 14 Mikroorganismen. 10 hoch 14, stellt euch das mal vor! Wir haben mehr Mikroorganismen im Darm, als wir Nervenzellen im Gehirn haben. Ist mein Darm jetzt schlauer als ich?“ Bei einem Zungenkuss würden im Durchschnitt 80 Millionen Bakterien übertragen werden. „Jetzt stellt euch mal vor, wie viele das bei einer Stuhltransplantation sein müssen!“

Bei einer Stuhltransplantation wird gesunder Stuhl eines Spenders in den Darm eines darmkranken Patienten übertragen. „Das ist DER Zukunftsmarkt, eine Stuhlbank statt einer Blutbank. In den USA werden 40 $ für eine Stuhlspende gezahlt. Das ist ja noch viel besser als Blut spenden, denn das kann man jeden Tag wieder tun!“ Es sei noch abzuwarten, wie sich dieses Feld entwickeln wird. Vielleicht werde es in Zukunft das Wundermittel gegen Darmkrankheiten … oder die neueste Diätmethode.

Über die Schwierigkeiten im Klinikalltag, speziell: aggressive Angehörige

Die Krankenpflegerin Jaqueline Naudszus konnte mit ihrem Text über aggressive Angehörige überzeugen.

Zuletzt auf der Bühne stand Jaqueline Naudszus, Krankenpflegerin am Klinikum Dortmund. „Ich spreche heute über eine ganz besondere Spezies“, beginnt sie. „Die aggressiven Angehörigen! Dieses eine bestimmte Geräusch ist jedem Pfleger und jeder Pflegerin bekannt: Das Geräusch der Angehörigenschuhe.“

Das Klackern der Stöckelschuhe auf dem Klinikfußboden sei die erste Vorwarnung. „Wenn ich dieses Geräusch höre, überlege ich schon instinktiv, ob ich wohl genug Folgen Medical Detectives gesehen habe, um einen perfekten Mord zu begehen.“

Ein absoluter Klassiker der aggressiven Angehörigen sei die Forderung: Ich will sofort einen Arzt sprechen! Und das am besten Samstagabends nach 18 Uhr. Oder der Befehl, die Ehefrau auf eine Bettpfanne zu heben, sie habe sich immerhin den Arm gebrochen und sei nicht mehr in der Lage, allein aufs Klo zu gehen.

Erklärungen und Beschwichtigungsversuche seien oft zwecklos. „Am Ende setze ich mein Fake Lächeln wieder auf und reiche ihnen wortlos ein Beschwerdeformular. Nach solchen Erlebnissen denke ich oft über meinen Beruf nach: Versucht man nicht immer, es allen recht zu machen? Sich möglichst viel Zeit für jeden Einzelnen zu nehmen? Stattdessen müssen wir mit Leuten diskutieren, die uns schon aus Prinzip erklären wollen, wie wir unseren Beruf zu machen haben. Da frage ich mich manchmal: Wo sind eigentlich die Beschwerdekarten für die Mitarbeiter?“

Eine klare Siegerin war schon durch die Geräuschkulisse erkennbar

Wie bei Poetry Slams üblich bestimmt das Publikum mit ihrer Wertung die GewinnerInnen.

Nachdem alle TeilnehmerInnen ihre Texte präsentiert hatten, war das Publikum an der Reihe: Fünf ausgewählte RepräsentantInnen sollten Punkte für die jeweiligen Slams vergeben und dabei einen Mittelwert der Punkte bilden, die das restliche Publikum ihnen per Handzeichen signalisierte.

Eigentlich sollten bei der Punktevergabe alle nach vorne auf die Bühne schauen, damit die Wertung bis zur Preisverleihung eine Überraschung bleibt. Das funktionierte mehr oder weniger gut, denn bei der Wertung für die GewinnerIn Jaqueline Naudszus waren bereits Schreie der Begeisterung zu hören.

Marc Raschke übergab ihr anschließend im Konfettiregen die Trophäe. Auf die Frage, wie sie nun mit dem Ruhm umgehen wolle, erklang aus dem Publikum lediglich der Zwischenruf „Morgen Frühschicht!“

Der ganze Text von Gewinnerin Jaqueline Naudszus unter klinikumdo.de

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