Den vielen Kindern mit ihren Eltern, die jede Woche zur Dortmunder Tafel kommen, neben den ausgegebenen Lebensmitteln auch Unterstützung in Angelegenheiten des Alltags anzubieten, ist das erklärte Ziel des „Panorama“-Projekts. Zentraler Bestandteil sind Bildungsangebote. Der bekannte Künstler Stefan Stoppok hat sich bereit erklärt, hier etwas für die musikalische Entwicklung des Nachwuchses zu tun. Mehr noch: sich bei seiner Ehre als Erster Ritter der Tafelrunde dazu verpflichtet. Zum Ritter geschlagen wurde er nun in einer feierlichen Zeremonie.
Kinder an der Dortmunder Tafel: ein Leben in Armut, kaum Bildungschancen – wenig Hoffnung?
Die Tafel lädt ein, freundlich geht es zu: hier werden alle versorgt. Wie in einer schier endlosen Runde, wo jeder Platz nehmen kann. Ein riesengroßer Tisch, gedeckt für alle, die hungrig sind, und die sich nicht immer ein Essen leisten können.
Darum bemühen sich viele Mitarbeiter/innen jeden Tag, ehrenamtlich oder für wenig Lohn: sie sammeln Lebensmittel ein, die sonst weggeschmissen würden, verteilen sie über ganz Dortmund an verschiedene Ausgabestellen in der Stadt. Dort können sie von bedürftigen Menschen und Familien abgeholt werden.
Häufig sind Kinder dabei. Fast 5.000 sind es pro Woche in Dortmund, die mit ihren Eltern zur Tafel kommen. Fast jedes dritte Kind in der Stadt lebt in einem sogenannten Hartz-IV-Haushalt.
Diese Kinder leben in Armut, ihre Bildungschancen sind gering; sie haben in den allermeisten Fällen von vornherein verloren, oder?
Erst kommt das Fressen, dann die Moral – und das eigene Bedürfnis nach Kulturbildung erwacht
Der Mensch lebt bekanntlich nicht vom Brot allein – obwohl es ohne gar nicht geht. Für die Entfaltung der Jüngsten zur Persönlichkeit dagegen braucht es zusätzlich Bildung und Kultur, und Neugier, die Offenheit für Erfahrungen.
Das will durch Angebote in frühen Jahren gepflegt werden – dann wird sie später niemals wirklich versiegen.
Deswegen ist nicht nur eine Tafel wichtig, an der sich alle das Brot teilen können, sondern von wo aus ebenso Entdeckungsreisen ins Unbekannte möglich sind.
Bei denen Kinder Vielfalt erleben, ihnen manch Neues widerfährt, Staunen – in der Begegnung mit anderen Kids, Fremdartigem, mit der Natur und einer Mischung aus Kulturen, bunt in der Nordstadt, anderswo: Bilder, Musik, Tanz, Sprache, Theater, Umgangsformen mit oder ohne Streit, Verständnis, Solidarität.
So viele Dinge, die vielleicht im Elternhaus nicht immer hinreichend gefördert werden können, weil Mama und Papa leider nur wenig Zeit haben. Und die großen, leuchtenden Kinderaugen schauen schlimmstenfalls ins Leere und verdunkeln sich irgendwann.
Stoppok betritt die Bühne: ein Künstler mit Ansprüchen nach dem Mehr übers Showgeschäft hinaus
Und dann ist da ein Künstler, der nicht vom Erfolg allein lebt. Denn davon hat er sowieso genug: Stefan Stoppok, Songwriter, Gitarrist, Sänger.
Stilistisch laut Wikipedia – etwas zu blind-zielsicher, weil recht nichtssagend – irgendwo zwischen „Folk, Blues und Rock“ zu verorten, „gelegentlich mit Reggae-, Funk- oder Westcoast-Elementen versehen“; dazu beim Liebhaben der Gitarre eine „schnoddrige“ Stimme und deutsche Songtexte.
Also am besten einfach mal selbst reinhören, sich ein eigenes Bild machen.
Jedenfalls hat „Stoppok“, wie er nach der gleichnamigen Band häufig einfach genannt wird, mehr im Sinn. Weswegen es hier geschenkt sei, die vielen Awards aufzuzählen, die er bisher eingesammelt hat.
Wichtig ist: er mag Musik mit anderen: mit seiner Band, „plus Artgenossen“, oder im Trio und Duo.
Viele seiner Texte, die er vorträgt, hat er selbst geschrieben. Er denkt darin mit Vorliebe über alltägliche oder ganz wichtige Dinge nach, kann dabei ziemlich witzig werden, manchmal auch spöttisch und er übertreibt dann gern ein wenig, damit seine Zuhörer/innen was zum Mitdenken haben.
Und, er ist ein Kind des Ruhrgebiets, aufgewachsen in unserer Nachbarstadt Essen, von wo aus er später in die Welt hinauszog.
Dem Ritterschlage gemäß: nur jenem, der Demut kennt, kann wahrhaftige Autorität zukommen
Damit fügt sich schließlich was zusammen: neben dem Brot der Tafelrunde brauchen Kinder kulturelle Bildungsangebote wie die Luft zum Atmen – und dann ist da ein nachdenklich-kritischer Künstler mit Wurzeln im Pott, der gern etwas mit anderen macht und nicht nur seinen Erfolg im medialen Lichterglanz sucht: Was geht?
„So höret und staunet, ihr Menschen der Dortmunder Tafel. Sehet, wer heute vor Euch steht: Es ist Stoppok, der Meisterbarde und Poet.
Für Deine unzähligen Verdienste an den Menschen im Ruhrgebiet, für den Erhalt einer Kultur, mit Herz und Verstand, mit Poesie und Musik aus eigener Hand, erheben wir, die Gemeinschaft der Dortmunder Tafel, heute Dich, Stefan Stoppok, in den Ritterstand.“
So sprach der Zeremonienmeister, Norbert Kaden-Fischer, mit würdiger Stimme im Garten der Tafelrunde, und die Versammelten lauschten andächtig seinen Worten.
Und der furchtlose Stoppok sank demütig auf die Knie und erhielt zum Wohlgefallen aller den feierlichen Ritterschlag.
Auf dass er zukünftig als gestandener Künstler und Ehrenmitglied der Tafel in die Reihen der Kinder Frohsinn, Musik und Tanz tragen möge.
In feierlicher Zeremonie: Stoppok der Erste zum Ehrenritter und Schutzpatron der Tafelrunde bestimmt
Und so begab es sich an jenem Tage im Tafelgarten, bei strahlender Sonne, bezeugt von den guten Seelen der umstehenden Menschen, die hier ein und aus gehen:
„Hiermit verleihe ich Dir den Titel: ‚Ritter Stoppok der Erste‘, Ritter der Tafelrunde, Meisterbarde des Ruhrgebietes, Kämpfer für Kultur – mit Herz und Verstand. Bezwinger der 6 Saiten und der 12 Saiten:
Erhebe Dich nun Ritter Stoppok der Erste, als Schutzpatron für die Kinder der Tafel. Mögen noch unsere Enkel und deren Enkel die Lieder von Stoppok dem Ersten singen, dem ersten Ritter der Tafelrunde.“
Mit diesen Worten beschloss der Meister den Festakt. – Dergestalt wurde in einer feierlichen Zeremonie ausweislich beurkundet, geschrieben und besiegelt, vom Vorstandchef Horst Röhr überreicht:
Dass Stoppok fortan als Ritter der Tafelrunde während seiner zukünftigen Tourneen Halt machen werde am Borsigplatz.
Um zusammen mit den dort lebenden Kindern, und mit Hilfe seiner Instrumente wie Stimme, sie lehrend, einzugedenken der Muse Schönheit.
„Panorama“ – gern mal mehr sehen: herzliche Einladung für alle Beteiligten zum Rundumblick
Umfassend schauen, in die Runde, den Blick schweifen lassen – „Panorama“: das Projekt der Dortmunder Tafel in Kooperation mit dem Dortmunder Kinderschutzbund und dem Jugendamt über das städtische Netzwerk „Frühe Hilfen“ will Kindern, Eltern, Familien unterstützen, die von der Tafel Lebensmittel beziehen.
Denn materielle Bedürftigkeit, täglich sichtbar an den Ausgabestellen, ist nur die Spitze des Eisbergs; darunter schwelt multiple Deprivation, verbunden mit ganz unterschiedlichen Faktoren wie Bildungsarmut, psychische Folgewirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit, defizitäre Erziehungskompetenzen, Hoffnungslosigkeit, sonst was.
Das Panorama-Projekt setzt auf konkrete, niederschwellige Hilfen im Alltag, zumeist vermittelt von Menschen im Ehrenamt: Hausaufgabenbetreuung, die Einrichtung eines Familien-Info-Points, eines Lese-Cafés.
Mit Stoppok hat die Initiative nun einen Künstler gefunden, der die Kinder, wie es seine Zeit zulässt, im musisch-musikalischen Bereich begleiten möchte.
Stoppok: Musik zu machen, die einfach nur dafür da ist, viel Geld zu verdienen und Welt zumüllt – Ne!
Zuletzt gab es hier leider wenig nachvollziehbare Schwierigkeiten mit der kommunalen Verwaltung und deren Informationsgepflogenheiten – als es um die Aufstellung eines Containers als Anlaufstelle auf dem Grundstück der Dortmunder Tafel im Borsigplatz-Quartier ging. Vielleicht könnte hier mehr Pragmatik helfen.
Stoppok dagegen hat zugesagt, wird Wort halten. Nicht nur, weil er als Ritter der Tafelrunde jetzt bei seiner Ehre verpflichtet ist, sondern, weil er es will.
Was denn seine Motivation bei dem Unterfangen sei? Seine Antwort ist kurvenreich wie sympathisch:
„Meine Motivation? Ich bin für Nachhaltigkeit, generell. So leb‘ ich als Künstler und versuche, in jeder Form das System zu unterwandern. –
Okay, unterwandern ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber: mich nicht den normalen Gepflogenheiten zu beugen, d.h. Musik zu machen, die einfach nur dafür da ist, viel Geld zu verdienen und mich in einem System zu bewegen, das, wie ich finde, verantwortlich dafür ist, dass unsere Welt zumüllt.“
Weitere Informationen:
- „Stoppok“, der Künstler, die Band, hier:
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